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Zurück zur marktwirtschaftlichen Ordnung! – Die Risiken der Niedrigzinspolitik der EZB

Seit Beginn der europäischen Schulden- und Finanzkrise hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Leitzins kontinuierlich gesenkt. Mit der Entscheidung vom September 2014, den Hauptrefinanzierungssatz auf 0,05 Prozent und den Depositenzins gar auf -0,2 Prozent zu setzen, hat das kurzfristige Zinsniveau in Europa einen historischen Tiefstand erreicht. Darüber hinaus drückt die Europäische Zentralbank mit dem Ankauf von Kreditverbriefungen und Staatsanleihen die langfristigen Zinsen. Das seit März 2015 laufende Aufkaufprogramm für Staatsanleihen soll die Bilanz der EZB um weitere 1,1 Billionen Euro ausweiten. Das entspricht ungefähr der Hälfte der ausstehenden öffentlichen Schulden Deutschlands.

Ein Ausstieg aus dieser extrem lockeren Geldpolitik ist nicht absehbar. Er scheint politisch auch nicht erwünscht, weil die Geldpolitik als Wachstumsstütze betrachtet wird. Die Zentralbank helfe ein Abgleiten der Eurozone in die Deflation und Rezession zu verhindern, heißt es. Indem sie Notkredite gewähre und die Zinsen drücke, die die Eurostaaten auf ihre Schulden zu zahlen hätten, beuge sie weiteren Staatsschuldenkrisen vor. Zudem würden die fragilen Finanzmärkte stabilisiert und mögliche Ansteckungseffekte vermieden.

Darüber hinaus sollen Investitionen der Unternehmen stimuliert werden. In der Tat scheinen die Bedingungen günstig: Niedrige Zinsen hierzulande, ein schwacher Außenwert des Euros sowie wachsende Volkswirtschaften außerhalb Europas begünstigen die Exportchancen europäischer Unternehmen. Doch der Investitionsboom findet nicht statt. Offenbar liegt das Problem nicht im Zinsniveau. Vermutlich stimmen die Angebotsbedingungen nicht; es handelt sich um ein Strukturproblem.

Dann aber muss die Geldpolitik die Erwartungen enttäuschen. Eine nachhaltige Erholung ist nicht in Sicht. Und nicht nur das – die Geldpolitik, für die die Zentralbank als Retter in der Krise so sehr gelobt wird, birgt immense Risiken für die marktwirtschaftliche Ordnung.

Niedrigzinspolitik unterminiert das traditionelle Bankgeschäft

Banken nehmen für Einlagenzinsen Ersparnisse entgegen und vergeben zu höheren Zinsen Kredite an Unternehmen und Haushalte. Für dieses traditionelle Kreditgeschäft – wie es bei Sparkassen und Volksbanken besonders wichtig ist – müssen die Banken die künftige Rendite von Investitions- und Immobilienprojekten einschätzen, um möglichst wenige Kreditausfälle zu erleiden. Gute Investitionsprojekte werden von schlechten getrennt. In Zeiten billigen Geldes indes werden Banken dazu verleitet, Kredite zu oft für wenig rentable Projekte zu vergeben. Das war und ist in Japan seit der zweiten Hälfte der achtziger Jahre so. Auch im Hypothekenmarktboom der Vereinigten Staaten und später in vielen europäischen Krisenländern haben nach der Jahrtausendwende billige Kredite Übertreibungen begünstigt. Auch die neuen EZB-Milliarden werden eher in bestehende Vermögenswerte oder in vermeintlich sichere Staatsanleihen als in produktive Neuinvestitionen gesteckt.

Nachdem eine Blase geplatzt ist, sinkt einerseits der Wert der Vermögenswerte, andererseits steigt bei den Banken der Bestand an faulen Krediten. Die Banken neigen dann üblicherweise dazu, Kredite an nicht lebensfähige Unternehmen zu verlängern, um Schieflagen zu verbergen. Zudem schmälern die Zinssenkungen gegen Null die Ertragsmöglichkeiten der bisher soliden Banken, weil sie die Differenz zwischen Kreditvergabezinsen und Einlagezinsen abschmelzen. In Japan ist dieser sogenannte Zinsüberschuss im Verlauf der Krise von 3,5 Prozentpunkten auf 0,5 Prozentpunkte geschrumpft. Es entstehen „Zombiebanken“, die von der stetigen Zufuhr kostenloser Zentralbankliquidität abhängig sind. Den Banken wird im Ergebnis ihr traditionelles Geschäftsmodell genommen.

