Buchkritik, EuropaTagged ,

Marsh macht mobil

David Marsh: Beim Geld hört der Spaß auf – warum die Eurokrise nicht mehr lösbar ist, Europa-Verlag, Berlin 2013David Marsh: Beim Geld hört der Spaß auf – warum die Eurokrise nicht mehr lösbar ist, Europa-Verlag, Berlin 2013 Die Eurokrise ist nicht heilbar. Das ist die schlechte Nachricht, die David Marsh dem Leser übermittelt. Die für viele Deutsche möglicherweise gute Nachricht: Die Deutsche Bundesbank ist wieder da! Sie hat an Selbstbewusstsein zurückgewonnen – und für manche ist ihr Präsident mittlerweile so etwas wie ein Volksheld.

Nein, die Eurokrise nimmt kein gutes Ende. David Marsh, der englische Wirtschaftsjournalist, meint es ernst in seinem neuen Buch „Beim Geld hört der Spaß auf“: Der Euroraum habe sich im Geflecht von gegenläufigen Interessen heillos verknotet. Im Grunde kann der Leser nach der Lektüre des Vorwortes frustriert das Buch zur Seite legen. Denn spätestens dort erfährt er vom Vorwortschreiber und früheren Bundesbankpräsidenten  Karl Otto Pöhl, dass die Regierungen und EZB vor allem deswegen einen Ausstieg aus dem jetzigen Rettungssystem scheuten, weil die Kosten zu hoch würden. Pöhl: „So bleibt als einzige Alternative der Weg in die Transferunion, das heißt die Vergemeinschaftung der Schulden.“

Auf rund 170 Seiten schildert Marsh die Geschichte des Euro – von der Begeisterung bei der Einführung der Währung über die zunächst erfolgreiche Etablierung bis zur Entstehung erster Fehltritte, Ungleichgewichte und dem kranken Patienten Deutschland bis zur aktuellen Krise. Der große Traum, der Euro könne Weltwährung werden, sei alles andere als realistisch, meint Marsh. Der Euro könne froh sein, wenn er Regionalgeld bleibe.

Marsh, der Brite, war nie ein wirklicher Euro-Gegner. Eher ein wohlwollender Betrachter. Gerade deswegen wirkt sein Pessimismus so vernichtend. Heute sieht er den Euro und zu niedrige Leitzinsen als Hauptursache der Verschuldungskrise der Krisenländer. Die Spaltung Europas in Schuldner und Gläubiger verstärke Ressentiments. Die Forderung des Südens nach einer Schuldenvergemeinschaftung stehe frontal gegen die vom Norden erzwungenen Konsolidierungsprogramme – letztlich wird für Marsh der Euro damit eher zum Virus als zum Friedensstifter.

Die gigantischen deutschen Leistungsbilanzüberschüsse seien ein zweifelhafter Segen, ein erheblicher Teil der Auslandsforderungen sei gefährdet. Die Bundesbank trage den allergrößten Teil der sogenannten Target-Forderungen – und damit die deutschen Steuerzahler. Auch weil der Reformeifer der Krisenländer doch wieder nachlässt, scheint es für Marsh außer Frage, dass ein erheblicher Teil dieser Forderungen nie zurückgezahlt werden wird.

Balsam auf die Seele aller Bundesbankfans ist hingegen seine Analyse zur Position und zum Einfluss der Bundesbank in Europa. Sie, die von den Europäern – und in erster Linie von den Franzosen – durch die Einführung des Euros quasi mundtot gemacht werde sollte, hat sich nach Jahren der Ohnmacht wieder erholt, Selbstbewusstsein getankt und setzt nun mit „erstaunlicher Widerstandsfähigkeit“ neue Akzente. Allen voran ihr Präsident Jens Weidmann, der im „rauer gewordenen deutschen Polit-Klima das Zeug zum Volkshelden“ hat. Marsh: „Wohlkalkulierend, dass seine Gestaltungsmöglichkeiten EZB-intern begrenzt sind, setzt sich Weidmann über die Köpfe des Rats hinweg“. Er bediene sich direkt und indirekt der schnellen grenzübergreifenden Kommunikation und der psychologischen Einflussnahme. Er sei ein hervorragender Taktiker und appelliere geschickt an die deutsche Bevölkerung, an die Industrie und die Finanzmärkte zugleich. Weidmann mache die Bundesbank wieder zukunftstauglich.

Neue Rezepte außer der Vorstellung eines apokalyptischen Euroknalls hat Marsh leider für die Rettung des Euros auch nicht. Er setzt wie andere Euro-Kritiker allein auf eine starke Diät: Was den Euroraum langfristig zu Gute kommen würde, sagt Marsh, ist, wenn er sich gesundschrumpfen dürfte – zum Beispiel mit einem Austritt Griechenlands oder anderer Krisenkandidaten.