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Soli abschaffen!

Der Solidaritätszuschlag soll abgeschafft werden, hieß es nach den Jamaika-Sondierungsgesprächen vergangene Woche. Aber sicher ist das noch lange nicht. Dabei hätten die Steuerzahler eine Entlastung mehr als verdient.

Der Solidaritätszuschlag wurde im Jahr 1991 (befristet für den Zeitraum Juli 1991 bis Juni 1992) eingeführt. Der Bund wollte die einmaligen Kosten für die Beteiligung am Golfkrieg und die Kosten für den Aufbau Ost (Infrastrukturausgaben, Sozialleistungen, Investitionsförderung, etc.) nicht nur durch Verschuldung, sondern auch durch zusätzliche Einnahmen finanzieren. Im Jahr 1995 wurde der Solidaritätszuschlag angesichts der hohen Kosten der Einheit wieder eingeführt, diesmal ohne festes Auslaufdatum. Der Satz betrug bis zum Jahr 1997 7,5 Prozent der Einkommensteuer- und der Körperschaftsteuerschuld, mit Wirkung ab dem Jahr 1998 wurde er auf Betreiben der FDP auf 5,5 Prozent gesenkt.

Der Name „Solidaritätszuschlag“ ist ein Euphemismus. Die Einnahmen, die der Solidaritätszuschlag bringt, waren und sind nicht zweckgebunden. Mehr noch: Unter dem Gesichtspunkt „Solidarität“ ist der Solidaritätszuschlag ein eigenartiges Konstrukt. Geringverdiener im Westen zahlen nicht, dürfen also offenbar unsolidarisch sein. Bezieher ausreichend hoher Einkommen im Osten zahlen, sind also offenbar solidarisch mit sich selbst. Angesichts der Wanderungen vom Westen in den Osten und umgekehrt vom Osten in den Westen ist letztlich völlig unklar, wer Solidarität gegenüber wem zeigt. Tatsächlich ist der Solidaritätszuschlag eine Steuer, deren Aufkommen (wie zum Beispiel das der Tabaksteuer) dem Bund zu 100 Prozent zufließt. Der Zuschlag auf die Körperschaftsteuer wird bei der folgenden Argumentation vernachlässigt.

Das gesamte Steueraufkommen ist in den vergangenen Jahren kräftig gestiegen, und es wird nach der amtlichen Steuerschätzung vom Mai 2017 weiter deutlich zunehmen. Im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt (Steuerquote) wird es bei gegebenem Steuerrecht im Jahr 2021 wohl um 0,6 Prozentpunkte höher sein als im Jahr 2017. Eine deutliche Steuersenkung ist nötig.

Die kräftige Zunahme des Steueraufkommens in den vergangenen und in den kommenden Jahren beruht im Kern auf heimlichen Steuererhöhungen. Das Einkommensteuerrecht führt dazu, dass der durchschnittliche Steuersatz mit steigendem Nominaleinkommen zunimmt. Zwei Gründe dafür gibt es: Bestimmte Beträge, die (wie zum Beispiel der Arbeitnehmerpauschbetrag oder der Entlastungsfreibetrag für Alleinerziehende) bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens abgesetzt werden dürfen, sind fest, steigen also mit zunehmendem Einkommen nicht. Und: Der Einkommensteuertarif ist progressiv gestaltet. Heimliche Steuererhöhungen entstehen bei einer Zunahme des Preisniveaus, aber auch bei stabilem Preisniveau, wenn die Realeinkommen steigen. Der inflationsbedingte Teil der heimlichen Steuererhöhungen wird unter der Überschrift „kalte Progression“ oft diskutiert und als problematisch erachtet. Der andere Teil wird dagegen oft übersehen.

Die heimlichen Einkommensteuererhöhungen sind in den vergangenen Jahren unsystematisch und unzureichend korrigiert worden. Ein Beispiel: Ein lediger Arbeitnehmer mit mittlerem Bruttolohn wird im Jahr 2017 durch die Lohnsteuer – trotz einiger Korrekturen des Einkommensteuerrechts – um 0,8 Prozentpunkte höher als im Jahr 2010 belastet.