Der Mittelstand wird geschwächt

Die Nullzinspolitik schwächt außerdem kleine und mittelständische Unternehmen. Während durch die sinkenden Zinsen allgemein die Finanzierungskosten für Unternehmen sinken, profitieren insbesondere große Unternehmen. Weil alternative Anlageformen schlecht verzinst werden, können Großunternehmen Anleihen zu geringen Zinsen ausgeben. Zudem steigt die Nachfrage nach Aktien und damit der Wert der entsprechenden Unternehmen. Viele große Unternehmen schwimmen in Liquidität und bauen ihre Verschuldung ab.

Damit verbleiben in den Kreditportfolios der Banken nur diejenigen kleinen und mittelständischen Unternehmen, deren Risiko im Vergleich zu Großunternehmen als höher eingeschätzt wird. Die Banken neigen in einer solchen Lage dazu, ihre Kreditvergabe einzuschränken, weil das durchschnittliche Risiko in ihrem Portfolio gestiegen ist. Da gleichzeitig bestehende Kredite verlängert werden, um Kreditausfälle zu verschleiern, können die Banken dann keine neuen innovativen Investitionsprojekte von kleinen und mittelständischen Unternehmen mehr finanzieren. Riskante Neukredite an junge Gründer unterbleiben. Anders gewendet: Bei Null ist die Allokationsfunktion von Zinsen, die gute Investitionsprojekte von schlechten trennt, außer Kraft gesetzt.

Spekulation verdrängt Investition

Der Rückgang der Leitzinsen gegen Null seit 2008 ist nur das Ende eines langen Trends. Der durchschnittliche kurzfristige Zins lag in den großen Industrieländern (Vereinigte Staaten, Japan, Deutschland/Eurozone) zu Beginn der achtziger Jahre noch bei rund 12 Prozent, ist über den Zeitverlauf jedoch gegen Null gesunken. Eine wichtige Triebkraft dieser Entwicklung war eine Geldpolitik, die in der Krise die Zinsen stärker drosselte, als sie sie in der Erholung danach angehoben hat. Diese geldpolitische Asymmetrie kommt einem Versicherungsmechanismus für Spekulation auf den Finanzmärkten gleich. Die Zentralbanken lassen in Boom-Phasen spekulativen Übertreibungen ihren Lauf. Hingegen steuern sie in Krisen dem Verfall der Vermögenspreise mit Zinssenkungen und Ausweitungen der Zentralbankbilanzen entschlossen entgegen. Das Haftungsprinzip für Spekulation auf den Finanzmärkten ist somit faktisch ausgesetzt.

Im Gegensatz dazu müssen Unternehmen, die investieren, das Risiko selbst tragen. Wenn beispielsweise eine neue Modellgeneration eines Autoproduzenten scheitert, ersetzt der Staat die daraus entstehenden Verluste nicht. Dies gibt einen Anreiz, eher in Finanzanlagen als in Sachinvestitionen zu investieren. Der Anteil der Investitionen am Bruttoinlandsprodukt ist auch deshalb in vielen Industrieländern seit Einsetzen der asymmetrischen Geldpolitik in den achtziger Jahren stetig zurückgegangen. Die Frequenz und das Ausmaß von spekulativen Blasen auf den Finanzmärkten haben hingegen stetig zugenommen. Dies bremst das Wachstum.

Umverteilung durch finanzielle Repression

Die sehr expansive Geldpolitik drückt die Verzinsung von risikoarmen Anlageformen wie Sparbüchern, festverzinsten Sparverträgen, Staatspapieren, Lebensversicherungen oder Bausparverträgen. Sparer, die ungern Risiken eingehen, werden enteignet. Man spricht in diesem Zusammenhang von „finanzieller Repression“. Wer heute 10.000 Euro für 10 Jahre zu einem Zins von 0,85 Prozent (das entspricht ungefähr der aktuellen Rendite für 10-jährige Bundesanleihen) anlegt, erhält mit Zinseszinsen 10.965 Euro zurück. Bei 2 Prozent Inflation (dem Ziel der EZB) kostet der Warenkorb, der heute für 10.000 Euro zu haben ist, in 10 Jahren 12.190 Euro. Die Rendite des Sparens ist deutlich negativ.

