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Die Flüchtlinge erreichen den Arbeitsmarkt

Nach den hohen Flüchtlingszahlen des vergangenen Sommers hat sich die Situation in Deutschland nicht zuletzt durch die Schließung der Balkanroute deutlich beruhigt. Nun machen sich die ersten Flüchtlinge in den Arbeitsmarktstatistiken bemerkbar. Der Arbeitsmarkt braucht Rahmenbedingungen, die Integration fördern und nicht verhindern. Die Politik hat auf diesem Feld schon einiges bewegt und Zugangshürden abgebaut, nun muss der Praxistest erfolgen.

Erfreulich ist: Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hat deutlich zugenommen, von 36.167 auf 53.495 Beschäftigte Flüchtlingen aus den vier Hauptherkunftsländern Afghanistan, Eritrea, Irak und Syrien. Noch dynamischer hat sich allerdings die Arbeitslosigkeit in dieser Gruppe entwickelt und erreicht über 65 Prozent in dieser Ländergruppe. Studien zeigen jedoch, dass die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen langsamer verläuft als von anderen Zuwanderern.  Insofern können diese Daten auch so gedeutet werden, dass die Flüchtlinge nun zunehmend am Arbeitsmarkt ankommen und die Arbeitslosenquote in den kommenden Jahren wieder abnehmen sollte.

Eine erfolgreiche und zügige Etablierung der Flüchtlinge am deutschen Arbeitsmarkt ist nicht nur aus humanitärer, sondern auch aus wirtschaftlicher und fiskalischer Perspektive wichtig. Was aber kann die Politik noch tun, um die Chancen auf Arbeitsintegration der Flüchtlinge zu vergrößern?

Gerade im Verwaltungsbereich besteht noch großer Handlungsbedarf. So wurde der Personalbestand des für die Administration der Asylverfahren zuständigen Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zwar im letzten Jahr bereits deutlich aufgestockt, jedoch ist der Stand längst noch nicht zufriedenstellend. So müssen registrierte Flüchtlinge zum Teil immer noch Monate darauf warten, überhaupt einen Asylantrag stellen zu können, und wenn der Antrag gestellt ist, kann die Bearbeitung bei Fällen aus Herkunftsländern, aus denen nur einem Teil der Bewerber Schutz gewährt wird, weit über ein Jahr dauern. Auch beim Umgang mit abgelehnten Asylbewerbern gibt es häufig Schwierigkeiten, und das Instrument der Duldung wird je nach Ausländerbehörde sehr unterschiedlich eingesetzt. Gelänge es die Verfahrensdauern soweit zu reduzieren, dass zwischen Ankunft und Entscheidung über den Asylantrag maximal 3 bis 6 Monate vergehen, würden sich viele der aktuell diskutierten rechtlichen Fragen für Asylbewerber überhaupt nicht mehr stellen.

Auch aus Grund der Engpässe an entsprechend qualifiziertem Fachpersonal  ist davon aber nicht auszugehen, sodass der weitere institutionelle Rahmen so gestaltet werden muss, dass er auch mit sehr langen Verfahrensdauern kompatibel ist. Konkret bedeutet das, dass der Zugang von Flüchtlingen zu Arbeitsmarkt und Bildungssystem bereits während des Asylverfahrens gefördert werden muss.

Hierzu sollten zunächst die bestehenden rechtlichen Einschränkungen beim Arbeitsmarktzugang für Asylbewerber weiter abgebaut werden. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist die im Rahmen des Integrationsgesetzes geplante Aussetzung von Vorrangprüfung und Zeitarbeitsverbot. Allerdings sollte diese dauerhaft und vor allem überall in Deutschland erfolgen. Eine Beschränkung auf Arbeitsagenturbezirke mit günstiger Arbeitsmarktlage ist nicht sinnvoll, da Asylbewerber ihren Wohnort nicht selbst auswählen können und sich in Regionen mit ungünstiger Arbeitsmarktlage in der Regel besonders schwer tun, einen Einstieg in den Arbeitsmarkt zu finden, sodass dieser an sich gerade hier besonders gefördert werden müsste. Solch eine Förderung sollte grundsätzlich darauf hinwirken, dass die Asylbewerber möglichst schnell eine reguläre Erwerbstätigkeit aufnehmen.

