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Wider den Strich gebürstet: Prassen statt Sparen

Die Austeritätspolitik in den europäischen Krisenstaaten wird vor allem von US Ökonomen stark kritisiert. Ein Blick auf die Zahlen fördert aber überraschende Erkenntnisse zu Tage.

Es ist der blanke Hohn: Europa wird angeblich von der Austeritätspolitik beherrscht. Die grassierende Sparpolitik, vor allem von Deutschland gepusht, zeichne verantwortlich für alle Krisensymptome, die nicht nur die Südeuropäer plagen, sondern besonders auch den EU-Ankerstaat Frankreich. Die amerikanische wie die chinesische Regierung fordern seit Jahren eine expansivere Fiskalpolitik von den Europäern, um die Konjunktur zu stimulieren. Die keynesianischen Säulenheiligen der amerikanischen Ökonomenzunft, Krugman und Stiglitz, überbieten sich fast im Wochenrhythmus mit ihren rüden Attacken gegen das deutsche Spardiktat. Wolfgang Schäuble, der deutsche Finanzminister, mutierte global zur Inkarnation der verspotteten schwäbischen Sparmentalität, weil er nicht begreifen will, dass „gute“ Politik vor allem im Geldausgeben besteht – und sei sie auch mit Krediten finanziert!

Es mag an den tropischen Temperaturen liegen, aber beim Studium der Verschuldungsstatistiken der EU- Mitgliedstaaten finde ich das Gegenteil dessen, was inzwischen als Mainstream die Medien und die gesellschaftspolitische Debatte beherrscht. Die Staatsverschuldung in Europa ist auf absolute Rekordhöhen gewachsen. Nie war sie – nicht nur in absoluten Zahlen, sondern auch in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) – höher als heute. Selbst Deutschland, dessen Staatsverschuldung tatsächlich in Relation zur volkswirtschaftlichen Jahresleistung sinkt, liegt nach wie vor meilenweit über dem Maastricht-Grenzwert von 60 Prozent Schuldenstand. Ohne den Windfall-Profit der Nullzinspolitik der EZB, die dem Bundesfinanzminister derzeit jährlich mehr als 20 Milliarden Euro an Zinsausgaben erspart, könnten sich die Deutschen keines ausgeglichenen Bundeshaushalts rühmen. Auch die deutsche Solidität steht auf tönernen Füßen, erst recht wenn man die Ausgabensteigerungen in den Blick nimmt, die als Folge der großkoalitionären Freigebigkeit in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung dem Bundeshaushalt spätestens in der nächsten Legislaturperiode drohen.

Fatal sind die Langfristfolgen dieses Spar-Fakes. Selbst John Maynard Keynes, auf den sich die Kritiker der vermeintlichen Austeritätspolitik so gern berufen, plädierte ja für eine Nullverschuldung über den kompletten Konjunkturzyklus. Doch wann, bitteschön, ihr Neo- oder Vulgär-Keynesianer, ist die Zeit der Konsolidierung? Wenn ihr weiter das Zerrbild von der europäischen Austeritätspolitik zeichnet, dann gebt doch bitte die ehrliche Losung aus: Prasst und konsumiert auf Teufel komm raus! Nach uns die Sintflut! Im Zweifel finanzieren uns die Notenbanken, die mit der Druckerpresse frisches Geld schaffen und damit Staatsanleihen kaufen. Ist das die neue makroökonomische Wunderdroge, die das permanente „deficit-spending“ salonfähig macht?