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Drohen den Lebensversicherungen japanische Verhältnisse?

140317_ÖB_Garantiezins_LebeWas für Schuldner derzeit ein Segen ist, wird für Sparer zunehmend zum Fluch. Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank schützt nicht nur Banken in Südeuropa vor der Insolvenz, sie hilft auch Wolfgang Schäuble aus der Patsche. Man hat den Eindruck, er schafft das Unmögliche: mehr Schulden machen und dennoch weniger bezahlen.

Schäubles Entwurf für den Bundeshaushalt 2014 sieht einen um 3 Milliarden Euro geringeren Schuldendienst für die Bedienung der um 6,5 Milliarden Euro steigenden Schulden vor. Noch nie waren Schulden für den Bund so billig. Die Finanzagentur Schäubles gibt derzeit eine Tagesanleihe heraus, die den Anlegern einen Zins von 0,022 Prozent anbietet. Da kann man nur mit Sarkasmus reagieren. Die Tagesanleihe des Bundes ist das aktuell beste Steuersparmodell. Denn sie bezahlen nur 0,002 Prozentpunkte Steuern darauf. Wo gibt es das noch? Soweit die blühenden Landschaften der Fiskalisten in den Amtsstuben.

Die trockene und verdorrte Wüste spüren dagegen die Sparer – insbesondere die Sparer in Lebensversicherungen. In rund 90 Millionen Lebens- und Rentenversicherungsverträge wurden bislang 700 Milliarden Euro für die Altersvorsorge gespart. Im Schnitt garantieren die Lebensversicherungen eine Verzinsung der Anlagen von 3,4 Prozent. Das ist mit festverzinslichen Wertpapieren nur noch schwer zu erwirtschaften. Eine zehnjährige Anleihe des Bundes rentiert mit 1,6 Prozent, eine 30-jährige Bundesanleihe mit 2,51 Prozent. Da Lebensversicherungen überwiegend in Anleihen bester Bonität investieren müssen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie Probleme bekommen. Für Neuverträge reagieren die Lebensversicherungsunternehmen bereits. Das Neugeschäft ist im vergangenen Jahr um 13,1 Prozent zurückgegangen. Die Deutsche Aktuarvereinigung, der Zusammenschluss der Versicherungsmathematiker, hat dem Bundesfinanzministerium vorgeschlagen, ab 2015 den Garantiezins für neue Lebensversicherungsverträge auf 1,25 Prozent zu reduzieren. In der Hochzeit der Lebensversicherung 1994 bis 2000 lag dieser noch bei 4 Prozent. Diese Ansprüche, die den größten Anteil aller Lebensversicherungsverträge in Deutschland ausmachen, müssen die Gesellschaften bis zum Ende erfüllen.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) geht in einem lang anhaltenden Niedringszinsszenario von einer ernsten Gefahr für die Lebensversicherungen in Deutschland aus. Deshalb hat sie von den Lebensversicherungen verlangt, Modellrechnungen vorzulegen, die von einer Niedrigzinsphase bis 2018 ausgehen und den Zinsbedarf bis 2027 modellieren sollen. Die Konsequenz dieser Berechnung war, dass die Assekuranz seit 2011 auf Druck der Bafin eine so genannte Zinszusatzreserve bilden muss. Diese Rückstellung für die Erfüllung der garantierten Leistung hat sich inzwischen auf 6 Milliarden Euro angehäuft. Nun will die GroKo, dass die Verteilung der so genannten Bewertungsreserven stärker den erst mittel- und langfristig auslaufenden Verträgen zugute kommen soll. Denn bislang müssen Lebensversicherungen Kursgewinne von Aktien, Anleihen und Immobilien zu 50 Prozent den Kunden gutschreiben, deren Verträge aktuell auslaufen oder gekündigt werden. Gut verzinste Anleihen mit Zinszahlungen von vier, fünf oder mehr Prozent müssen dann im Zweifel verkauft werden. Dies geht im Zweifel zu Lasten künftiger Versicherungskunden und gefährdet die Stabilität der Versicherungsgesellschaft. Hinter diesem Vorgehen steckt die nackte Angst der Finanzaufsicht und der Versicherungsbranche. Sie befürchtet japanische Verhältnisse.

Dort hat die fortdauernde Niedrigzinspolitik der japanischen Zentralbank nicht nur die Staatsverschuldung auf mehr als 200 Prozent zur Wirtschaftsleistung hochgetrieben, sondern auch in den 1990er Jahren zum Zusammenbruch von sieben Lebensversicherern geführt. Hohe garantierte Verzinsungen für Lebensversicherungsverträge konnten am Markt für festverzinsliche Wertpapiere nicht mehr erwirtschaftet werden. Die Folge war, dass der Gesetzgeber den Lebensversicherungen gestattete, ihre Garantieverzinsung für bestehende Lebensversicherungsverträge nachträglich zu reduzieren. Die Maßnahmen der Branche und der Aufsicht in Deutschland dienen daher einem Zweck: Sie sollen Zeit gewinnen. Je länger die Niedrigzinspolitik und damit die Manipulation der Marktwirtschaft durch die EZB anhält, desto wahrscheinlicher jedoch sind japanische Verhältnisse.

Unabhängig davon ist damit die Frage beantwortet, wer am Ende für die Politik des billigen Geldes bezahlt. Wolfgang Schäuble ist es nicht!


Dieser Beitrag erschien zuerst in der Fuldaer Zeitung.