Zunächst muss man feststellen: Ein niedriges Arbeitseinkommen bedeutet keineswegs zwingend, dass ein Arbeitnehmer staatliche Hilfe beanspruchen kann. Oft verdient der Ehepartner ausreichend viel oder Zins- oder Mieterträge vergrößern das Haushaltseinkommen. Hilfsbedürftig sind wesentlich weniger Personen, als es auf den ersten Blick erscheint.
Hinzu kommt, dass es für Arbeitnehmer und Arbeitgeber keine Anreize für den behaupteten Missbrauch gibt. Die Hinzuverdienstregelungen sorgen dafür, dass ein Aufstocker von Lohnerhöhungen profitiert. Ein rationaler Arbeitnehmer hat daher kein Interesse an einem Lohn, der unter dem Marktlohn liegt, weil er mit jedem Euro, den ihm sein Arbeitgeber zahlt, mehr in der Tasche hat.
Anders stellt sich die Sache aber dar, wenn sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber einigen, einen Teil des Lohnes „schwarz“ auszuzahlen. Die finanzielle Situation des Arbeitnehmers bleibt mindestens gleich gut. Der Arbeitgeber profitiert, auch dadurch, dass er Sozialversicherungsbeiträge „spart“. Dem Staat entgehen Einnahmen. Es kommt auf diese Weise tatsächlich zur Ausbeutung des Staates.
Doch ein Mindestlohn hilft dagegen nichts. Der Nachweis, dass man den geforderten Mindestlohn pro Stunde bezahlt, lässt sich mit genügend krimineller Energie dadurch erbringen, dass man das erzielte Gesamteinkommen auf eine niedrigere Stundenzahl verteilt. So steigt der Stundenlohn auf dem Papier.
Ein Mindestlohn hält also Betrüger nicht davon ab, den Staat „auszunehmen“. Gleichzeitig kann er aber großen Schaden anrichten. Liegt die Lohnuntergrenze – wie das offenbar politisch gewollt ist – über dem Marktlohn, entsteht Arbeitslosigkeit. Und damit ist am Ende keinem geholfen.
Dieser Text ist zuerst in einer längeren Fassung in der FAZ erschienen.