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Deutschland braucht eine Bildungsoffensive!

Um Herausforderungen wie den demografischen Wandel oder die Digitalisierung zu bewältigen, braucht Deutschland eine Bildungsoffensive. Gute Bildung ist nicht kostenlos, doch wenn jährlich zusätzliche zwölf Milliarden Euro, kombiniert mit wettbewerblichen Rahmenbedingungen, zielgerichtet eingesetzt würden, könnten deutliche Verbesserungen erreicht werden.

Bildung war schon immer ein Wahlkampfthema. Auch bei dieser Bundestagswahl versuchen die Parteien, mit dem Thema Bildung die Wähler zu überzeugen. Lobenswert ist, dass nahezu alle Parteien das Problem der in Deutschland weiterhin nur unzureichend vorhandenen Aufstiegsmobilität für sich erkannt haben. Erfreulich ist auch, dass sich im Zeitraum 2004 bis 2013 große Anstrengungen zur Verbesserung der Bildung und damit der Chancengerechtigkeit unternommen wurden. Diese Dynamik hat allerdings in den vergangenen Jahren deutlich an Fahrt verloren – das zeigt unser jährlich durchgeführter Bildungsmonitor. Gerade angesichts der zukünftigen Herausforderungen wie der Digitalisierung, der Integration von Migranten oder dem demografischen Wandel kann sich Deutschland keinen Stillstand in der Bildung leisten. Notwendig wäre vielmehr eine neue Bildungsoffensive, die auf folgende Punkte abzielt:

