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Wohlstand von morgen: Warum (auch eine reformierte) Erbschaftsteuer keine gute Idee ist

Die Politik hat vom Bundesverfassungsgericht den Auftrag erhalten, die Erbschaftsteuer zu reformieren. Wer an die Zukunft denkt, sollte sie besser ganz abschaffen. 

Im vergangenen Jahr erklärte das Bundesverfassungsgericht die seit dem Jahr 2009 geltende Erbschaftsteuerregelung für verfassungswidrig. Stein des Anstoßes war die (partielle) Steuerverschonung von Betriebsvermögen. Eine solche Verschonung kann zwar verfassungskonform sein, wenn es aber um nennenswerte Beträge geht, dann ist die Verschonung nur gerechtfertigt, wenn es gar nicht anders geht, sprich: wenn die Besteuerung alsbald die Pleite zur Folge hätte.

Das Bundesverfassungsgericht drückt diesen Sachverhalt natürlich sehr viel schöner aus. Das ändert aber nichts daran, dass sich die politische Klasse schon die Hände reibt und auf eine Neuregelung hofft, die noch ein bisschen mehr Geld aus den Taschen derjenigen nimmt, die es erwirtschaftet haben, um es in die Hände jener zu legen, die es gerne ausgeben möchten.

Um diesen Vorgang nicht ganz so unverschämt aussehen zu lassen und ihn überdies mit der Aura des Angemessenen, Unparteiischen oder sogar Gerechten zu versehen, werden in der Debatte zwei argumentative Kunststücke aufgeführt.

Zum einen ist im Unterschied zum Betriebsvermögen vom sogenannten „Verwaltungsvermögen“ die Rede. Das ist in meinen Augen eine irreführende Konstruktion. Die unterschiedliche Behandlung dieser Vermögensarten ist ungefähr so sinnvoll, als müssten Sie eine Steuer auf alles bezahlen, was Sie nicht täglich brauchen: zum Beispiel ihr Gästezimmer, Sportgeräte oder die Kuchenform.

Der Einwand, dass Sie dann nur noch eine sehr reduzierte Anzahl von Möglichkeiten der Lebensgestaltung haben, zählt nicht. Dem Steuerrecht genügt es, wenn Sie überleben. Und Sie werden ja wohl nicht gleich verhungern, nur weil Sie jetzt keinen Kuchen mehr backen können.

Zum anderen geistert das Schlagwort vom „anstrengungslosen Wohlstand“ durch viel zu viele Statements zu diesem Thema. Das überrascht nicht, wenn es von Menschen kommt, die aus Angst davor, das Gras der anderen könnte grüner sein als ihr eigenes, am liebsten alle Wiesen enteignen wollen. (Und wenn die Wiesen nur erst dem Staat oder den Parteigenossinnen und -genossen gehören, dann sichern nicht zuletzt die so erworbenen Verdienste einen privilegierten Zugang zu den besonders schönen Fleckchen.)

Doch gar nicht so selten wird der Ausdruck „anstrengungsloser Wohlstand“ auch benutzt, um sich an der Seite der arbeitenden Durchschnittsbevölkerung zu positionieren und ein Feindbild von (zu) reichen Menschen aufzubauen.

Der Durchschnitt, das sollen Erna Müller und Otto Meier sein, die sich abrackern, damit ihre Kinder es einmal besser haben, ein paar tausend oder zehntausend Euro und möglichst noch ein Häuschen erben. Das ist zwar sehr luxuriös für die Erben, gilt allerdings als normal und akzeptabel. Ottos und Ernas Kinder trifft das Verdikt vom anstrengungslosen Wohlstand in aller Regel nicht.

Das ist seltsam, denn ausgerechnet das Leben der Kinder von Unternehmerinnen und Unternehmern weist viele Merkmale auf, die man gemeinhin als anstrengend bezeichnet. Ganz gleich, ob man Handwerk oder Dienstleistung, Landwirtschaft oder Maschinenbau betrachtet: dass Kinder, später Jugendliche, im elterlichen Betrieb mitarbeiten müssen, ist keine Ausnahme. Dass ihre Eltern mehr als 40 Stunden arbeiten und entsprechend weniger Zeit für ihre Kinder haben, auch nicht. Unregelmäßige Arbeitszeiten und Wochenendarbeit sind für alle Familienmitglieder der Normalfall.

Korrekt ist, dass ein entsprechender finanzieller Spielraum andere Möglichkeiten und Entlastung im Alltag schaffen kann. Doch gerade wenn man die vermögendste Spitze betrachtet, stelle ich es mir durchaus nicht unanstrengend vor, mit der ständigen Angst vor einer Entführung leben zu müssen. So gesehen, sind es eher die Kinder von Otto und Erna, die anstrengungslos Wohlstand erben.

Allerdings gilt: Wie viele Aspekte man auch immer berücksichtigen mag, man wird mit einer solchen Sozialarithmethik keinem Individuum jemals gerecht werden können. Der Versuch, Lebensbedingungen gegeneinander aufzurechnen ist nicht nur anmaßend, sondern alleine deshalb zum Scheitern verurteilt, weil die Menschen unterschiedlich sind und unterschiedliche Dinge mögen und brauchen. Eine Situation, die für die eine gut ist, kann für den anderen schlecht sein.

Zudem hat niemand das Recht, eine „Normkindheit“ zu definieren. Und selbst wenn jemand es versuchte, so ließen sich doch die realen Verhältnisse weder erheben noch messen.

Damit lässt sich aber auch keine Abweichung zu einer wie auch immer definierten Norm feststellen. Was anstrengend ist und was nicht, das kann nach wie vor nur jeder Mensch für sich selbst entscheiden. Eine Erbschaft pauschal als anstrengungslos oder verdient zu etikettieren, ist unmöglich und anmaßend.

Viel interessanter als die mitunter sehr verqueren Argumente ist ohnehin, worüber in dieser Debatte nicht gesprochen wird: die problematische Logik und fragliche Legitimität jeglicher Erbschaftsteuer. Dabei wird dies implizit durchaus anerkannt. Schließlich sind der Grund für die ausnahmsweise Steuerverschonung die äußerst unerwünschten Konsequenzen, die die Erbschaftssteuer für ein Unternehmen hat: die drohende Pleite, und damit einhergehend der Verlust von Arbeitsplätzen und Wertschöpfung.

Könnte der Staat durch einen magischen Trick mit den eingenommenen Steuern mehr Wohlstand schaffen, als er an anderer Stelle vernichtet, so gäbe es für die Steuerverschonung keinen Grund. Doch das kann der Staat an dieser Stelle ebenso wenig wie an irgendeiner anderen.

Nun ist klar, dass wenn man nicht die Abschaffung des Staates fordert, dieser seinen Finanzbedarf irgendwie decken muss. Doch ausgerechnet den generationsübergreifenden Aufbau von Vermögen (ganz gleich, in welcher Form) zu behindern und unattraktiv zu machen, bedeutet, an dem Ast zu sägen, auf dem man sitzt.

Denn Kapitalaufbau ist die Voraussetzung für jede Investition, und Investitionen sind das Fundament zukünftiger Erträge. Wenn man also nicht das erklärte Ziel verfolgt, den Wohlstand von morgen zu schmälern, dann sind Erbschaftsteuern eine ganz schlechte Idee.

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