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Die unheimliche Macht des Mister Fink

Lange galt der US-Vermögensverwalter Blackrock in der Finanzbranche als Vorbild. Doch nun hagelt es Kritik. Der US-Investor Carl Icahn bezeichnet die Firma als „extrem gefährlich“. Da kommt Heike Buchters Buch gerade richtig. Sie schaut hinter die Kulissen dieser „unheimlichen Weltmacht, die nach unserem Geld greift“. Und findet so einige Ungereimtheiten. Heike Buchter: Black Rock – eine heimliche Weltmacht greift nach unserem Geld, Campus-Verlag 2015, Frankfurt Main 2015

Heike Buchter: Black Rock – eine heimliche Weltmacht greift nach unserem Geld, Campus-Verlag 2015, Frankfurt Main 2015Ein wenig erinnert Blackrock an den Film Star Wars – und zwar an die „Macht“. Dort ist sie eine metaphysische, bindende und allgegenwärtige Kraft, die die Ritter der Jedi und Sith gleichermaßen verwenden. Wie in der US-Kultserie, ist auch beim „Schwarzen Felsen“ noch nicht klar, zu welcher Macht der ehrgeizige und geschickte Vermögensverwalter mit Larry Fink an der Spitze gehört – zum Guten oder zum Bösen. Schon die Eingangsätze von Heike Buchters Buch über Blackrock beschwören das Mysterium: „Ein Imperium wie Blackrock hat es noch nie gegeben. Keine Regierung und keine Zentralbank haben diesen Einblick in die Wirtschaft. Niemand beherrscht so viel Kapital.“ 4,6 Billionen Dollar verwaltet der US-Riese in seinen Fonds. Das übersteigt das deutsche Bruttoinlandsprodukt um fast eine Billion Dollar.

Blackrock hat seine Fühler weltweit ausgestreckt. Auch in Deutschland. Viele der wichtigsten Unternehmen in der Bundesrepublik hat es fest im Griff. Das Blackrock-Reich hält Anteile an jedem Dax-Konzern, zudem an Hochtief und Bilfinger. Auch ist das Unternehmen Großaktionär bei den US-Großbanken und hält maßgebliche Anteile von Rüstungs- und Ölkonzernen. Auch an Apple oder McDonald‘s sind Blackrock-Fonds ebenso beteiligt wie am Agrarkonzern Monsanto.

Die Herren des weltweiten Geldes
Buchter, die deutsche Autorin, die als Wall-Street-Journalistin zu den wenigen gehört, die vor 2007 bereits die Finanzkrise vorhersagte, ist sich sicher: „Es gibt kaum eine wichtige Transaktion in der Wirtschaft, bei der die New Yorker Herren des Geldes nicht in irgendeiner Form dabei oder zumindest informiert sind.“ Ihr Buch, das sich wie ein Krimi im Doku-Format liest, ist das erste, das überhaupt über Blackrock geschrieben wurde. Das ist höchste Zeit. Denn Larry Finks Finanzkonzern hat sich unbemerkt und unbehelligt von Politik und Regulierung in kürzester Zeit zu einem Koloss entwickelt, der „die Macht hat, unser ganzes Wirtschaftssystem infrage zu stellen“ – und der eine Gefahr darstellt, die bisher kaum einer wahrgenommen hat.

Blackrock ist vor etwas mehr als zwei Jahrzehnten entstanden – ein Start-up, gegründet im Hinterzimmer der Privat-Equitiy-Gesellschaft Blackstone. Von deren Gründern Stephen Schwarzman und Pete Peterson erhielt Larry Fink 1988 eine Kreditlinie von fünf Millionen Dollar und eine Telefonleitung, beschreibt Buchter die Gründungsstunde – nach Wall-Street-Maßstäben alles nur „Kleingeld“. Aus dieser „Klitsche“ sei dann Blackrock entstanden – und zwar mit einem Erfolg, der selbst den Big-Bossen der Szene heute höchsten Respekt abverlangt und Larry Fink den Status des „absoluten Top-Dogs“ verliehen hat.

Alles nur geliehene Macht
Buchter ist vom kometenhaften Aufstieg des Konzerns durchaus fasziniert. In vielen Details beschreibt sie vor allem Gründer Fink, wie er sich in einem ausgezeichnet funktionierenden Netzwerk immer mehr Zugänge zu den wichtigsten Wirtschaftsbossen und Regierenden weltweit verschafft hat. Dass sich der durchaus geniale Fink, nicht frei von unermesslicher Eitelkeit, heute selbst als einer der Größten sieht, ist normal für Typen dieses Genres. Das hindert Buchter nicht daran, erst recht kritisch mit ihm umzugehen: „Blackrocks Macht ist eine geliehene Macht. Sie speist sich aus unserem Geld, dem Geld von Kleinsparern, Pensionären, den Finanzabteilungen von Unternehmen, den Prämien von Versicherungsnehmern und den Beiträgen privater Rentenversicherer, aus den Spenden für wohltätige Zwecke und den Abgaben von Steuerzahlern“, schreibt Buchter.
Das Blackrock-Imperium wirkt bedrohlich – auch wegen seiner Verstrickung in fast sämtliche Geschäfte weltweit: Egal ob deutsche Hersteller Auto produzieren, US-Unternehmen Medikamente vertreiben oder irgendwo in Afrika Gold abgebaut wird – immer profitieren auch Blackrock-Fonds. Buchter: „Niemand kann genau sagen, wo da Probleme auftreten könnten.“ Dadurch aber, dass sie an so vielen Stellen mitmischten, gebe es immer irgendwo auch einen Interessenskonflikt. „Auch kann ein Unternehmen Anleihen haben, die von Blackrock gehalten werden und gleichzeitig Aktien ausgegeben haben, die von Blackrock gehalten werden“, erklärt Buchter. Wer wolle sich schon mit einem der „größten und einflussreichsten Großaktionäre anlegen und gleichzeitig mit jemanden, der auch noch dein Gläubiger ist“.

Larry auf dem Pulverfass?
Nicht nur die gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Verantwortung von Blackrock ist gigantisch. Auch die moralische. Buchter wirft wichtige Fragen auf: Wie wird Blackrock seine Macht als Großaktionär der Welt nutzen? Welche Rolle spielen Mega-Manager künftig in unserer Welt? Ist der Aufstieg von Blackrock auch als Spiegel einer Gesellschaft zu deuten, die sich immer weniger als Solidargemeinschaft versteht? Oder ist Blackrock auch das Ergebnis eines großen Betruges?

Dass nun der US-Investor Carl Icahn Blackrock als extrem gefährliche“ Firma bezeichnet, kann Stimmungsmache, kann aber auch wahr sein. Icahn, selbst eine recht schillernde Figur an der Wall Street, begründete diese Einschätzung mit dem Übergewicht von börsennotierten Fonds-Produkten, die er als illiquide erachtet. „Sie verkaufen Liquidität. Aber es gibt keine Liquidität. Darum geht es. Und das ist es, was es in die Luft sprengen wird“, sagte Icahn über Blackrock. Larry Fink, der sich zum Zeitpunkt dieses Statements zusammen mit Icahn auf einer Podiumsdiskussion befand, nannte die Aussagen des Investors „total falsch“. Klar, was auch sonst.

Fazit
Ein absolut notwendiges Buch, höchst spannend und auch ein wenig beängstigend. Denn es gibt einen möglichen Blick frei auf eine nicht weit entfernte Zukunft, in der wir uns durchaus noch mehr von den Geldplänen und -machenschaften einiger weniger abhängig werden können, als wir es heute schon sind.

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