Mit Blick auf die berufliche Ausbildung stellt die im Integrationsgesetz angedachte 3+2-Regelung (3 Jahr Duldung während der Ausbildung plus zwei Jahre Aufenthalt danach) einen gangbaren Weg dar, um für Ausbildungsbetrieb und Auszubildenden Planungssicherheit zu schaffen. Die Ausbildung von Flüchtlingen, auch wenn die notwendige Planungssicherheit gewährleistet ist, stellt insbesondere aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse eine besondere Herausforderung dar. Daher sind Maßnahmen der Ausbildungsförderung für Flüchtlinge besonders wichtig und sollten auch für Asylbewerber schnell zugänglich sein. Die im Integrationsgesetz geplante teilweise Öffnung der Instrumente der Bundesagentur für Arbeit ist hier ein richtiger Schritt, geht aber nicht weit genug und ist zu kompliziert geregelt.

Eine Teilhabe am Arbeitsmarkt und im Bildungssystem setzt Kenntnisse der deutschen Sprache voraus, sodass der Spracherwerb von entscheidender Bedeutung für den Erfolg der Integration ist. Vor diesem Hintergrund sind die bereits im letzten Jahr erfolgte Öffnung der Integrationskurse für Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive und die im Integrationsgesetz angedachte Möglichkeit, diese zur Teilnahme verpflichten zu können, sehr zu begrüßen. Allerdings scheint es nach derzeitigem Stand unwahrscheinlich, dass es zeitnah möglich sein wird, genügend Integrationskursplätze für alle Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive bereitzustellen. Die Politik ist hier also auch gefordert, die Infrastruktur zu verbessern. Zudem stellt sich die Frage nach dem Umgang mit Asylbewerbern, die nicht in die Kategorie „mit guter Bleibeperspektive“ fallen, gleichzeitig aber auch nicht aus sicheren Herkunftsländern kommen. Auch aus dieser Gruppe werden viele Flüchtlinge anerkannt. Jedoch sind die Verfahrensdauern aufgrund der Komplexität der Verfahren besonders hoch. Das bedeutet, dass ein Zugang zu Integrationsmaßnahmen bereits während des Asylverfahrens hier besonders wichtig wäre, um lange Unterbrechungen in der Erwerbs- und Bildungsbiografie zu vermeiden, die für den Integrationserfolg sehr schädlich sind. Gelingt es nicht, die Dauer der Asylverfahren deutlich zu reduzieren, sollten Berechtigung und mögliche Verpflichtung zur Teilnahme am Integrationskurs nicht nur für Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive sondern für alle Asylbewerber, die nicht aus sicheren Herkunftsländern stammen, gelten.

Letztendlich zeigen dabei aber Auswertungen des Arbeitsmarktes für Akademiker, dass gerade in den für die Integration von Flüchtlingen wichtigen akademischen Berufen in Deutschland in den letzten Monaten im Zuge der Flüchtlingsmigration Fachkräfteengpässe entstanden sind. Hier ist es daher auch wichtig, Maßnahmen zur Fachkräftesicherung umzusetzen, um die Infrastruktur zur Integration von Flüchtlingen zu stärken.

Eine weitere für die Integration relevante Maßnahme ist die mit dem Integrationsgesetz geplante Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge. Auch wenn sie nicht für Erwerbstätige und Personen in Ausbildung gelten würde, ist eine Wohnsitzauflage nicht unkritisch, da sie die Mobilität der Flüchtlinge und damit den Zugang zu sozialen Netzwerken, die ihre Integration fördern können, hemmt. Allerdings zeigen Untersuchungen, dass die anerkannten Flüchtlinge meist nicht in Regionen ziehen, wo ihre Arbeitsmarktperspektiven besonders gut sind, sondern in solche in denen sich bereits eine starke ethnische Community etabliert hat. Da die betreffenden Kommunen für einen großen Teil der Integrationsmaßnahmen aufkommen müssen und häufig nicht wirtschaftsstark sind, drohen sie bei den großen Flüchtlingszahlen überfordert zu werden. Daher kann eine Wohnsitzauflage in Kombination mit einem an Arbeitsmarktpotenzialen orientierten Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge ein richtiger Schritt zu besseren Integrationsperspektiven sein.

Dieser Beitrag basiert auf den Ergebnissen des INSM-Integrationsmonitor (Download der Studie, Pressemeldung, Factsheet), einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.

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