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Das große Monopoly der Industriestaaten

Warum andere auf Ihre Kosten immer reicher werdenAndreas Marquart / Philipp Bagus: Warum andere auf Ihre Kosten immer reicher werden – und welche Rolle der Staat und unser Papiergeld dabei spielen, Finanzbuchverlag, München 2014 Nicht der Kapitalismus ermöglicht es den Reichen immer reicher zu werden, sondern unser falsch konstruiertes Geldsystem – Philipp Bagus und Andreas Marquart wehren sich mit dieser These vor allem gegen den gegenwärtigen Ökonomen-Star Thomas Piketty, nach dessen Überzeugung es allein der Kapitalismus ist, der für die zunehmende Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen verantwortlich ist.

Unser gegenwärtiges Geld ist „schlecht“. Wenn aber eine Volkswirtschaft überleben und erfolgreich sein will, muss ihr Geld „gut“ sein. Während es bei der Verwendung von „schlechtem Geld“ immer wieder zu Wirtschaftseinbrüchen kommt, ist „gutes Geld“ für die faire Einkommens- und Wohlstandsverteilung in einer Gesellschaft unabdingbar. Soweit die Theorie der beiden Autoren. Was zunächst sehr formelhaft klingt, wird von Philipp Bagus und Andreas Marquart in ihrem Buch „Warum andere auf Ihre Kosten immer reicher werden – und welche Rolle der Staat und unser Papiergeld dabei spielen“ unterhaltsam, mal zynisch, mal ironisch aber vor allem stets politisch vorgetragen. Bagus, Professor für Ökonomie am Institut für angewandte Volkswirtschaftslehre der Universidad Rey Juan Carlos in Madrid, und der Finanzfachmann Marquart bieten auf 180 Seiten gut lesbare Kost, die zum Ziel hat, über die nicht immer leicht zu durchschauende Rolle der Zentralbanken und des „Staatsgeldes“ aufzuklären.

Vor allem liegt den Autoren daran, nicht den Kapitalismus als ständigen Bösewicht über die zweifellos vorhandene Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen zum Schafott zu führen, sondern unser Geldsystem als Grund des Übels zu entlarven.

Finanzindustrie erschafft unmündige, egoistische und oberflächliche Menschen

Was ist also „gutes“ Geld? Das gute Geld führt zurück in eine Zeit, in der die Menschen Waren und Edelmetalle als Währung nutzten. „In einer Volkswirtschaft, in der es gutes Geld gibt – wie nehmen an, es wäre Gold – wird die Geldmenge nur zunehmen, wenn neues Gold hinzukommt“, schreiben Bagus und Marquart. Gutes Geld ist also Geld, das der Staat durch seine Gelddruckmaschinen nicht vermehren kann. Schlechtes Geld hingegen ist für die Autoren Geld, das rein auf dem Papiergeldsystem beruht, hinter dem keinerlei Sachwerte stecken, dessen Menge beliebig verändert werden kann und dessen Wert nur auf Vertrauen basiert. Auch ist die Ablösung des Goldstandards zugunsten eines „immateriellen Staatsgeldes“ dafür verantwortlich, dass sich die Menschen verändert haben: Es hat sie von der Finanzindustrie abhängig gemacht, meinen die Autoren. Die Menschen seien heute deswegen „unvorsichtig“, „unmündig“, „egoistisch“, „materialistisch“, „sozial isoliert“, „oberflächlich“ und auch „depressiv“.

Normale Lohn- und Gehaltsempfänger schauen die Röhre

Die Autoren rechnen vor: Die Geldmenge hat im Euroraum zwischen den Jahren 2000 und 2012 um rund 100 Prozent zugelegt, die Wirtschaftsleistung dagegen nur um knapp 15 Prozent. „Die weit verbreitete, irrige Ökonomen-Meinung lautet, man müsse die Geldmenge flexibel dem Wirtschaftswachstum anpassen. Die weit über das Wirtschaftswachstum hinaus ausgeweitete Menge müsste also sogar bei diesen Ökonomen regelrechte Proteststürme auslösen. Haben Sie schon mal jemanden protestieren hören?“, fragen Bagus und Marquart.

Erst die Inflation führe zu einer Umverteilung von Einkommen und Vermögen, schreiben die Autoren. Inflation begünstige zunächst diejenigen, die über die neu geschaffene Geldmenge als Erste verfügen könnten. Sie seien die wahren Profiteure, denn sie könnten die Güter zu noch unveränderten Preisen erwerben. Jene aber, die erst später in den Genuss des neuen Geldes kämen, seien die Geschädigten. Denn zu dem Zeitpunkt, an dem sie über zusätzliches Einkommen verfügen könnten, seien die Preise für Güter und Dienstleistungen bereits gestiegen.

Als „Erstempfänger“ bezeichnen die Autoren den Staat, Banken und Großunternehmen, als „Letztempfänger“ die Lohn- und Gehaltsempfänger und auch die Rentner. Bagus und Marquart sind überzeugt: „Inflation schafft Armut und macht Superreiche mit gutem Draht zum Bankensystem noch reicher.“

Hauptverantwortliche dieses großen aufgeblähten Monopolys sind für die Autoren zum einen die Regierungen, die statt Steuererhöhungen lieber den Weg der Verschuldung gehen („Eine Staatsverschuldung in den gegenwärtigen Dimensionen ist nur in einem staatlich monopolisierten Papiergeldsystem möglich.“). Zum anderen liegt die Ursache in der Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) mit ihrer gewaltigen Geld-Umverteilung über ganz Europa.

Ob sich wirklich alle wirtschaftlichen Probleme der Industriestaaten allein über unser aktuelles, möglicherweise falsches Geldsystem erklären lassen, mag dahingestellt sein. Dass diese Überlegung aber bisher kaum Einzug in die Diskussion um Arm und Reich und Wohlstandsverteilung gefunden hat, ist auch sicher. Schon deswegen ist dieses Buch ein inspirierendes Lesevergnügen.