  1. Die Durchlässigkeit muss weiter erhöht werden: Trotz Verbesserungen ist in Deutschland der Bildungsstand weiterhin eng mit dem sozialen Umfeld verknüpft. Um diesen Zusammenhang abzubauen, kommt der frühkindlichen Bildung eine wichtige Rolle zu. Für weitere Fortschritte ist es besonders wichtig, die Qualität der frühkindlichen Bildung zu stärken und Rahmenbedingungen für eine bessere Schulqualität zu setzen. Entscheidend ist außerdem, inwieweit die Integration von Flüchtlingen gelingt.
  2. Flüchtlingsintegration verbessern: Um vor allem Flüchtlinge zu qualifizieren, sind zusätzliche Maßnahmen in den Bereichen, Kita, Schule, Berufsvorbereitung und -ausbildung sowie Hochschule notwendig. Das bedeutet Mehrausgaben von 3,5 Milliarden. Der Nutzen dieser Anstrengungen dürfte mittelfristig die Kosten aber überkompensieren.
  3. Kita-Qualität stärken und zusätzliche Plätze schaffen: Der Ausbau von 100.000 zusätzlichen Kita-Plätzen wurde bereits beschlossen. Doch das reicht nicht! Weitere 100.000 sollten noch dazu kommen. Dazu sollte die Qualität der Kitas verbessert werden, indem beispielsweise der Betreuungsschlüssel verkleinert wird. Für diese Maßnahmen wären zusätzlich jährlich fünf Milliarden Euro notwendig.
  4. Schulfrieden schaffen: Die Verkürzung der Gymnasialzeit auf acht Jahre ist richtig. Eine Rückabwicklung auf G9 würde mit hohen Kosten einhergehen. Statt einer weitere Bildungszeitdiskussion sollte darüber nachgedacht werden, wie die Schulqualität weiter verbessert werden kann. Auch bzgl. der Schulformen sollte Schulfrieden geschaffen werden, damit keine Kraft in Strukturdebatten verloren geht.
  5. Qualität für Digitalisierung in Schulen sichern: Mit fünf Milliarden Euro will die Bundesregierung die digitale Infrastruktur an Schulen in den kommenden Jahren stärken. Gut so! Entscheidend wird aber sein, dass digitale Medien im Unterricht als Lehrmittel richtig eingesetzt werden. Dazu müssen Konzepte noch erarbeitet und Lehrer entsprechend qualifiziert werden.
  6. Rahmenbedingungen für gute Schulen schaffen: Gute Bildungspolitik heißt nicht immer nur mehr Geld. Auf Anreize kommt es an. Wettbewerb unter den Schulen würde die Schulqualität deutlich verbessern. Dazu braucht es vergleichbare Bildungsstandards, Vergleichsarbeiten und im Gegenzug mehr Autonomie für die Schulen, um Impulse für einen Qualitätswettbewerb setzen zu können.
  7. Berufsorientierung stärken: Schon heute sind die Lohnprämien von beruflich qualifizierten Personen in technischen Berufen etwa so hoch wie die Lohnprämien von Akademikern in einer Reihe von Fachrichtungen. Wichtig ist daher eine Stärkung der Berufsorientierung an allen Schulformen der Sekundarstufe, um auch über Einkommens- und Karriereperspektiven der beruflichen Bildungswege zu informieren. Aufstiegsfortbildung und duale Studiengänge sind dabei wichtige Bildungswege. Viele Initiativen von Politik und Wirtschaft haben geholfen, zusätzliche junge Menschen für ein Studium in den MINT-Fächern zu gewinnen. Diese Anstrengungen sind auszubauen durch die Stärkung des Technikunterrichts und von MINT-Profilen der Schulen. Daneben gilt es, die hohen Studienabbruchquoten deutlich zu senken und Personen, die das Studium ohne Abschluss beenden, Alternativwege aufzuzeigen.
  8. Kapazitäten für Zuwanderung über das Bildungssystem schaffen: Die Zuwanderung über das Bildungssystem stellt den Königsweg der Zuwanderung dar. Die Hälfte der Absolventen bleibt in Deutschland, sie sind zu einem hohen Anteil erwerbstätig und arbeiten häufig als Experten in Engpassberufen. Deshalb sollten zusätzliche Hochschulkapazitäten für 100.000 ausländische Studenten geschaffen werden. Die Kosten hierfür beliefen sich auf 800 Millionen Euro.
  9. Arbeitsplatzbezogene Grundbildung stärken: Lesen und Schreiben ist die Grundvoraussetzung für eine gesellschaftliche Teilhabe. Die von Bund und Ländern ausgerufene Dekade der Alphabetisierung bietet große Chancen, die Lese- und Schreibfähigkeiten von Erwachsenen zu verbessern. Die Digitalisierung der Wirtschaft wird zwar nicht zu einem Wegfall einfacher Arbeit führen, aber die Anforderungen an kommunikative Kompetenzen deutlich erhöhen. Hierzu ist auch eine Stärkung arbeitsplatzbezogener Grundbildung dringend nötig, um die Potenziale der Geringqualifizierten zu stärken und ihre Chancen am Arbeitsmarkt zu verbessern.
  10. Bildungsfinanzierung vom Kopf auf die Füße stellen: Aus bildungsökonomischer Sicht sollte der Anteil der öffentlichen Bildungsfinanzierung in den frühen Stufen des Bildungssystems höher sein als in marktnahen späteren Stufen. Denn neben dem individuellen Nutzen profitiert von frühkindlicher Bildung auch die Gesellschaft sehr stark. Zum einen wird durch frühkindliche Bildung die gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnung stabilisiert, zum anderen erhöht sich die Durchlässigkeit. Darüber hinaus wird durch die frühe Kompetenzvermittlung die spätere – und teure – Nachqualifizierung ebenso reduziert wie die Wahrscheinlichkeit, dass Schüler Klassen wiederholen müssen oder die Schule abbrechen. Dies hat positive Auswirkungen auf das Berufsleben, den Arbeitsmarkt und die sozialen Sicherungssysteme.

Es geht bei der Bildungsoffensive nicht darum, Ausgaben für Bildung pauschal zu erhöhen. Mehr Geld führt nicht automatisch zu höherer Bildungsqualität. Wichtig ist, durch eine Mischung aus Anreizen und zielgenauen Investitionen in Integration, frühkindliche Förderung, Ganztagsschulen und Hochschulkapazitäten die Qualität zu stärken. Für diese Agenda wäre eine Ausweitung der Bildungsausgaben um jährlich zwölf Milliarden Euro notwendig. Geld, das gut angelegt wäre und am Ende allen zugutekäme.

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