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Bankenregulierung: Zu komplex – Neue Wege müssen beschritten werden

Vor fast 7 Jahren hat die Lehmann-Pleite die internationalen Finanzmärkte erschüttert. Falsche Regulierung hat dazu beigetragen, dass sich die Pleite eines Geldinstituts zu einer Kettenreaktion entfaltete, die den internationalen Finanzfluss beinahe ausgetrocknet hätte und deshalb die Regierungen zu Stützungsaktionen gezwungen hat. Das sollte nie wieder passieren.

Einige wesentliche Probleme ist die Politik auch tatsächlich angegangen, doch gibt es auch Fehlentwicklungen. Quantitativ ist viel passiert, beispielsweise müssen Banken künftig mehr als drei Mal so viel hartes Kernkapital vorhalten wie vor der Krise. Wenn es allerdings um die Qualität der Eigenkapitalvorschriften geht, ist ein zentrales Problem nach wie vor ungelöst. Der risikobasierte Eigenkapitalbegriff hat erhebliche und ökonomisch signifikante Unschärfen. Da finanzwirtschaftliche Risiken immer nur modellhaft ermittelt werden können, ergeben sich zwingend große Spielräume für die Banken. Der größte Teil der mittlerweile überbordenden Regulierungsvorschriften ist durch den Versuch getrieben, diese Spielräume zu beseitigen. Dieser Versuch kann nur scheitern. Wenn man Bankenaufsicht robuster und für die Marktteilnehmer verständlicher machen will, brauchen wir eine Vereinfachung der Regeln. Die „Leverage Ratio“, bei der sich das Eigenkapital nach den gesamten Vermögenswerten richtet, könnte ein Ansatz in diese Richtung sein. Manipulationen würden so jedenfalls erschwert. Allerdings macht dieser Ansatz nur Sinn, wenn er die risikobasierte Eigenkapitalunterlegung zumindest teilweise ersetzt und nicht – so wie es derzeit geplant ist – auf diese draufgesattelt wird.

In dem jetzt gewählten risikobasierten Ansatz ist es zwangsläufig dazu gekommen, dass die Politik vor der Komplexität des Themas kapitulieren musste. Die konkrete Ausgestaltung wurde daher den Aufsichtsbehörden übertragen. Sieht man einmal davon ab, dass diese die Komplexität auch nicht in den Griff bekommen werden, entsteht damit die Gefahr einer weiteren Verschärfung der Komplexität der Regulierung, die am Ende nur noch die großen Institute einigermaßen werden bewältigen können. Es ist offensichtlich, dass dies einen funktionierenden Wettbewerb im Bankensektor nicht gerade begünstigt. Bereits heute sind die Hürden einer Bankgründung so hoch, dass Markteintritte praktisch nicht mehr vorkommen – wenn man einmal von den wenigen ausländischen Investoren absieht, die sich noch für europäische Banken interessieren.

Ein weiteres Problem verbirgt sich im jetzt aufgesetzten europäischen Abwicklungsregime. Das System, bei dem Banken langfristig 50 Milliarden Euro in einen Fonds zahlen, mit dem faule Institute gerettet oder abgewickelt werden sollen, mag für sich genommen ein zweckmäßiges Instrument sein. Das grundsätzliche Problem dabei ist aber, dass der gesamte Ansatz, im Krisenfall die Gläubiger stärker an den Risiken zu beteiligen, vor allem bei großen Banken kaum glaubwürdig ist. Der Druck auf die Politik wird in einem solchen Fall viel zu groß sein, als dass sich diese Haltung durchsetzen könnte. Der Ansatz hätte nur Aussicht auf Erfolg, wenn es einen Automatismus gäbe, der politische Eingriffe im Krisenfall kaum noch möglich macht. Das Instrument der Zwangswandelanleihen (Contingent Convertible Bonds) würde in diese Richtung gehen.

Ziehen wir Bilanz: Banken sind heute besser reguliert als im Jahr 2008, aber das Problem, dass Regulierung die Konzentration im Bankensektor zusätzlich befeuert, hat sich verschärft. Das ist keine gute Nachricht, weil es nicht zu verhindern sein wird, dass in der nächsten Krise wieder der Steuerzahler eingreifen wird müssen, um noch größer gewordene Institute vor dem Zusammenbruch zu retten.