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Der gescheite Irre am Rande des Liberalismus

1973 sorgte David D. Friedman mit seiner „Machinery of Freedom“ erstmals für Wirbel. Das Buch ist seitdem Kult. Seine Thesen, dass der Staat nicht in der Lage ist, für Sicherheit, Bildung, medizinische Versorgung und soziale Gerechtigkeit zu sorgen, hat vor allem in den USA großen Anklang gefunden. Jetzt wurde der Klassiker des Anarchokapitalisten wieder einmal neu aufgelegt. David D. Friedman: Das Räderwerk der Freiheit – für einen radikalen Kapitalismus, Lichtschlag Verlag, Grevenbroich 2016

1973 sorgte David D. Friedman mit seiner „Machinery of Freedom“ erstmals für Wirbel. Das Buch ist seitdem Kult. Seine Thesen, dass der Staat nicht in der Lage ist, für Sicherheit, Bildung, medizinische Versorgung und soziale Gerechtigkeit zu sorgen, hat vor allem in den USA großen Anklang gefunden. Jetzt wurde der Klassiker des Anarchokapitalisten wieder einmal neu aufgelegt.

Der Einleitungstext auf seiner kryptischen Homepage (www.daviddfriedman.com) sagt schon alles über David D. Friedman: „This is the home page of David Friedman. Not the Hawaiian artist David Friedman, or the composer David Friedman, or the fix-what’s-wrong-with- government David Friedman (050) or the fifteen year old David Friedman or the eighteen year old David Friedman or the legendary film pornographer David Friedman or even the economic journalist David Friedman but the anarchist-anachronist-economist David Friedman.” Der Mann ist ungewöhnlich, dazu wortreich, eloquent, bissig, unkonventionell, anarchisch, deftig und voller Humor. Studiert hat er die Rechtswissenschaften, doch seinen Fans und Kritikern gilt er als Anarchokapitalist, Atheist, Ökonom und Befürworter der Kryptowährung Bitcoin. Natürlich tritt er für einen freien Markt ein, für freiwillige Übereinkünfte und für eine von freiwilligen vertraglichen Bindungen beeinflusste Gesellschaft ohne staatliche Institutionen und Eingriffe.

Er selbst bezeichnet sich als eine Mischung aus „Adam-Smith-Liberaler“ und „Goldwater-Konservativer“ (nach Barry Morris Goldwater), und zudem als „Sprecher einer kleinen Bewegung, die sich Libertäre nennen“. In seinen Forderungen nach einem Rückzug des Staates aus der wirtschaftlichen Ordnung und dem gesellschaftlichen Leben geht er deutlich über die liberalen Theorien seines Vaters Milton Friedman hinaus. Sein Klassiker „The Machinery oft Freedom“ erschien erstmals vor 43  Jahren. Da war er 28 Jahre alt. 2014 kam in den USA die dritte Auflage auf den Markt, die nun als zweite erweiterte deutsche Auflage erschienen ist: „Das Räderwerk der Freiheit – für einen radikalen Kapitalismus“.

Für Drogenfreiheit und gegen Wohlfahrtsprogramme

Friedman hat die aktuelle Version um zwei weitere Buchteile ergänzt, in denen er seine Argumente aus einer Zeit, in der das Internet „in weiter Ferne lag und die libertäre Bewegung in den USA ihre Pubertät durchmachte (während die deutsche noch gar nicht geboren war), auf den neuesten Stand bringt“. Der Kern des „Räderwerks“ ist unberührt geblieben.

