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Von Spendierhosen und Vorfälligkeiten

Die aktuellen Überschüsse in der Rentenversicherung verleiten zu Wahlgeschenken.In der realen Welt unserer Volkswirtschaft ist derzeit Ernüchterung zu spüren. Die Konjunktur befindet sich im Seitwärtsgang, sogar der robuste Arbeitsmarkt hat seinen Zenit aus dem Vorjahresherbst unterschritten. Doch jetzt drohen Eingriffe der Politik in die Lohnhöhe und eine massive Beschränkung der Flexibilisierungsinstrumente, mit denen Unternehmen mit Hilfe von Zeitarbeit und Werkverträgen saisonale und konjunkturelle Schwankungen auffangen können.

Unser Land hat die Rendite der zehn Jahre alten Agenda 2010-Politik inzwischen aufgebraucht und verliert aktuell an internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Investiert wird von der Industrie, nicht zuletzt wegen der steigenden Energiekosten, vor allem im Ausland. Der deutsche Mittelstand leidet, wie die Staatsbank KfW erst vor wenigen Tagen ermittelte, unter einer wieder rückläufigen Eigenkapitalquote und einem extremen Margendruck. Denn wo immer weniger verdient wird, da wird auch weniger investiert und weniger beschäftigt.

Das Kontrastprogramm erleben wir derzeit in der Scheinwelt der zahlreichen kleinen und großen Arbeitsgruppensitzungen der angehenden Großkoalitionäre in Berlin. In der Bundeshauptstadt kapriziert sich der politische Kuhhandel zwischen Union und SPD vor allem auf die Erfüllung neuer sozialer Wohltaten (Stichworte: Mütterrente und Aufstockung von Kleinrenten!), die gesetzliche Lohnfestlegung (Stichwort: flächendeckender Mindestlohn!) oder die steuerliche Bekämpfung riskanter Finanzmarktgeschäfte (Stichwort: Finanztransaktionssteuer!). Die Berliner Politik zieht die Spendierhosen an und kreiert vielfältige neue staatliche Regulierungen. Mehr Staat heißt die Losung. Sparen war gestern, die Sozialkassen quellen schließlich über. Wer spricht in solchen Zeiten noch von unbequemen Strukturreformen?

Vor allem die Partei der Kanzlerin, die Union, steht bei den Mittelständlern noch im Wort. Rücknahme der Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge lautet das Stichwort. Mitte des letzten Jahrzehnts, SPD-Kanzler Gerhard Schröder regierte noch mit den Grünen, litten die Sozialkassen aufgrund der immensen Arbeitslosigkeit unter massivem Geldmangel. Die rot-grüne Bundesregierung setzte daraufhin ein Vorziehen des Zahlungstermins der Sozialversicherungsbeiträge vom 15. des laufenden Monats auf den drittletzten Tag des Vormonats durch. Das hatte zur Folge, dass im Jahr 2006 von den Arbeitgebern statt 12 einmalig 13 Monatsbeiträge an die Sozialversicherungen zu leisten waren. Diese Liquiditätshilfe für die Sozialkassen schlug bei den Unternehmen mit rund 20 Milliarden Euro ins Kontor. CDU und CSU, die diesem Eingriff im Deutschen Bundestag zustimmten, versprachen hoch und heilig, ihn wieder rückgängig zu machen, sobald es die Kassenlage der Sozialversicherung zuließe.

Die Union kann jetzt liefern. Die Überschüsse sind da. Der lohnintensive deutsche Mittelstand könnte sich im harten Wettbewerb über eine spürbare Liquiditätshilfe freuen. Als Nebeneffekt würden sich die Betriebe die aufwendige Doppelabrechnung der monatlichen Vorkasse samt jeweiliger Nachberechnung im neuen Monat ersparen. Der gute Kassenbestand der Sozialkassen würde kurzfristig um einen signifikanten zweistelligen Milliardenbetrag gesenkt, was die Finanzierung neuer sozialer Leistungen durch die Große Koalition der Volksbeglückung erschwerte, wenn nicht gar verunmöglichte. Diese Rücknahme der Vorfälligkeit würde die Sozialkassen nur im Jahr 2014 belasten, also keine dauerhafte strukturelle Bürde für die Sozialversicherung darstellen, die sich in den kommenden eineinhalb Jahrzehnten ohnehin auf stürmische demografische Zeiten einzustellen hat.