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Der linke Zeitgeist und seine Große Koalition

Die Spitzenrunde von CDU/ CSU und SPD hat am Mittwoch den Koalitionsvertrag unterzeichnet. Auf 185 Seiten ist das Regierungsprogramm für die kommenden vier Jahre festgehalten. Man will mehr ausgeben, aber auf Steuererhöhungen verzichten. Ob das gelingt, ist aber fraglich.

Generationengerechtigkeit hergestellt, die Lohnzusatzkosten bei 40 Prozentpunkten gedeckelt,Steuererhöhungen abgewendet, obwohl sich bei Licht betrachtet die Fülle wohlklingender Versprechungen auf hohe zweistellige Milliarden Euro-Beträge jährlich summieren: So feiert die Große Koalition der Volksbeglückung ihren Vertrag.

Millionen Menschen werden neue soziale Leistungen versprochen – vor allem in der Rente, vergessen wird aber jede Konkretisierung, wenn es um deren Finanzierung geht. Gering qualifizierten Menschen, die kaum mehr Chancen auf eine Erwerbsarbeit haben, soll aus der Langzeitarbeitslosigkeit herausgeholfen werden. Mit einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn wird aber gleichzeitig für eine neue Eintrittsbarriere in den ersten Arbeitsmarkt gesorgt. Fast alle Flexibilisierungsinstrumente, die den deutschen Arbeitsmarkt als Folge der Agenda 2010-Politik dynamischer gemacht haben, sollen zusätzlich erschwert oder ganz abgeschafft werden.

Der linke Zeitgeist hat auf ganzer Linie gesiegt. Wenn man jahrelang gegen alle Fakten die Zunahme der Ungerechtigkeit im Land beklagt, dann steht am Ende eines Gerechtigkeits-Wahlkampfs eine Große Koalition, die mit viel Geld das Leben vieler lebenswerter machen will. Es wurden viele Textbausteine über die Bedeutung der Wirtschaft und vor allem den leistungsfähigen Mittelstand an verschiedenen Stellen in ihren Vertrag eingebaut. Aber tatsächlich muss sich dieser Mittelstand auf eine Belastungsorgie einstellen, wenn die Koalitionsparteien ihren Ankündigungen im Regierungsalltag auch entsprechende Taten folgen lassen. Dutzende Milliarden jährliche Mehrausgaben in der Rente werden so sicher wie das Amen in der Kirche den Rentenversicherungsbeitrag um bis zu 2 Prozentpunkte erhöhen – allerdings erst in der nächsten und übernächsten Legislaturperiode. Fürs erste fällt die Senkung des Beitragssatzes aus, die ansonsten ab Januar 2014 möglich wäre. Mütterrente, vorzeitiger Ruhestand für langjährig Versicherte und eine Erhöhung der Mindestrente haben eben ihren Preis. Und den bezahlt die Wirtschaft durch sinkende Wettbewerbsfähigkeit – und natürlich die Arbeitnehmer mit sinkenden Nettolöhnen und steigenden Beschäftigungsrisiken.

Gegen die Kraft der Marktmechanismen und gegen Adam Riese kommen Angela Merkel, Sigmar Gabriel und Horst Seehofer nicht an – auch nicht mit 80%-iger Mehrheit im Deutschen Bundestag. Dass ausgerechnet die größte europäische Volkswirtschaft, die vor zehn Jahren mit mutigen Reformen ihren Wiederaufstieg eingeleitet hat, jetzt den Rückwärtsgang einlegt, ist tragisch. Deutschland muss wohl erst wieder an die Wand gefahren werden, ehe bei uns eine neue Reformagenda 2030 angepackt wird. Deren Einschnitte werden aber brutaler werden, weil man in diesem Jahrzehnt nicht nur auf eine Agenda 2020 verzichtet, sondern stattdessen das Volk mit zusätzlichen Wohltaten geködert hat.