Friedman hält seine Thesen von damals für aktueller denn je. „Was passiert, wenn wir den Staat verkaufen?“, fragt er. Sollten wir ihn tatsächlich verkaufen, folgt für Friedmann nicht das von allen erwartete Chaos, sondern es eröffnet sich die Möglichkeit, eine tatsächlich freie und auch geordnete Gesellschaft entstehen zu lassen. Statt auf staatlichen Zwang setzt er auf freiwillige Vereinbarungen. Damals öffnete diese radikale Sicht für viele den Blick für Verkrustungen, die aufgrund der großen Staatsgläubigkeit stets für gegeben und unabänderlich gehalten wurden. Friedman entwirft Szenarien, wie staatliche Regelsysteme durch private Organisationen störungsfrei ersetzt werden können. Seine libertäre Gesellschaft kennt keine Verbote, kein Militär und keine Grenzen für Einwanderung. Drogen wären frei erhältlich, und eine allgemeine Anschnallpflicht im Auto gebe es auch nicht. Ebenso keine Polizei – denn innere und äußere Sicherheit müssten sich die Bürger bei privaten Sicherheitsagenturen kaufen. Gleichzeitig lehnt Friedman Wohlfahrtsprogramme ab, „die die Armen mit Geld unterstützen, das den Steuerzahlern gewaltsam abgenommen wurde“. Er stellt sich gegen Zölle, Subventionen,  Anleihegarantien, Stadtsanierungsprogramme und Agrarpreisstützungen – kurzum gegen „alle der noch sehr viel zahlreicheren Programme, die die Nicht-Armen – oft die Reichen – mit Geld unterstützen, das gewaltsam den Steuerzahlen abgenommen wurde – oft den Armen“.

Anarchie ist nicht Chaos

Schon damals war das schwerer Tobak selbst für wohl wollende Kritiker und auch deswegen bezeichneten manche die Philosophie des blitzgescheiten Friedman frotzelnd gerne als „lunatic fringe“ – als „irren Randbereich“ des Liberalismus. Sein Buch wurde und ist immer noch Kult. Sein bekannter Satz „Ein Anarchist ist keiner, der das Chaos befürwortet“ zeugt von seinem Verständnis für eine Gesellschaft, die die individuelle Freiheit als höchstes Gut preist und darauf setzt, dass der Anarchist, der das sogenannte Gewaltmonopol von Staat und Regierung ablehnt, lieber auf eine Ordnung baut, die die freien Entscheidungen freier Individuen anerkennt und fördert. Friedman fordert die „Renaissance“ des amerikanischen Hochschulsystems, er wünscht sich statt der Justiz und Gerichtsverfahren lieber Schlichter-Firmen, er stellt die Effektivität der Landesverteidigung in Frage und träumt von einer Gesellschaft, in der nicht den Machthungrigen die Macht zukommt, sondern den „schlauen Menschen“, die die Institutionen nicht für ihre Zwecke benutzen (eine schöne Utopie, und auch deswegen fügt Friedmann an: „Und die Flüsse werden bergauf fließen.“) Und schließlich für alle, die es immer noch nicht wissen, was für Friedman den Unterschied zwischen Regierung und Anarchie ausmacht – hier seine Antwort: „Eine Regierung ist eine Agentur des legitimierten Zwangs […] Eine Regierung ist eine Einrichtung, gegen die Leute die Verpflichtungsstrategien fallen gelassen haben, die verteidigen, was sie als ihre Rechte gegen andere Leute ansehen. Eine Anarchie ist eine Gesellschaft, in der es keine solche Einrichtung gibt.“

Fazit

Man muss David D. Friedmans freche Radikalität nicht mögen. Aber gerade das macht ihn lesenswert: „Ich mache mir gewöhnlich nicht die Mühe, Bücher zu lesen, die für etwas argumentieren, mit dem ich bereits übereinstimme“, schreibt Friedman in den Ergänzungen der aktuellen Ausgabe. Genau das ist es, warum es sich lohnt, sich auch das vorliegende Buch mal wieder vorzuknöpfen. Friedmans leichter und witziger Stil überzeugt nach wie vor und bleibt modern, seine temperamentvollen Ausführungen wirken immer noch wie ein Aufputschmittel. Die Wirkung – angesichts einer notwendig anderen Realität – verblasst zwar wieder, aber die Erinnerung daran bleibt. Glückwunsch zur Neuauflage!