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Eine Luftnummer namens Stabilitätspakt

Weil einige EU-Staaten die Regeln des Fiskalpakts nicht einhalten können, soll er jetzt flexibilisert werden. Damit setzt sich die "Geschichte des permanenten Rechtsbruchs" in der EU fort.

Der europäische Stabilitätspakt ist längst Geschichte. Man beschwört ihn zwar immer wieder, so wie auch die Kanzlerin vor dem jüngsten EU-Gipfel. Am Ende aber bekundet auch die deutsche Regierung Verständnis für eine flexible Anwendung der Regeln. Diesmal vielleicht auch als Preis für das Personaltableau bei der Besetzung europäischer Spitzenpositionen. Die Forderungen nach einem Ende des „Spardiktats“ kommen vor allem aus Italien und Frankreich. Beide Euro-Länder haben größte Mühe, die vereinbarten Defizit-Vorgaben einzuhalten. Die Reformbereitschaft ist gering, die Wettbewerbsfähigkeit sinkt und die Schulden steigen. Und jetzt wird unter dem Label der „Wachstumsförderung“ die Bindungskraft des Fiskalpakts noch weiter ausgehöhlt, die bereits im vergangenen Jahr für Frankreich eingeleitet worden ist.

Dabei sollte ja alles ganz anders werden nach der Schuldenkrise in Griechenland, Portugal und Spanien. In noch nicht fernen Zeiten versprachen sich die Regierungschefs feierlich, der in der Not eingegangenen Gemeinschaftshaftung eine stärkere Budget- und Schuldenkontrolle in der Euro-Zone zur Seite zu stellen. Nachdem der ursprüngliche Maastrichter Stabilitätspakt 2005 von Deutschland und Frankreich gemeinsam aufgeweicht worden war, sollte er jetzt als Fiskalpakt wieder gehärtet werden.

Doch Regelvereinbarungen zur Schuldenkontrolle in Europa existieren immer nur auf dem Papier. Wenn es ernst wird, Sanktionsverfahren drohen oder unpopuläre Sozialstaatsreformen unterlassen werden, landet der „gehärtete“ Fiskalpakt im Papierkorb. Deutschland hat diese Regel-Missachtung 2005 eingeleitet, als es die selbst kreierte Maastrichter Defizitgrenze beim Budget riss. Der Fluch dieser bösen Tat machte Schule. Paul Kirchhof nannte die Geschichte der Europäischen Währungsunion nicht ohne Grund eine „Geschichte des permanenten Rechtsbruchs“.

Und der Rechtsbruch setzt sich fort, wie der aktuelle EU-Gipfel mit seiner kaum verschleierten Aufweichung des Fiskalpakts belegt. Auch wenn diese hinter der Personalie Juncker medial etwas im Schatten steht. Frankreich und Italien, die zwei nach Deutschland größten Volkswirtschaften der Euro-Zone, werden weitere Schulden machen dürfen. Als ob eine wachsende Staatsverschuldung ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum befördern würde, wenn die Politik gleichzeitig Strukturreformen des Arbeitsmarktes und der Sozialsysteme scheut.

Die Krise im Euro-Land schwelt weiter. Nur weil die hyper-lockere Geldpolitik der Europäische Zentralbank und anderer Notenbanken für historisch niedrige Finanzierungskosten der Staaten sorgt, darf der politische Reformwille nicht erlahmen. Doch genau dieser Effekt ist schon eingetreten. Die Politik versteckt sich hinter den Notenbanken, die deshalb kaum aus der Falle des billigen Geldes herauskommen werden. Strukturreformen unterbleiben vor allem in den großen Euro-Ländern. Und wir Deutschen taugen längst nicht mehr als Reform-Vorbild. Die deutsche Politik plündert die Sozialkassen mit der Rentenreform, statt sie wegen der demografischen Entwicklung zu stärken. Denn auch in Deutschland hätschelt eine breite Politikerphalanx das Volk lieber mit noch mehr Sozialstaat, statt die Menschen auf weniger Staatstransfers einzustellen.