Solche defensiven Finanzanlagen werden von vielen Haushalten mit mittleren Einkommen gehalten. Öffentliche und private Rentenkassen oder Stiftungen sind gesetzlich verpflichtet, Staatsanleihen zu kaufen, für die Anleger kein Eigenkapital vorhalten müssen. Das Ausfallrisiko dieser Staatsanleihen wird von der Zentralbank verschleiert, indem sie die Zinsen der Staatspapiere drückt. Diese finanzielle Repression ist mithin auch für Stiftungen problematisch. Die geringeren Einnahmen gefährden somit das bürgerschaftliche Engagement und bereiten einer weiteren Verstaatlichung aller Lebenswelten den Boden.

Es profitieren hingegen jene Anleger, die risikoreich investieren. Die extrem lockere Geldpolitik beflügelt einzelne Segmente der Vermögensmärkte. Wer Aktien, Währungen, Immobilien oder Unternehmenskredite kauft, kann über lange Zeit hohe Kursgewinne erzielen. Diese Vermögensklassen werden überwiegend von Angehörigen der höheren Einkommensschichten gehalten. Wer im Spekulationsgeschäft der internationalen Finanzmärkte gewinnen will, muss Aufwärtstrends und Wendepunkte früh erkennen. Die professionellen Akteure auf den internationalen Finanzmärkten dürften hier gegenüber den Kleinanlegern aus der Mittelschicht einen Vorsprung haben, und die Vermögenden dürften dank besserer Berater ebenfalls im Vorteil sein. Und im Übrigen hilft die Geldpolitik: Wenn die Blasen auf den Finanzmärkten platzen, steuert die Notenbank dem Kursverfall mit billigem Geld entgegen.

Umverteilung durch Lohn- und Rentenrepression

Während mit steigenden Vermögenspreisen die Einkommen der obersten Einkommensschichten steil wachsen, können die von billigem Geld ausgelösten Boom-und-Krisen-Zyklen die Löhne breiter Bevölkerungsschichten unter Druck setzen. Das billige und reichlich vorhandene Geld befeuert zunächst Aufschwung-Phasen auf den Finanz- und Gütermärkten. Die Steuereinnahmen steigen, was die Regierungen zu neuen Ausgaben verleitet (beispielsweise für die Rente mit 63 Jahren). Wenn die Blasen platzen, sinken die Steuereinnahmen deutlich, wobei hohe Ausgabenverpflichtungen die Staatskassen weiterhin belasten. Die Notwendigkeit einer Rekapitalisierung maroder Banken erzwingt zusätzliche Staatsausgaben.

Wenn die Staatsverschuldung drastisch zunimmt, sehen sich die Regierungen in aller Regel zu Ausgabenkürzungen gezwungen. Die Lohnerhöhungen im öffentlichen Sektor werden ausgesetzt und Sozialleistungen gekürzt. Die Krise schwächt die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften, so dass auch in der Privatwirtschaft die Löhne unter Druck geraten. Der Abbau der sozialen Sicherung zeigt sich in einem steigenden Anteil von Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Dies ist keine Phantasie: Beispiele finden sich derzeit in Japan und den europäischen Krisenstaaten.

Zusätzlich können sich Ungleichheiten in der Alterssicherung ergeben. Wer auf Vermögenswerte setzt, beispielsweise auf Aktien und Immobilien, kann Erträge verbuchen. Hingegen kommen auf alle, die auf Spareinlagen, Lebensversicherungen oder die gesetzlichen Alterssicherungssysteme vertrauen, deutliche Einschnitte zu. Die Betriebsrenten von mittelständischen Unternehmen schrumpfen, weil die Rücklagenbildung bei geringer Verzinsung zu teuer wird. Es droht sogar die Insolvenz von eigentlich leistungsstarken Unternehmen, wenn immer mehr Mittel für die Betriebsrenten aus der Substanz aufgebracht werden müssen, weil es keine Zinserträge mehr gibt. Die Altersarmut wächst. Die Schere zwischen Arm und Reich wird größer. Viele Menschen gleiten von der Mittel- in die Unterschicht ab. Dieser Trend ist in den meisten Industrieländern in unterschiedlicher Ausprägung bereits zu beobachten. Und das Problem wird größer werden.