Die unzureichende Korrektur des Einkommensteuerrechts hat zur Folge, dass die Leistungsanreize für viele Steuerpflichtige und die Investitionsanreize für einkommensteuerpflichtige Unternehmen stärker als vor einigen Jahren beeinträchtigt werden.

Es liegt daher nahe, die Steuerpflichtigen durch eine Indexierung des Tarifs und der fixen Abzugsbeträge bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens nicht überproportional im Vergleich zum Anstieg der Einkommen im Durchschnitt zu belasten.

Eine Indexierung würde freilich im Bundesrat auf Widerstand stoßen (wenngleich wegen des Regierungswechsels in einigen Ländern weniger als vor einigen Jahren). Die Länder erhalten 42,5 Prozent des Einkommensteueraufkommens, die Gemeinden 15 Prozent. Viele Länder sähen bei einer Verringerung ihres Steueraufkommens wohl Schwierigkeiten, den Vorgaben der Schuldenbremse gerecht zu werden.

Unter diesen Umständen erscheint es sinnvoll, den Solidaritätszuschlag abzuschaffen, und zwar mit Wirkung ab dem Jahr 2019. Widerstand der Länder wäre nicht zu erwarten, denn eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags würde Mindereinnahmen nur für den Bund bringen. Sie beliefen sich auf rund 19 Milliarden Euro (5,9 Prozent der Steuereinnahmen des Bundes).

Eine Abschaffung des Soli würde alle Einkommensteuerpflichtigen – abgesehen von denen in dem Einkommensbereich, in dem der Satz des Solidaritätszuschlags allmählich auf 5,5 Prozent steigt – in relativ gleichem Maße entlasten, nämlich um 5,21 Prozent der Summe aus Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag. Die Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen würden infolge der Abschaffung des Solidaritätszuschlags weniger entlastet, als bei gegebenem Einkommensteuerecht (wegen des starken Anstiegs der Grenzsteuersätze in den relevanten Bereichen des Einkommensteuertarifs). Die Bezieher höherer Einkommen würden stärker entlastet, als sie (wegen des schwachen Anstiegs der Grenzsteuersätze) bei unverändertem Einkommensteuerrecht belastet werden. Dies wäre insofern folgerichtig, als bei Einführung des Solidaritätszuschlags beabsichtigt gewesen war, die Bezieher höherer Einkommen stärker zur Finanzierung der deutschen Einheit heranzuziehen als die niedrigerer und mittlerer Einkommen.

Zu bedenken ist auch, dass die einkommensteuerpolitischen Maßnahmen der vergangenen Jahre die Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen relativ stärker entlastet haben. So wurde der Grundfreibetrag mehrmals erhöht. Dies hatte eine absolut gleiche Entlastung aller Einkommensteuerpflichtigen zur Folge, also eine Entlastung, die mit steigendem Einkommen relativ abnimmt. Auch die sonstigen Änderungen des Einkommensteuertarifs hatten diesen Effekt.

Gegen die Abschaffung des Solidaritätszuschlags lässt sich einwenden, dass sie konjunkturpolitisch problematisch wäre. Die Abschaffung bedeutete nämlich für sich genommen, dass der Budgetsaldo des Staates geringer als sonst ausfiele und dass der ohnehin sehr kräftige Konjunkturaufschwung verstärkt würde. Aber: Wird der Solidaritätszuschlag im Hinblick auf diese Konsequenz nicht abgeschafft, dann gibt es wohl Mehrausgaben, die konjunkturell expansiv wirken. Die Erfahrung zeigt: „Kasse macht sinnlich!“ Das Argument, die Abschaffung des Solidaritätszuschlags sei aus konjunkturpolitischer Sicht nicht zu empfehlen, zieht also nicht.

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