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Hiobsbotschaften von der Demografie-Front

Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass die demografische Entwicklung Deutschland vor große Herausforderungen stellen wird. Doch die Politik schließt die Augen davor.

Auch wenn der griechische Staatsbankrott seit Wochen, Monaten, ja Jahren Stoff für unzählige Dramen liefert: Es gibt andere Hiobsbotschaften im Land, die dahinter fast verblassen, obwohl sie den Wohlstand Deutschlands und die individuelle soziale Lage vieler Menschen massiv gefährden. Ich greife zwei kleine Nachrichten aus dieser Woche heraus, die das Thema anreißen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) belegt mit einer aktuellen Studie, dass von der staatlichen Riester-Förderung vor allem Gutverdienende profitieren. Im Untersuchungsjahr 2010 erhielten von der gesamten Riester-Fördersumme von 2,79 Milliarden Euro mehr als eine Milliarde Euro Menschen, die über 60.000 Euro jährliches Nettoeinkommen verfügen konnten. Obwohl die Riester-Altersvorsorgeförderung vom Staat gerade auch als Anreiz für Klein- und Mittelverdiener gedacht war, entfallen auf die unteren beiden Zehntel der Einkommensbezieher nur rund 7 Prozent der steuerlichen Fördersumme.

Genau die Menschen, die das sinkende Rentenniveau in der gesetzlichen Rentenversicherung am härtesten treffen wird, sorgen am wenigsten vor. Ihnen droht künftig Altersarmut. Dafür speist der Staat großzügig Steuermittel in die Förderung von Bevölkerungsgruppen, die für sich selbst sorgen können – und das auch lange aus freien Stücken taten. Denn andere empirische Befunde belegen eindeutig, dass die staatliche Riester-Förderung das Sparvolumen insgesamt nicht erhöht hat, sondern ein Teil der insgesamt gleichen Summe eben inzwischen vom Staat aufgebracht wird. Wäre eine obligatorische private Pflichtvorsorge, die ohne steuerliche Förderung auskommt, vielleicht wirkungsvoller und gerechter?

Zu dieser DIW-Studie passt eine Umfrage, die der Versicherungskonzern AXA in dieser Woche vorgestellt hat. Zwar hätten viele Berufstätige in Deutschland Angst davor, dass ihr Geld im Alter nicht reicht. Trotzdem sorgten sie immer weniger für den Ruhestand vor. Fast die Hälfte der Befragten bezweifle grundsätzlich die Sinnhaftigkeit einer privaten Altersvorsorge. Während bei einer gleichlautenden Umfrage vor 10 Jahren noch über 80 Prozent angaben, mit ihrer Ruhestandsplanung bereits begonnen zu haben, sind es heute nur noch 60 Prozent. Wegen der niedrigen Zinsen schließen 59 Prozent der Bürger keine neuen Verträge mehr ab. Jeder Fünfte hat wegen der Niedrigzinsen bestehende Verträge auch schon gekündigt.

Die Dämpfung der Sparneigung stellt für mich einen der gravierendsten Kollateralschäden der Niedrigzinspolitik dar. Sie diskreditiert das Vorsorge-Sparen und verführt zu einer rein gegenwartsbezogenen Konsum-Mentalität, die angesichts des demografischen Wandels unverantwortlich ist. Sie schlägt mindestens so stark ins Kontor, wie die fatale Rolle rückwärts durch die Rente mit 63, die das vorzeitige Ausscheiden aus dem Berufsleben privilegiert, obwohl eine längere Erwerbsbeteiligung älterer Menschen zwingend notwendig ist.

Wie stark der Gesetzgeber selbst die Bereitschaft zur Altersvorsorge hintertreibt, erlebte ich an den zurückliegenden heißen Tagen zweimal im Freibad. Zwei Neurentner beklagten unabhängig voneinander in jeweils großer Runde bei Kaffee, Kuchen und Eis mit konkreten Zahlenbeispielen, wie ihre Direktversicherungen, die sie über Entgeltumwandlung angespart hatten, jetzt bei der Auszahlung mit den vollen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen belastet wurden. In einem Fall ging es um 10.000 Euro, die der Staat kassiert, im anderen Fall um 17.000 Euro. Der Deutsche Bundestag hatte das bereits 2004 – mit Rückgriffswirkung – im sogenannten GKV-Modernisierungsgesetz beschlossen. SPD und Grüne regierten damals. Doch auch die Union stimmte zu. „Spart, wenn überhaupt, nur ohne staatliche Förderung. Denn sonst kassiert euch der Staat am Schluss kräftig ab“, empfahl einer der Rentner mit Wut im Bauch. Kann man ihm diese Empfehlung verdenken?

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