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Verantwortungslosigkeit per Gesetz

Die Regierung will mit neuen Gesetzen den Arbeitsmarkt moralischer machen. Doch damit wird sie genau das Gegenteil bewirken. Denn mit jeder Regel verringert sie die Verantwortung des Einzelnen.

Kaum ein anderes Land reguliert derzeit den Arbeitsmarkt so stark wie Deutschland. Dennoch plant die Bundesregierung zahlreiche weitere Gesetze: So soll beispielsweise der Abschluss von Werkverträgen erschwert werden. Und trotz der beeindruckenden Erfolge der Zeitarbeit, die vielen Arbeitslosen neue Chancen eröffnet hat, plant die Regierung weitere Auflagen für die Branche.

Die Regierung will die perfekte Arbeitswelt per Gesetz vorschreiben. Doch damit nimmt sie uns auch unsere moralische Verantwortung. So bewirkt sie letztendlich das Gegenteil ihres ursprünglichen Ziels. “Man gibt den Menschen kein gutes Gewissen, wenn man ihnen sagt, dass sie überhaupt keines zu haben brauchen.”, formulierte das der Soziologe Helmuth Plessner 1924.

Die Arbeitsmarkt-Pläne der Regierung zeigen, wie aktuell Plessners Gedanke noch ist. Weil sich einige wenige Unternehmen fragwürdig verhalten haben, will die Regierung mit einem gesetzlichen Rundum-sorglos-Paket das Schlechte aus dem Arbeitsmarkt tilgen. Gleichzeitig geht damit aber eine moralische Entlastung von Unternehmen und Angestellten einher. Denn wer bloß Regeln befolgt, darf sich bereits zu den Guten zählen. Einer individuellen Moral bedarf es nicht mehr. An dieser Stelle trifft sich auf erstaunliche Weise die Mechanik der ökonomischen Neoklassik mit dem Moralismus von Politik. Bei Milton Friedman reduziert sich die gesellschaftliche Verantwortung auf die Ertragsmaximierung unter Einhaltung der Spielregeln.

Glücklicherweise funktioniert unsere Welt anders. Beispiel Arbeitsmarkt: Als Unternehmer und Beschäftigter müssen wir stets Verantwortung wahrnehmen, die nicht per Gesetz definiert ist. Ob wir die richtigen Entscheidungen treffen, merken wir schnell. Unternehmen, die nicht gut mit ihren Mitarbeitern umgehen, werden von den Medien zurecht kritisiert und erleiden Imageverluste. Durch die öffentliche Debatte darüber entsteht ein moralischer Code, der sich stets weiterentwickelt.

Zu viele gesetzliche Regeln können diese Entwicklung beeinträchtigen. Denn mit der Annahme, dass sich das Gute juristisch zementieren lässt, ist die fatale Einstellung verbunden, die individuelle Moral würde überflüssig. Wer alles regeln will, zerstört die Freiheit und Verantwortung.

Dieser Beitrag ist in einer längeren Fassung in der “Welt” erschienen.

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