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Die Entzauberung der Banker

Admati/ Hellwig: Des Bankers neue KeiderAnat Admati / Martin Hellwig: Des Bankers neue Kleider – was bei Banken wirklich schief läuft und was sich ändern muss, Finanzbuchverlag, München 2013 Es gibt einen Mythos, dass Banken ganz anders sind als andere Unternehmen – und es scheinen für sie andere Regeln zu gelten. Mit diesem Mythos räumen Admati und Hellwig auf. Wer das Buch gelesen hat, wird in Zukunft möglicherweise kritischere Fragen an seine Bank stellen.

Eine der besten Leistungen dieses Buches ist seine Verständlichkeit: Nur selten ist es bisher gelungen, auf rund 350 Seiten in klarer Sprache zu erklären, wie eine Bank funktioniert. Die Ökonomen Anat Admati und Martin Hellwig haben nicht nur so gut es auf oberkluges Bankervokabular verzichtet, sondern sie greifen die Bankenwelt auch in aller Deutlichkeit an: Als wesentlichen Grund für die Krise zwischen 2007 und 2009 sehen sie die hohe Verschuldung der Finanzinstitute. „Das geben selbst die Banken zu“, schreiben die Autoren. Was die beiden jedoch empört: Nach wie vor kämpft die Bankenlobby „aggressiv gegen jegliche Verschärfung der Regulierung der Verschuldung“, meinen Admati und Hellwig.

Dass Regulierung und Finanzstabilität Wachstum verhindere, ist für die Autoren reine Panikmacher der Lobbyisten. Ihre Empfehlung an Banker und vor allem an Politiker: Banken und andere Finanzinstitute sollten sich zu ihrer Finanzierung sehr viel weniger verschulden als bisher. Und: Banken brauchen mehr Eigenkapital, um Finanzkrisen in Zukunft zu verhindern.

Ein wichtiger Faktor im Macht-, Ränke- und Geldspiel der Chefstrategen der Banken sei die Unwissenheit der Politiker, erklärten die Autoren. Viele Banken umhüllten ihre angeblich so hoch komplizierten und strategisch wichtigen Finanzgeschäfte mit viel Nebel. Kein Politiker wolle wirklich zugeben, dass er fast nichts von solchen Geschäften verstünde. Wie in Andersens Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ züchteten sich die Bankexperten somit in aller Welt hörige und unkritische Politiker, die letztlich alles durchwinkten, was die Finanzexperten ihnen auftragen würden.

Banken besäßen oft nur drei Prozent Eigenkapital. In der Industrie sei dieser Anteil fast zehn Mal so hoch, sagen die Autoren. Angst vor zu hohem Eigenkapitalanteil sollte kein Banker haben. Eigenkapital müsse nämlich keineswegs in den Sparstrumpf gesteckt, sondern könne wie Fremdkapitel für Kredite verwendet werden. Ein höherer Eigenkapitalanteil führe nicht zu einer geringeren Kreditvergabe und damit zu einer Schwächung des Wachstums, sind sich die Autoren sicher.

Dass sie wegen dieser Argumentation von manchen Kollegen als „einarmige Ökonomen“, die zu kurzsichtig denken, verunglimpft werden, stört sie nicht. Dass höhere Eigenkapitalanforderungen die Banken zwingen würden, Aktivitäten aufzugeben, die für die Wirtschaft wichtig sind, halten sie für eine Ausrede: Einlagen und Unternehmenskredite machten nur einen Bruchteil des Geschäfts einer großen Privatbank aus, meint Hellwig. Ein weit wichtigerer Geschäftszweig sei für sie beispielsweise das Spekulieren mit bestimmten Handelsstrategien und Titeln.

Für ihren Mut und ihr Stehvermögen in der ökonomischen Löwenhöhle sind die beiden Autoren zu bewundern. Sie gehören zu den Ökonomen, die „gegen die Leere ihrer Zunft anlaufen“, wie das Handelsblatt schreibt. Die Süddeutsche hält „Des Bankers neue Kleider“ sogar für das bedeutendste Buch über Banken, das 2013 erschienen ist.

Wer das Buch dennoch nicht lesen will, sollte es sich zumindest anschaffen, um seine Zitatensammlung zu bereichern – von guten Sprüchen nämlich strotzt Admatis und Hellwigs Werk. Das originellste Zitat, das die beiden auflisten und das am besten vielleicht das gesamte System der Finanzindustrie beschreibt, stammt von US-Schriftsteller Upton Sinclair aus dem Jahr 1935: „Es ist schwierig, jemanden dazu zu bringen, dass er etwas versteht, wenn sein Geld davon abhängt, dass er es nicht versteht!“