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Wohlstand erschöpft sich nicht in der Fülle der Dinge

131014_Wallwitz_Buchkritik._Buchkritik: Georg von Wallwitz: Mr. Smith und das Paradies, Berlin 2013 Dieses Mal hat sich Wallwitz gleich die ganze Geschichte des Kapitalismus vorgenommen. Ein Historienabriss ist es aber glücklicherweise nicht geworden. Vielmehr eine Sammlung anekdotenreicher und unterhaltsamer Gedankenläufe. Das Buch, das für den Deutschen Wirtschaftsbuchpreis 2013 nominiert ist, lohnt sich für alle, die mehr als nur Geld verdienen wollen.

Was früher Adorno, Dutschke, Sartre sind heute die Ökonomen. Sie haben die Rolle öffentlicher Intellektueller übernommen. Wallwitz, Mathematiker, Fondsmanager und Philosoph, sieht darin nicht unbedingt einen Nachteil. Aber richtig anfreunden kann er sich damit auch nicht. Schon früher habe es Intellektuelle mit starkem Faible für die Ökonomie gegeben. Voltaire beispielsweise. Aber zumindest habe der noch mit einer gehörigen Portion Esprit geschrieben, meint Wallwitz.

Wie immer in witziger, analysierender und unterhaltungsfreudiger Erzählweise schildert der Autor uns in seinem neuen Buch „Mr. Smith und das Paradies“ dieses Mal die Entstehung des Kapitalismus – wer ihn sich ausgedacht hat und was er überhaupt soll. Glücklicherweise fängt Wallwitz nicht bei Adam und Eva an, sondern beschränkt sich auf die charismatischsten Typen. So geht es zunächst um „Mr. Smith“, der natürlich kein anderer als Adam Smith ist; dann um Voltaire, den Emporkömmling, Englandfan, skrupellosen Geschäftsmann und faszinierenden Intellektuellen; um Rousseau, Tschechow, Balzac und Dickens, Keynes oder auch Schumpeter. Sein Buch, dem es gelingt, Ökonomie mit Philosophie auf unverkrampfte Weise zu verbinden, ist kein historischer Abriss geworden. Eher eine reiche Anekdotensammlung, in der jede Geschichte immer wieder zum roten Faden des Buches findet – nämlich zur Frage, was Wohlstand uns bedeutet.

Wohlstand ist schön, doch er versaut auch die Chance auf ein wirklich glückliches Leben, glaubt Wallwit. Die Krux: „Die Menschen hören nicht auf, neidisch ihr Los mit dem ihrer Nachbarn zu vergleichen, und wer damit nicht aufhören kann, wird niemals glücklich im Augenblick verweilen.“ Wenn Wohlstand darin bestehe, mehr zu haben als die anderen, dann – so glaubt Wallwitz – bleibe der Masse der Menschen nichts als weiter zu arbeiten, in der leeren Hoffnung, irgendwann oben anzukommen.

Verloren haben für ihn vor allem die reinen Geld-Scheffler, die sogenannten Golfplatz-Existenzen, denen der Wohlstand zum Lebensinhalt geworden sei. Sie seien „ganz traurige Figuren“, die nach und nach die Lebensspuren in ihrem Charakter verlören.

Wallwitz ist sich sicher: Der Wohlstand hat eine grundlegende Eigenschaft: „Hinter ihm ist nichts. Er verweist nicht über  sich hinaus. Er hat an sich keinen Sinn.“ Damit nicht genug: Der Wohlstand sei eine regulative Idee, die das Wollen, Sehnen und Meinen der Menschen in einen großen Zusammenhang ordne, ohne selbst je in Erscheinung zu treten und greifbar zu werden. Der Wohlstand erschöpfte sich nicht in der Fülle der Dinge, „die uns allenfalls für eine gute Weile glücklich machen“. Er sei eine Phantasie, ein „unbestimmtes Feld luftiger Vorstellungen, die sich aber immer auf uns selbst beziehen, oder auf unsere Liebe, was gleich gut ist“.

Damit ist Wallwitz ganz im Mantra abendländischer oder auch asiatischer Philosophien angekommen. Das ist alles nicht besonders neu. Aber es liest sich für ein Werk mit ökonomischem Anspruch in seiner Radikalität höchst erfrischend. Es ist letztlich ein Buch für alle, die mehr als nur Geld verdienen wollen.