Klar ist auch: Die Marktwirtschaft kann ohne einen starken Staat dauerhaft nicht funktionieren. Es bedarf immer eines ausdifferenzierten Regelwerkes, das Privateigentum und Vertragsfreiheit sichert, die Märkte offen hält und die Haftung des Einzelnen für sein Tun konsequent einfordert. Die Aussage, die Welt der Finanzmärkte sei völlig frei und unreguliert, ist ein Märchen. Kaum ein anderer Bereich ist so umfänglich hinsichtlich seiner Prozesse und seiner Produkte reguliert wie dieser. Genau an dieser Stelle kann der Staat aber auch zum Problem werden – über Fehlregulierungen und Unstetigkeit der Politik. Es ist vielfach darauf hingewiesen worden, dass das US-amerikanische Trennbankensystem Folge spezieller Gesetzgebung nach der Weltwirtschaftskrise war. Solche Beschränkungen kosten Anpassungsflexibilität und begünstigen Übertreibungen. Die laxe Geldpolitik der Fed hat zusammen mit der faktischen Subventionierung von Hypotheken durch Fannie und Freddie außerdem wesentlichen Anteil an der explosionsartigen Entwicklung im Hypotheken- und Häusermarkt der USA.
All das bedingt ein Plädoyer für Unaufgeregtheit, Skepsis und Nüchternheit bei der Behandlung wirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Fragen. Denn – so muss der Fundamentalkritiker sich fragen lassen – wie sieht die Alternative zur marktwirtschaftlichen Ordnung aus? Sind die Verstaatlichung weiter Sektoren unserer Volkswirtschaft und deren umfassende Detailregulierung die präferierte Antwort? Kann nach dem erlebten Staatsbankrott planwirtschaftlicher Systeme darin ernsthaft die Perspektive liegen? Liegt eine Lektion nicht in der Überforderung der Wirtschaftspolitik, hier vor allem der Geldpolitik? Liegt eine andere Lektion nicht in der Vernachlässigung des Haftungsprinzips an den derivaten Kreditmärkten? Und macht beides nicht deutlich, dass die von Walter Eucken skizzierten Prinzipien guter Ordnungspolitik unverändert Orientierung geben? Es gibt auch in dieser Krise keinen Grund zum Abschied von der Marktwirtschaft, sondern eher zur Rückbesinnung auf ihren Kern.
„Das Ende der Welt?“, Ordnungspolitischer Einspruch von Michael Hüther vom 26. September 2008.