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Ungleichverteilung der Vermögen in Deutschland wird überschätzt

Die Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland wird häufig überschätzt. Denn genauso ungleich wie die Vermögen verteilt sind, sind die Menschen, die sie erarbeitet haben.

Grundlage dieses Blog-Posts ist eine Studie des Centrums für angewandte Wirtschaftsforschung (CAVM) im Auftrag des Fördervereins der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Die Studie können Sie hier downloaden.

Verteilungsfragen beherrschen aktuell die wirtschafts- und sozialpolitische Diskussion. Das DIW hat erst kürzlich eine neue Studie veröffentlicht, welche den Einfluss von „Superreichen“ auf die Vermögensungleichheit unter anderem in Deutschland untersucht und kommt zu dem Ergebnis, dass Vermögen (noch) ungleicher verteilt sind als bisher angenommen. Die Erfassung der Vermögen von Milliardären in deutschen Vermögensdatenquellen dürfte in der Tat zu einem Anstieg der Ungleichheit führen. Demgegenüber stehen aber zwei elementare Schwächen der Vermögensverteilungsrechnungen, die zu einer Verzerrung der Ungleichheit nach oben führen – unabhängig davon, ob „Superreiche“ miteinbezogen werden oder nicht.

Die Ergebnisse der meisten Vermögensstudien basieren auf einer reinen Querschnittsbetrachtung von Individuen zu einem bestimmten Zeitpunkt. Individuen weisen jedoch große strukturelle Unterschiede (u.a. bezüglich des Alters, der Ausbildung und des Wohnortes) auf, die eine entscheidende Rolle dafür spielen, wie hoch das individuelle Vermögen zu diesem Zeitpunkt jeweils ist. Dies lässt sich am Beispiel des Alters verdeutlichen: In aller Regel ist der individuelle Wohlstand während der Ausbildung und zu Beginn des Arbeitslebens niedriger als am Ende der beruflichen Laufbahn, während er im Rentenalter aufgezehrt wird und wieder sinkt. Ein entscheidender Teil der Ungleichheit kann also nur dadurch erklärt werden, dass Menschen zu unterschiedlichen Zeitpunkten ihres Lebenszyklus beobachtet werden. Allein die Herausrechnung des Alterseffektes senkt die Ungleichheit um 15 Prozent. Ein Vergleich nur der Personen, die sich in der gleichen Lebensphase befinden, eine vergleichbare Ausbildung aufweisen und in derselben Region Deutschlands wohnen, führt sogar zu einer Senkung der Ungleichverteilung um 24 Prozent gegenüber demjenigen Wert, der sich bei einer undifferenzierten Rechnungsweise ergibt.

Die tatsächliche Ungleichverteilung der Vermögen wird nicht nur durch die beschriebenen strukturellen Effekte überschätzt, sondern auch dadurch, dass sich die ausgewiesene Ungleichheit (zumeist) lediglich auf das Geld- und Realvermögen bezieht und Renten- und Pensionsansprüche außer Betracht lässt. Letztere erreichen aber in der Summe ähnliche Größenordnungen wie das gesamte Sach- und Realvermögen. Dadurch wird der Wohlstand eines Großteils der Bevölkerung deutlich unterschätzt, insbesondere der unteren und mittleren Einkommensschichten, da die im Laufe des Erwerbslebens angesammelten Anwartschaften an die gesetzliche Rentenversicherung gerade für die weniger wohlhabenden Schichten ein wichtiger Bestandteil des persönlichen Vermögens sind.

Zudem kommt es auch hier zu einem unzulässigen Vergleich: Während Beamte und sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ihre Altersvorsorge hauptsächlich auf Renten und Pensionen stützen, bilden Selbständige zu diesem Zweck in viel stärkerem Maße Immobilien-, Unternehmens- oder Geldvermögen. Wie bereits erläutert gehen nur letztere in die üblichen Vermögensstatistiken ein. Werden die eigens vom DIW ermittelten Ergebnisse für 2007, die eben diese Anwartschaften miteinbeziehen, zugrunde gelegt, reduziert sich die Ungleichverteilung um 20 Prozent.

Zudem würde ein internationaler Vergleich der Vermögensverteilungen unter Einbezug der Rentenansprüche das Länderranking der Ungleichheit vermutlich zu Gunsten von Deutschland verändern. Dies liegt daran, dass Deutschland ein starkes, umlagefinanziertes Renten- und Sozialversicherungssystem hat und dementsprechend gerade die weniger verdienenden Menschen weniger Vermögen bilden müssen als in anderen Ländern.

Interessant ist ebenfalls, dass das Vermögen der Wohlhabenden größtenteils aus Produktivvermögen und Immobilien und nicht etwa aus Luxusgütern oder spekulativen Finanzanlagen besteht. An diesen Vermögen hängen unter anderem auch unsere Arbeitsplätze und Wohnungen, welche maßgeblich den Kapitalstock unserer Volkswirtschaft ausmachen.

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