Reformstau, Perspektivlosigkeit und Interventionsspiralen

Die extrem lockere Geldpolitik hat strukturelle Verzerrungen geschaffen. Im Verlauf von Aufschwungsphasen wachsen einzelne Marktsegmente besonders stark, zum Beispiel der Finanzmarkt, die Bauindustrie, die Rohstoffmärkte und die Luxusgüterindustrie. Im Abschwung nach der Krise würden solche Verzerrungen normalerweise bereinigt; die geldpolitischen Rettungsaktionen in Form von Nullzinspolitik und quantitativer Lockerung verhindern jedoch die notwendigen Strukturanpassungen zur Verbesserung der Investitionsbedingungen.

Die Europäische Zentralbank schützt die politischen Eliten in Europa (im Süden wie im Norden) vor unpopulären, aber ökonomisch gebotenen Reformen. Die Probleme der Krisenländer sind überwiegend strukturell. Das billige Geld der Zentralbank lässt Unternehmen mit geringer Produktivität überleben. Neue Unternehmen werden nicht in ausreichender Zahl gegründet; außerdem werden die Gründer eher von der Not getrieben als von erfolgsträchtigen Geschäftsideen, was die Erfolgswahrscheinlichkeit senkt und der Wachstumsdynamik abträglich ist. Die Arbeitslosigkeit bleibt hoch. Vor allem in den Krisenländern bleiben junge Menschen vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Perspektivlosigkeit und Frustration sind das Ergebnis.

In politischer Reaktion darauf entstehen Interventionsspiralen. Da viele der Nebeneffekte der ultralockeren Geldpolitik gesellschaftlich und politisch nicht erwünscht sind, muss an anderer Stelle ebenfalls interveniert werden. Die Politik therapiert die Symptome: Statt der Unternehmen legen Staaten Investitionsprogramme auf; die EZB reguliert die Finanzmärkte stärker, um neue Vermögenspreisblasen zu verhindern. Mindestlöhne sollen der Reallohnrepression, Mietpreisbremsen den Exzessen auf dem Immobilienmarkt gegensteuern. Deutsche Gewerkschaften wollen Klein- und Mittelunternehmen dazu verpflichten, Betriebsrenten anzusparen. Um sicherzugehen, dass die Preiskontrollen nicht umgangen werden, werden umfassende bürokratische Kontrollsysteme aufgebaut. Die Interventionsspirale dreht sich am Ende immer schneller. Die marktwirtschaftliche Ordnung und die Wachstumsdynamik werden weiter unterhöhlt. Ein Teufelskreis.

Inflation oder fortschreitende Nominallohnrepression?

Mit Blick auf die Preisentwicklung gibt es zwei mögliche Szenarien. Einerseits könnte die expansive Geldpolitik bewirken, dass sich die Inflation wie ein Pfropf löst, wenn plötzlich mehr investiert und konsumiert wird. In diesem Fall ist fraglich, ob die Zentralbank gewillt und politisch unabhängig genug wäre, dem Inflationssog entgegenzuwirken. Denn sie würde dadurch den lang ersehnten Aufschwung im Keim ersticken. In diesem Fall würde die Inflation schnell steigen und einschneidende Reallohnsenkungen wie auch neue ungewollte Verteilungswirkungen nach sich ziehen.

Andererseits könnte sich wie in Japan die bisherige Entwicklung fortsetzen. Da eine expansive Geldpolitik überwiegend auf die Vermögenspreise wirkt, würden die Angehörigen der obersten Einkommensschichten weiter reicher, der Rest würde ärmer. Es gilt auch ohne Inflation: Über den Umweg von Übertreibungen auf den Finanzmärkten kommt es zu eben jenen willkürlichen Umverteilungseffekten und realen Lohnsenkungen, die bisher der Inflation zugeschrieben wurden.

Aushöhlung der marktwirtschaftlichen Ordnung

In Japan, wo bereits lange vor Europa die Finanzmarktblase platzte, zeigt sich, dass eine Politik des billigen Geldes keine nachhaltige Lösung bietet. Der Wohlstand verfällt dort seit nun mehr als 20 Jahren. Die Zentralbank hält „Zombiebanken“ und „Zombieunternehmen“ mit geringer Produktivität am Leben. Die Wirkung einer extrem lockeren Geldpolitik kommt langfristig der weichen Budgetrestriktion für Unternehmen in den früheren mittel- und osteuropäischen Planwirtschaften gleich: Die Allokation von Kapital dient der Erhaltung von wenig produktiven Unternehmen und nicht der Finanzierung von Investitionen und Innovationen.

