ÖkonomikTagged ,

Die kriminelle Parallelwirtschaft im Netz

Im sogenannten Darknet ist innerhalb weniger Jahre eine fast grenzenlose Parallelwirtschaft entstanden. In den anonymen Shops des Darknet gibt es von Drogen über Medikamente bis Falschgeld und Waffen alles zu kaufen. Laut Europol beträgt der Schaden durch Kriminalität im Darknet pro Jahr 300 Milliarden US-Dollar. Höchste Zeit, mehr über die dunklen Machenschaften zu erfahren. Otto Hostettler: Darknet – die Schattenwelt des Internets, Frankfurter Allgemeine Buch/NZZ Libro, Zürich 2017

Wenn man das Internet mit einem Meer vergleicht, bewegen wir uns mit Google, Facebook und Co. nur an der Oberfläche – dort, wo sich die Schaumkronen leicht kräuseln. Der Journalist Otto Hostettler hat nun mit „Darknet – die Schattenwelt des Internets“ ein Werk herausgebracht, das sich mit der dunklen Seite des Internets beschäftigt – ein Aufklärungsbuch für die Öffentlichkeit. Ob Drogen, Frauenhandel, Medikamente, Falschgeld, Geldwäsche oder Waffen – im Darknet wird alles gehandelt, was hohe Profite abwirft. Der Schaden, den der Handel im Darknet jährlich der Weltwirtschaft zufügt, ist gigantisch: Laut Europol liegt er bei 300 Milliarden US-Dollar.

 

Doch was ist das Darknet und wo findet man es? Unter dem Begriff „Internet“ versteht man zunächst einmal alle online gestellten Inhalte. Dem statistischen Online-Auswertungsdienst „Internet Live Stats“ zufolge gibt es rund eine Milliarde Webseiten. Fachleute sind sich allerdings einig, dass der allergrößte Teil der weltweit ins Netz gestellten Seiten mit einer Google-Suchmaschine nicht gefunden wird. Europol schätzt, dass gerade mal vier Prozent aller existierenden Webseiten von Suchmaschinen indexiert und damit für die gesamte Öffentlichkeit sichtbar sind. Unter die nicht auffindbaren Seiten fallen allerdings auch viele Seiten mit Passwortschranken von Verwaltungen, Bibliotheken, Universitäten und Datenbanken.

Die Unterseite des Eisberges

Unter dem Begriff „Darknet“ oder „Darkweb“ versteht man nun sogenannte “hidden Services”, die aufgrund der Struktur ihrer Domainnamen lediglich mit dem „Tor“-Browser auffindbar sind. Manche Darknet-Poeten sprechen auch vom Darknet als der „Unterseite des im Meer schwimmenden Eisbergs“. „Tor“ verschleiert die IP-Adresse, indem die Datenpakete mehrfach umhüllt oder über drei Stationen weitergereicht werden. Knapp drei Millionen Internet-User nutzen täglich diese Software, die ursprünglich für das amerikanische Verteidigungsministerium entwickelt wurde und alle Daten so verschlüsselt, dass nicht mehr feststellbar ist, welcher Computer gerade welche Inhalte abruft.

Im Englischen ist das Darknet auch mit dem Namen Onionland bekannt: Die Zwiebel symbolisiert die schichtartige Verschlüsselung. Das Darknet ist nun wiederum ein Teil des Deeb Web, das eine ganz andere Dimension hat. Es gibt Schätzungen, wonach das Deeb Web etwa 500 Mal größer sein soll als das World Wide Web.

Im Darknet bietet eine rapide wachsende Zahl Händler einer weltweiten Kundschaft eine schier unglaubliche Palette von illegalen Waren und Dienstleistungen an. Ihre Onlineshops sind so geschickt gebaut wie Amazon, Zalando oder Ebay. In dieser ökonomischen Welt werden täglich 300.000 bis 500.000 Dollar für illegale Produkte auf verschiedenen „Marktplätzen“ ausgegeben. Viele dieser  Plattformen tauchen auf und verschwinden recht schnell wieder. Die Volatilität ist groß. Wie viele Marktplätze aktuell Waren und Dienstleistungen anbieten, ist nicht bekannt – Schätzungen gehen von 40.000 aus, mit zahlreichen Angeboten wie „Financial Services“, „Hacking“ oder „Drugs“. Die Internet-Adressen der Marktplätze bestehen aus kryptischen Zahlen- und Buchstabenkolonnen. Adressen im Darknet werden nicht direkt angesteuert, sondern über andere Netzwerk-Nutzer umgeleitet. So wird jede Identität verschleiert.

