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Auf Kosten der Schwachen: Über die Wirkung des Mindestlohns

Neulich hat Gerd Maas in diesem Blog beschrieben, weshalb er dem Mindestlohn nichts abgewinnen kann. Die Argumente, die er anführt, wiegen schwer. Ein Mindestlohn ist weder sachgerecht noch fair, überdies greift er in unzulässiger Weise in die Freiheit ein. So überzeugend diese theoretischen Argumente sind, oft verhallen sie ungehört. Stattdessen werden die angeblichen sozialen Vorteile des Mindestlohns angeführt. Doch die scheinbaren Vorteile werden mit umso größeren Nachteilen an anderer Stelle erkauft. Das lässt sich nicht nur theoretisch zeigen.

Kürzlich bin ich auf ein ganz praktisches Beispiel für die Nachteile des Mindestlohns gestoßen. Wir waren verabredet, einen Nachmittag in der Wohnung einer Freundin herumzuwerkeln. Die Arbeit ging gut von der Hand, sodass wir spontan noch den einen oder anderen zusätzlichen Handgriff in Angriff nahmen. Unversehens war es Abend geworden und unsere Mägen hingen in den sprichwörtlichen Kniekehlen. Wegen des schönen Wetters haben wir den Pizzaservice nicht kommen lassen, sondern das nächstgelegene derartige Etablissement aufgesucht.

Was für eine Entdeckung! Hinter dem etwas seltsamen Namen Pizzatan verbirgt sich bestes Slowfood in Imbissgeschwindigkeit. Eine Caponata Siciliana zum Reinlegen, duftendes hausgemachtes Pesto, und sogar Dinkelpizza, die mehr als genießbar war. Der kleine Laden ist so geschmackvoll eingerichtet, dass man sein Essen viel lieber dort verzehren als mitnehmen möchte.

Inzwischen war es recht spät, wir waren die letzten Gäste und kamen mit der Inhaberin ins Gespräch. Neben dem Geheimnis ihrer Pizza (viel Sauerteig und wenig Hefe) erfuhren wir auch, dass sie beabsichtigt, ihren Laden zu schließen. Der Grund dafür: der Mindestlohn.

Das Konzept der Inhaberin – handwerkliche Küche, hausgemachte Saucen und Nudeln, sehr frische und hochwertige Zutaten – ist weder auf einen großen Umsatz noch auf schnelles Wachstum angelegt. Der Laden wirft nicht genug ab, um Angestellte oder Aushilfen zum Mindestlohn beschäftigen zu können. So bleibt nur die Variante, alles selbst zu schultern, was auf lange Sicht für die Inhaberin keine Perspektive ist.

Statt also Jobs für Geringqualifizierte, Aushilfstätigkeiten oder Gelegenheiten zum Wiedereinstieg ins Arbeitsleben anbieten zu können, wird der Laden vermutlich schließen. Für Arbeitssuchende bedeutet das: das Mindestlohngesetz führt dazu, dass sie statt wenig zu verdienen jedenfalls an dieser Stelle gar nichts verdienen können. Und weil die Hoffnung auf eine besser bezahlte Tätigkeit wohl nur für die wenigsten von ihnen in Erfüllung gehen dürfte, steht die Mehrheit von ihnen mit dem Mindestlohn schlechter da als ohne.

Um die Küche des kleinen Pizzaladens ist es schade. Ein vergleichbares Pesto ist schwer zu finden, und wo gibt es sonst Thunfischpizza mit Balsamico-Zwiebeln? Doch wenn tatsächlich ein Gutteil meiner Lebenszufriedenheit von diesen Produkten abhinge, dann bliebe mir immer noch die Alternative, sie selbst herzustellen. Das mag einige ungenießbare Versuche erfordern oder weniger bequem sein. Verglichen mit der Herausforderung, ohne einen Job auszukommen beziehungsweise sich selbst einen schaffen zu müssen – zumal dann, wenn man gering qualifiziert ist, oder chronisch krank, oder aus anderen Gründen nur eingeschränkt arbeiten will oder kann – ist das ein Kinderspiel.

Doch genau diese Situation, ohne Job auskommen zu müssen, sofern man nicht zufällig ein besonderes Talent dafür hat, sich einen Job zu „backen“, erzeugt der Mindestlohn. Es gibt weniger Jobs, und zwar ausgerechnet von denen Jobs, die bislang insbesondere jenen offenstanden, die nicht zu den besonders Gefragten am Arbeitsmarkt zählen. Im Klartext bedeutet das, dass der Mindestlohn einige Stärkere (das sind die, die nun etwas mehr verdienen) auf Kosten vieler Schwächerer (das sind alle, die nun keinen Job mehr haben beziehungsweise finden) besser stellt. Man kann das kurz und knapp unsozial nennen. Obendrein zu behaupten, dass der Mindestlohn im Interesse der nun dauerhaft Arbeits- und Perspektivlosen ist, ist aber nicht nur falsch und unsozial, es ist perfide.

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