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Wie sinnvoll ist die Volkswirtschaftslehre in der Praxis? – Eine Alltagserfahrung

Ein gängiges Klischee verwirft die Volkswirtschaftslehre als abgehoben, zu theoretisch und unrealistisch. Ihre Modelle seien selbstreferentielle Spielereien, die keinen Beitrag zur Lösung von Problemen außerhalb dieser Gedankenwelt leisten könnten. Am allerschlimmsten: zu viele Ökonominnen und Ökonomen stört diese Wirklichkeitsferne nicht einmal.

Wie die meisten Klischees enthält auch das von der abgehobenen Volkswirtschaftslehre ein Körnchen Wahrheit. Doch bei der Leidenschaft, mit der manche die Trendsportart Ökonomenbashing betreiben, wird gerne übersehen, dass diese Disziplin äußerst lebenspraktische Aspekte hat. Wenn wir ihre grundlegenden Einsichten berücksichtigen, können wir in sehr vielen Situationen besser handeln. Das gilt für private Entscheidungen – zum Beispiel die Frage, ob sich die Reparatur eines betagten Autos noch beziehungsweise wieder lohnt, das doch gerade erst in der Werkstatt war. Oder in der Politik, wo etwa die Frage von Freihandel vs. Protektionismus viel diskutiert wird – und damit zusammenhängend die Frage des grundsätzliche Nutzens von Liberalisierungen.

Ein schönes Beispiel für die praktische Anwendung grundlegender ökonomischer Einsichten ist mir kürzlich an einer Parkuhr in San Francisco begegnet. Die San Francisco Municipal Transportation Authority (SFMTA), die die Parkuhren betreibt, hat sich zum Ziel gesetzt, dass zu den meisten Zeiten in jedem Block ein freier Parkplatz verfügbar sein soll. Mit anderen Worten: Parken soll unter der Parkraumbewirtschaftung immer und überall möglich sein. Zugleich wünscht sich die SFMTA eine gute Parkplatzauslastung und die niedrigstmöglichen Preise. Das klingt erstens reichlich kompliziert und zweitens nach Wunschkonzert.

Dank der Berücksichtigung simpler Ökonomie kommt die SFMTA ihrem Ziel immer näher. Sie nutzt dazu ein System sehr differenzierter Preise, die überdies monatlich nach dem Prinzip des „demand-responsive pricing“ angepasst werden können, wenn die Parkraumnutzung nicht dem angestrebten Ideal entspricht. Wo viele Parkplätze frei bleiben, sinkt der Preis so lange, bis die Auslastung zufriedenstellend ist. Andersherum steigt der Preis in Gegenden, wo freie Parkplätze kaum zu finden sind (weitere Informationen und Details zur Preisanpassung, aber auch zu technischen Voraussetzungen dieses Projekts finden sich hier).

Daran, dass Parken in Innenstadtbereichen und in der Nähe großer Veranstaltungsorte teuer ist, ändert die SFMTA-Strategie natürlich nichts. Im Gegenteil, je größer die Nachfrage ist, desto höher steigt der Preis – dank der stetigen Anpassungsmöglichkeit und smarter Parkuhren wird dieser Anstieg auch nicht durch die träge Existenz eines einmal eingerichteten Parkscheinautomaten gebremst. Doch der Vorteil ist, dass auch die Chance, einen der begehrten Innenstadtparkplätze zu ergattern, steigt. Schöne neue Parkplatzwelt? Vielleicht. Denn gerade für den ökonomischen Alltagsverstand bleibt noch eine Frage: Wann wird sich die Anschaffung und Installation aller dieser schlauen Parkuhren und Parkplatzbelegungssensoren gerechnet haben?

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