Die sich daraus ergebenden Wohlstandsverluste in Kombination mit ungerechten Verteilungseffekten würden die politische Ordnung in Deutschland und in der Europäischen Union gefährden. Verteilungskonflikte zwischen gesellschaftlichen Gruppen und zwischen Ländern würden gefährlich verschärft. Bereits jetzt ist erkennbar, dass extreme Parteien in vielen europäischen Ländern mit antieuropäischer Rhetorik Erfolge feiern. Eine Geld- und Wirtschaftspolitik, die Stagnation, Ungleichheit und Auflösung der marktwirtschaftlichen Ordnung zur Folge hat, wirkt wie ein Brandbeschleuniger. Der Wohlstand und die Errungenschaften in der europäischen Integration sollten nicht dermaßen aufs Spiel gesetzt werden.

Die Umkehr lohnt!

Die langfristigen Risiken der ultralockeren Geldpolitik sind immens und nicht durch ungewisse kurzfristige wachstumspolitische Strohfeuer zu rechtfertigen. Je länger die Zinsen so niedrig sind und die Zentralbankbilanz wächst, desto größer wird der politische Druck auf die Zentralbank, die Politik kostenlosen Geldes fortzuführen. Wenn die Staaten zu lange an diesem Tropf hängen, werden sie die Droge am Ende nicht mehr freiwillig aufgeben. Wer dann noch für Vernunft und Nachhaltigkeit in der Wirtschaftspolitik wirbt, hat es schwer. Auch die EZB wird dann keine wirtschaftspolitischen Strukturreformen mehr erzwingen können, selbst wenn sie das wollte. Wie in Japan bleibt dann in Europa die Rückkehr in eine Welt mit positivem Zins dauerhaft versperrt.

Noch ist es nicht zu spät. Und die Umkehr lohnt. Die Anpassungsprozesse, die durch eine schrittweise Zinserhöhung in Gang gesetzt würden, dürften weniger schmerzhaft sein, als von manchen erwartet: Der Anreiz zu Spekulation würde reduziert, der überdimensionierte Finanzsektor konsolidiert. Innovationen und Investitionen würden gestärkt. Wachsende Produktivitätsgewinne würden höhere reale Löhne und damit mehr Konsum ermöglichen. Wachsender Konsum wäre die Grundlage für mehr Investitionen. Staatsausgaben und Staatsverschuldung würden zurückgeführt. Mit einem geringeren Potential für negative Umverteilungseffekte von Arm zu Reich käme es zu weniger aufreibenden Verteilungskonflikten. Allein fehlt zurzeit wohl der Mut der politischen Eliten in Europa für diesen längst fälligen Schritt.

Autoren

Prof. Andreas Freytag und Prof. Gunther Schnabl;

Michael Borchard (Jerusalem), Detmar Doering (Liberales Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Berlin), Nils Goldschmidt (Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft, Tübingen), Gerd Habermann (Berlin), Rolf Hasse (Leipziger Wirtschaftspolitische Gesellschaft), Karen Horn (Zürich), Thomas Köster (Kompetenzzentrum Soziale Marktwirtschaft, Düsseldorf), Stefan Kolev (Wilhelm-Röpke-Institut, Erfurt), Hubertus Pellengahr (Berlin), Steffen Roth (Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln), Hans Jürgen Schlösser (Siegen), Joachim Starbatty (Tübingen), Tobias Thomas (Econwatch – Gesellschaft für Politikanalyse, Berlin), Roland Tichy (Ludwig-Erhard-Stiftung, Bonn), Albrecht von der Hagen (Die Familienunternehmer, Berlin), Martin Wilde (Bund Katholischer Unternehmer, Köln), Michael Wohlgemuth (Open Europe Berlin, Sprecher Jenaer Allianz), Michael Zöller (Council on Public Policy, Bayreuth).

Bei diesem Text handelt es sich um ein Manuskript vom 29.7.2015. Er ist am 31.7.2015 in einer leicht redigierten Fassung in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienen.

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