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Schiedsrichter Telefon: Warum TTIP so unbeliebt ist – und warum es vermutlich gut wäre, wenn sich das ändert

Im geplanten Freihandelsabkommen TTIP sollen Investitionen geschützt werden. Und in Streitfällen zwischen Investoren und Staaten werden möglicherweise Schiedsgerichte  entscheiden. Der Investitionsschutz hilft allen, sagen der Ökonom Prof. Dr. Andreas Freytag und der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Andreas Falke unisono. Bei der Frage der Notwendigkeit von Schiedsgerichten im TTIP gehen die Meinungen aber auseinander. Wir haben mit beiden gesprochen. 

(eine gekürzte, reine Audiofassung dieses Beitrags gibt es geht’s zum hier)

TTIP, das geplante Freihandelsabkommen zwischen den USA und Europa, ist bekanntlich so beliebt wie Streiks bei der Bahn. 97 Prozent sind gegen TTIP, war in einigen Medien zu lesen, was insofern übertrieben ist, dass die Umfrage nicht repräsentativ war. Vor allem TTIP-kritische Organisationen hatten dazu aufgerufen, sich an der Umfrage zu beteiligen.

Aber auch in seriösen Umfragen findet TTIP keine Mehrheit, zumindest nicht in Deutschland.

Für Freunde des Freihandels sind die Zahlen so deprimierend wie wenig überraschend. Das Bewusstsein darüber, dass selbst die vermeintlich simpelsten Gegenstände das Ergebnis millionenfacher Arbeitsteilung sind (siehe Video “I, Pencil”), scheint wenig verbreitet. Und nachvollziehbar schwer fällt die Vorstellung, dass wir vermutlich noch heute in einem vorindustriellen Zustand leben würden, gäbe es in Deutschland nur das, was im eigenen Land erdacht und gemacht wurde.

Bitte um dieses Video anzusehen.

Freihandel hat also keinen leichten Stand in Deutschland. Was bei der “Transatlantic Trade and Investment Partnership” (TTIP) erschwerend hinzu kommt: Es geht bei dem Abkommen in nicht unwesentlichen Teilen um den Schutz von Investoren. Warum um alles in der Welt – fragen sich vermutlich viele – müssen Investoren geschützt werden? Und dann noch in jener vermeintlich suspekten Form, dass die Durchsetzung des Schutzes vermeintlich außerhalb bestehender Rechtssysteme stattfinden soll, bei so genannten Schiedsgerichten?

Wir gehen dahin, wo es weh tut: Um “Schiedsgerichte im TTIP” geht es bei diesem O-Ton-Blogpost, für den wir uns mit zwei ausgewiesene Experten unterhalten haben, nämlich dem

Vom Politikwissenschaftler Andreas Falke wollten wir zunächst wissen: Worin liegen mögliche Vorteile eines erfolgreichen TTIP-Abschlusses?

Der Handel würde also zunehmen, sagt Prof. Falke, auch die Arbeitsteilung – und nicht zu vergessen: Durch die Angleichung von Normen und Regeln (“Regulierungskonvergenz”) würden vor allem kleine und mittlere Unternehmen profitieren. Und: Für die Konsumenten würde die Produktvielfalt zunehmen. Zum Beispiel im Bio-Bereich. Denn: Die USA haben den größten Bio-Markt der Welt.

Wenn aber die Vorteile relativ offensichtlich sind, warum ist dennoch die Kritik an TTIP so groß, Herr Falke?

Die Finanzkrise in Europa, die in Deutschland traditionell kritisch gesehenen USA und die Intransparenz der Verhandlung nennt Prof. Falke als Gründe, warum TTIP hierzulande ziemlich unbeliebt ist. Er sagt aber auch: “Die Kritik ist ein deutsches Phänomen – das sollte uns zu denken geben.”

Vor allem die Intransparenz der TTIP-Verhandlung wird häufig kritisiert (zum Beispiel von Bundestagsabgeordneten). Hier stecken die Verhandlungsführer in einem Dilemma. Auf der einen Seite hat die demokratische Öffentlichkeit ein Anrecht auf den Verhandlungsstand. Auf der anderen Seite ist, wer bei Verhandlungen jedes Verhandlungsziel vorzeitig offenbart, strategisch im Nachteil. Was tun, Herr Falke?

“Verhandler brauchen einen Verhandlungsspielraum”, sagt Professor Falke, “wer seine gesamte Verhandlungsstrategie offen legt, ist im Nachteil.” Eine vollständige Transparenz kann es also nicht geben. Auf der anderen Seite: Die Parlamente müssen Zugang zum Verhandlungsstand haben, so Falke. Was es also braucht: Eine funktionierender Kommunikationsprozess zwischen den Verhandlern und denen, die am Ende das Abkommen unterschreiben werden.

Gehen wir in die Tiefe, zu einem Kern des TTIP: Dem Investitionsschutz (ISDS) und zu den Schiedsgerichten. Bei ersterem geht es darum, wie ausländische Investoren vor Verstaatlichungen und anderer „unfairer“ Behandlung im Gastland bewahrt werden können. Und mittels Schiedsgerichten sollen sie sich dagegen zur Wehr setzen können. Was sind eigentlich Schiedsgerichte, Herr Freytag? Und: Wie sind die entstanden?

“Ein Schiedsgericht ist eine Jury, die sich eines Sachverhaltes außerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit annimmt”, definiert Freytag den Begriff “Schiedsgericht” und erklärt den Ursprung der Schiedsgerichte, als deutsche Investoren ins Ausland gingen, und zwar in Länder, die sich nicht durch eine ausgeprägte Rechtsstaatlichkeit auszeichneten.

Und was für einen Sinn soll ein Investorenschutz haben, Herr Freytag?

Investitonsschutz macht es für Investoren attraktiver zu investieren, weil die Wahrscheinlichkeit des Ausfalls der Investition reduziert wird, sagt Prof. Freytag. Die Folge: Mehr Investitionen und damit mehr Wohlstand im Land.

Wie funktionieren Schiedsgerichte eigentlich, Herr Freytag? Worin besteht die Kritik? Und kann man Schiedsgerichte sinnvoll konstruieren?

Was ist der aktuelle Verhandlungsstand über den Investitionsschutz im TTIP, Herr Freytag? Und braucht es Ihrer Meinung nach Schiedsgerichte in TTIP? 

Investitionsschutz in Freihandelsabkommen kann es also auch ohne Schiedsgerichte geben. Denn ein – in einem Freihandelsvertrag festgeschriebener – Investitionsschutz kann freulich grundsätzlich auch vor ordentlichen Gerichten durchgesetzt werden. Prof. Freytag hält den Investitionsschutz für notwendig, aber Schiedsgerichte nicht – wegen der funktionierenden Rechtssysteme in den USA und der EU. “Eine Diskriminierung ist schwer vorstellbar”, sagt Prof. Freytag.

Noch einmal zurück zu Professor Andreas Falke. Falke hält, anders als Freytag, Schiedsgerichte in TTIP für sinnvoll. Zum Beispiel weil auch das amerikanische Rechtssystem – gerade für Ausländer – nicht immer verständlich und einfach sei. Auch der so genannte Vattenfall-Fall –  den TTIP-Gegner als Argument gegen Schiedsgerichte anführen – ist für Falke ein Grund FÜR Schiedsgerichte. Weil dann Fehler der Vergangenheit in einem neuen Freihandelsvertrag ausgeräumt werden könnten. So sollte in TTIP eindeutig das Recht festgeschrieben werden, das Staaten in Sachen Gesundheits-, Verbraucher- und Umweltschutz regulieren können, sagt Falke.

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