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Grüne Augenwischerei

Friedrich Schmidt-Bleek: Grüne Lügen – nichts für die Umwelt, alles fürs Geschäft, wie Politik und Wirtschaft die Welt zugrunde richten, Ludwig Verlag, München 2014Friedrich Schmidt-Bleek: Grüne Lügen – nichts für die Umwelt, alles fürs Geschäft, wie Politik und Wirtschaft die Welt zugrunde richten, Ludwig Verlag, München 2014

Die Energiewende zerstört die Umwelt, Elektroautos bringen nichts und auch die Grünen sind nicht mehr das, was sie mal waren. Mit seinen Vorwürfen wirkt der Nachhaltigkeitsvordenker Friedrich Schmidt-Bleek wie der „angry old man“ der Öko-Bewegung. Doch sein freches und furioses Buch bringt Schwung in die oft heuchleri-sche Debatte der Umwelt-Szene.

Die Umweltpolitik kennt nur ein Thema: den Klimawandel. Und sie scheint dafür nur eine Ursache zu kennen: die industriell verursachten CO2-Emissionen – genau das bringt Friedrich Schmidt-Bleek auf die Palme. Die aktuelle Energiewende trägt für ihn nicht zur Entschärfung von Umweltproblemen bei. Statt das Übel an der Wurzel zu packen, bekämpfe sie nur Symptome – so seine Kritik. Sie konzentriere sich nämlich fast ausschließlich auf technische Energie und vor allem auf CO2-Emissionen.

Die Ursachen für den Klimawandel liegen aber, so der Autor, nicht allein in der Verwendung technischer Energie, sondern im Verbrauch der Rohstoffe und natürlichen Materialien wie Eisen, Gas, Kalk, Kupfer, Öl und Sand. Es müsse gelingen, wirtschaftliches Wachstum von materiellem Wachstum abzukoppeln, zum Beispiel durch die Stärkung von Dienstleistungen.

Ressourcenwende statt Energiewende

Der Autor fordert keine Energiewende, sondern eine Ressourcenwende. Sie hat zum Ziel, die Wirtschaft materiell um den Faktor 10 zu verschlanken. Eine Zukunft wird es für ihn nur geben, wenn es gelingt, den Ressourcenverbrauch zurückzudrehen.

Der heute 82-jährige Friedrich Schmidt-Bleek gilt als Pionier der Ökobewegung und als einer der Öko-Vordenker überhaupt. Ende der Siebzigerjahre war er maßgeblich an der Entwicklung des deutschen Chemikaliengesetzes im Umweltbundesamt beteiligt. Mit Ernst Ulrich von Weizsäcker, dem heutigen Präsidenten des Club of Rome, baute er das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie auf. Heute leitet er das Factor-10-Institut im südfranzösischen Carnoules.

Schmidt-Bleeks Kernfrage dreht sich darum, wie wir Güter und Dienstleistungen mit deutlich weniger Rohstoffen und Energie erzeugen können. Dazu setzt er auf zwei Säulen der Ressourcenwende: Die erste wird von einer „ehrlichen Umweltbilanz“ gebildet. Sie soll Ursache und Wirkung von Umweltproblemen nicht allein durch die Fokussierung auf CO2-Emissionen als Verursacher des Klima-Wandels betrachten, sondern die Berechnung der „ökologischen Rucksäcke“ (Ihre Größe drückt aus, wie stark die Natur bei der Erzeugung bestimmter Produkte in Anspruch genommen wurde) und der materiellen Fußabdrücke „von der Wiege bis zur Bahre“ zu ermitteln.

Die zweite Säule betrifft die sogenannte Dematerialisierung der Wirtschaft: „Ziel dieses Prozesses ist eine Verringerung des umweltbelastenden Materialverbrauchs, der in erbrachtem Nutzen steckt“, schreibt der Autor.

Jute statt Plastik? Was soll der Blödsinn!
Was zurzeit geschieht, ist für Schmidt-Bleek das Gegenteil von sinnvoll und gut: Für den Bau der Absauganlagen für Gas oder für die Dämmung von Häusern schützen wir nicht die Umwelt, meint er. Wir erzeugen wegen des in diesen Produkten enthaltenen CO2 eher mehr Klima-Gas. Auch der Hybridantrieb schütze die Umwelt kaum: „Zwei Motoren plus Batterie in einem Auto bedeuten grob eine Verdopplung der Menge an Material je gefahrener Kilometer gegenüber einem Benziner“, sagt Schmidt-Bleek. Ebenso verschlinge das Elektroauto unnötig Rohstoffe: „Um das Kupfer für den Elektromotor oder das Lithium für die Batterie zu gewinnen, müssen in den Minen riesige zusätzliche Mengen Erde bewegt werden.“

Auch die Herstellung scheinbar ökologischer Güter wie Baumwolle oder Papier schadet der Umwelt, meint Schmidt-Bleek. Und zwar mehr als beispielsweise die Produktion von Plastik, weil sie enorme Mengen an Wasser verschlingt. Auch deswegen rät er – durchaus provokant – zum Gebrauch der Plastiktüte. Es geht ihm eben nicht um „Jute statt Plastik“. Es geht um wirklich sinnvolle Produktionen zum Erhalt der Ressourcen. Priorität müssen intelligente Weiterverwendung von beispielsweise Kunststoffen und die Rückführung anderer entsorgter Materialien in den Warenkreislauf haben.

„Mit weniger Material mehr Nutzen zu erzeugen“, das ist Schmidt-Bleeks grundsätzliches Ziel. Dies sei „technisch möglich, ökologisch sinnvoll“ und „günstiger“. Als Beispiele nennt er das „Fairphone“. Auch fordert er eine umfassende Ressourcensteuer. „Es braucht eine neue Preisarchitektur, die die ökologische Bedeutung von natürlichen Ressourcen widerspiegelt“, meint er Autor.

Der alte Mann und die Hoffnung

Schmidt-Bleeks Buch dürfte vielen Umweltexperten nicht gefallen – zu provokant platzt es in die Diskussion. Auch Politiker, allen vor die Grünen, dürften angesichts der Vorwürfe Schmidt-Bleeks stöhnen – zumal er ihnen vorwirft, kaum etwas über die Verschwendung von Ressourcen in ihrem Parteiprogramm geschrieben zu haben.

So werden sie den alten Pionier vielleicht als „angry old man“ ein wenig belächeln. Das wäre allerdings ignorant. Denn wer zum Thema endlich mal eine nicht gemainstreamte, nicht verfloskelte und endlich mal eine unangepasste Stimme hören will, muss dieses Buch lesen. Schmidt-Bleek ist weit davon entfernt, ein Pessimist zu sein. Tatsächlich lebt ihn ihm eher die Hoffnung auf Besserung der Verhältnisse. Der Autor hat sich bis ins hohe Alter die Frische und wache Neugier erhalten, die ein jeder braucht, um Missstände und Fehlentwicklungen zu erkennen und zu entlarven. Von solchen Querdenkern gibt es leider viel zu wenig.