Bitte ein Bitcoin

Die Angebote im Darknet boomen. Vor allem wächst die Nachfrage an Drogen und Medikamenten – zuletzt waren über 202.000 Angebote online. Jeder Marktplatz führt zudem ein umfangreiches Forum. Hier tauschen sich Händler und Nutzer zu allgemeinen Fragen aus, warnen sich vor betrügerischen Markteilnehmern und erörtern technische Probleme. Denn die Gefahr, im Darknet auf Täuscher hereinzufallen, ist durchaus groß. Die amerikanische Nichtregierungsorganisation „Rand“ vermutet, dass 30 Prozent aller Darknet-Verkäufer Betrüger sind.

Bezahlt wird im Darknet mit Bitcoins, die Kryptowährung, die weder durch die Regierung noch durch eine zentrale Organisation kontrolliert oder reguliert werden kann. Bitcoins kann man auf Online-Plattformen kaufen (Kurs 6. September 2017: ein Bitcoin = 3.864 Euro). Auch einige Banken führen solche Börsen. Um eine Transaktion auszulösen, benötigt man die Bitcoin-Adresse des Geldempfängers. Erst wenn dann der Verifizierungsprozess durch das Netzwerk erfolgt ist, wird die Transaktion abgeschlossen. Die digitale Zahlenreihe als Gegenwert des Geldes wird dem Empfänger gutgeschrieben. Die Transaktion wird verschlüsselt in ein öffentliches Buchungssystem eingegeben (Blockchain). Danach beginnt ein komplexer kryptografischer Verifizierungsprozess. So wird sichergestellt, dass die Währungseinheiten nicht zwei Mal ausgegeben werden.

Besser als sein Ruf

Nicht nur Cyberkriminelle, die Syndikate der organisierten Kriminalität und Händler illegaler Produkte nutzen das Darknet. Es gibt durchaus eine gute Seite: Auch Regierungskritiker, Journalisten, Dissidenten, Whistleblower oder Geheimdienste, die aus nachvollziehbaren Gründen anonym bleiben und ihren Standort verschleiern wollen, bewegen sich im dunklen Netz. Neuesten Forschungserkenntnissen zufolge ist die Bedeutung des Darknet mit seinen illegalen Angeboten geringer, als viele denken, schreibt die Berliner Zeitung: Selbst unter Webseiten, die sich nur mit dem „Tor“-Browser aufrufen lassen und alle auf die Endung „onion“ enden, finden sich viele Webseiten aus berechtigten Gründen. Diese „hidden services“ – also versteckte Angebote – schützen nämlich vor Zensur. Facebook beispielsweise betreibt angeblich einen der größten „hidden services“. Das soziale Netzwerk umgeht so die Zensurbestimmungen mancher Regierungen. Nutzer aus diesen Ländern können den Dienst dank des Parallelnetzes dennoch nutzen.

Fazit

Dass das Darknet nicht nur kriminellen Machenschaften dient, mag ein Hinweis, aber keine Beruhigung sein. Sicherlich sind einige Mythen über das Darknet übertrieben, dass beispielsweise Auftragsmörder an jeder Ecke ihre Dienste anbieten, Drogen wie aus dem Kaugummiautomaten bestellt werden können, und es ständig zugeht wie auf einer Pirateninsel. Dennoch ist Vorsicht geboten. Hostettlers Buch bietet die passende Aufklärung. Jeder User sollte sich über die Existenz des Darknet viel stärker als bisher bewusst werden und die Herausforderungen, die es mit sich bringt, kennen.

Keinen Ökonomen-Blog-Post mehr verpassen? Folgen Sie uns auf Facebook und Twitter, und abonnieren Sie unseren WhatsApp-Nachrichtenkanal oder unseren RSS-Feed.