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Wie viel Gemeinschaft braucht die Freiheit?

In den vergangenen Tagen ist viel von Spaltung und Zerfall die Rede gewesen. Die Geschehnisse in der AfD gaben den Tenor vor. Der Austritt einer noch durchaus überschaubaren Gruppe von knapp 60 Mitgliedern der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft hat danach dann einige Beobachter – die einen mit Häme, die anderen aus Sorge – sinngemäß zu dem Kommentar veranlasst, angesichts von solcherlei Gezänk könne es ja nichts werden mit dem Liberalismus. Der Einsatz für die individuelle Freiheit in der Marktwirtschaft wie auch in allen anderen Sphären des gesellschaftlichen Zusammenlebens sei ohne einen Schulterschluss zum Scheitern verurteilt. Das ist ein großer Irrtum.

Abgesehen davon, dass die Hayek-Gesellschaft gemäß ihrer Satzung nur ein der Wissenschaft gewidmeter Verein sein sollte und keine Partei, auch wenn das manche Mitglieder vielleicht gern anders hätten: Erfolg in Politik und öffentlichem Diskurs ist ohne Glaubwürdigkeit nicht zu haben, ebenso wenig wie wissenschaftliche Reputation. Und zur Glaubwürdigkeit trägt Integrität ganz entscheidend bei. Man darf sich nicht von Geld, Amt oder Macht korrumpieren und zum Schweigen bringen lassen; inhaltliche Konflikte gilt es nicht zu vertuschen, sondern selbstbewusst auszutragen; aus pragmatischen Gründen eingegangene Allianzen sind immer wieder auf den Prüfstein zu stellen.

Das Problem ist deshalb nicht der Streit an sich. Das Problem besteht vielmehr in der Anfälligkeit des Liberalismus für Strömungen, die ihm schaden – wobei andere politische Richtungen nicht minder von unliebsamen Vereinnahmungen und schleichenden Pervertierungen betroffen sind.

Dass sich die Union zunehmend in die Mitte des politischen Spektrums Deutschlands bewegt hat und dabei vor allem der anderen einst großen Volkspartei, der SPD, die Wähler abspenstig macht, zehrt an ihrem konservativen Markenkern in ähnlicher Weise. Und der ideologischen Substanz der Sozialdemokratie entsprechen die paternalistischen Aktionismen von Arbeitsministerin Andrea Nahles sicherlich mehr als der zuletzt in den Vordergrund rückende ökonomische Realismus von Parteichef Sigmar Gabriel.

Auf jeden Fall aber ist der Schaden längst geschehen, wenn es zum offenen Streit kommt, denn dann bricht nur auf, was zuvor allzu lange unter den Teppich gekehrt wurde oder im Interesse des lieben Friedens unerwähnt geblieben war.

Man müsse doch zusammenhalten in dieser Welt, in der die Bedrohung von links übermächtig sei, schlottern dann die Zaghaften; jetzt endlich bestehe doch die Aussicht, „dass Keynes und die Keynesianer den Kürzeren ziehen“, schrieb mir der kürzlich aus der AfD ausgetretene Tübinger Ökonom Joachim Starbatty. Daran indes ändern auch Richtungsstreits, Abwendungen, Abspaltungen und gar „Spaltungen“ nichts, um jene hysterische Semantik einmal aufzunehmen. Durch die Abgrenzung von rechts wird weder zum Linken, wer bisher gegen linke Positionen war, noch bekommt dadurch Keynes wieder Oberwasser, solange Hayek Passenderes zu bieten hat. Die große politische Geographie bleibt von derlei Aufmischungen völlig unberührt.

„Gemeinsam sind wir stark“ – das ist eine so alte wie gründlich irreführende Binse. Man muss schon gut hinschauen, mit wem man sich zusammenspannt. Nicht mit jedem, der sich anerbietet, erlangt man tatsächlich Stärke. Es gibt auch Allianzen, die schwächen, beschädigen und hässlich machen, in denen man sich arg verbiegen muss.

Ein opportunistischer Liberalismus, der sich nicht mehr sauber nach rechts und „neurechts“ abgrenzt, sondern sich mit solchen Strömungen wegen des – allerdings jeweils völlig unterschiedlich begründeten – gemeinsamen Interesses an einer Eindämmung staatlicher Bevormundung verbindet, verliert auf dramatische Weise seine Substanz: die Sorge um jeden einzelnen Menschen, der mehr gilt als irgendein Kollektiv.

Wenn sich derlei abzeichnet, hilft nur noch die Flucht nach vorn. Das befreit – es stärkt, schaufelt verschüttete Gesprächskanäle wieder frei und macht im öffentlichen Diskurs auch wieder anschlussfähig und gewinnend.

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