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Zwischenruf aus der Praxis: Der relevante Markt für die Entscheidungen der Politik

Politik ist im Grundsatz ähnlich wie ein Gütermarkt. Entscheidungen, die am Markt vorbeigehen, werden von den Nachfragern sanktioniert. Im Falle Deutschlands stellt sich die Frage, ob die Bundesregierung den „relevanten Markt“ richtig analysiert hat.

Wenn Unternehmen ihre Strategie festlegen, ist als Erstes auf die Frage zu antworten, was im Wettbewerb ihr relevanter Markt ist. Wer sind die Konkurrenten, welche Regeln gelten und welche Effekte wirken? Welche Produkte und Dienstleistungen kon­kur­rie­ren? Dies gilt für den Absatzmarkt, aber gleichermaßen für die Märkte für die Be­schaffung von Materialien und für die Rekrutierung von Mitarbeitern. Nur wenn ein Unter­nehmen die relevanten Märkte kennt, kann es zielgerichtet agieren.

Im Grundsatz ist das in der Politik nicht anders. Eine Regierung muss überlegen, welche Wir­kungen ihre politischen Entscheidungen haben und wie die Entscheidun­gen anderer Länder auf ihr Land wirken. Andernfalls wird sie falsche Entscheidungen treffen. Im Falle Deutsch­lands stellt sich die Frage, ob die neue Bundesregierung diesen „rele­van­ten Markt“ systematisch identifiziert und zur Grundlage ihrer Entscheidungen macht. Dieses Vorgehen ist zweckmäßig für die Politik als Ganzes und für viele Politikbereiche, etwa den Umweltschutz, die Außen- und Sicher­heitspolitik, die Wirtschafts- und Finanz­politik und anderes mehr.

Die Gesamtheit der politischen Entscheidungen der Bundesregierung kann man als „Ange­bot“ an die Bürger Deutschlands verstehen, wie diese ihr Leben gestalten kön­nen. Wenn jetzt die Regierung ein sehr unattraktives „Angebot“ macht und der  „relevante Markt“ allein Deutschland umfasst, weil das Land „abgeriegelt“ ist, die Bürger also das Land nicht ver­lassen dürfen, hat dies in diesem Sinn keinen negativen Effekt. Wenn das Land aber offen ist und der relevante Markt die gesamte EU ist und andere Staaten umfasst, dann können die Bürger auf das schlechte „Angebot“ reagieren und das Land ver­lassen, beziehungsweise ausländische Personen können daraufhin entscheiden, nicht nach Deutschland zu kommen. Seit etlichen Jahren hat Deutschland eine Netto-Auswanderung an Akademikern. Also wird der „relevante Markt“ offenbar nicht erfolgreich bearbeitet.

Ein Fall aus dem Umweltschutz: In der EU besteht für die Stromerzeugung und einige Indus­triebranchen ein Handel mit Verschmutzungsrechten, den CO2-Emissionszertifi­ka­ten. Dabei definiert die EU einen maximalen erlaubten Ausstoß an CO2, der Jahr für Jahr um 1,7 % redu­ziert wird; die Verschmutzungsrechte können gehandelt werden. Deutschland hat zu­sätz­lich bei den Erneuerbaren Ener­gi­en ein staatlich gesteuertes System etabliert, das Betrei­bern von Photovoltaik und Windkraft auf 20 Jahre Subventionen garantiert, wofür die Strom­­­kun­den über 25 Mrd. im Jahr zahlen müssen. Alle – extrem teuer erkauften – positiven CO2-Re­duzierungs­effekte des EEG-Systems in Deutschland verpuffen allerdings im EU-Emissions­handel. Das bedeutet, dass die deutsche Regierung hier – wissentlich – den fal­schen „rele­vanten Markt“, nämlich Deutschland definier – der richtige wäre die EU –  mit der Folge, dass extrem viel Geld ausgegeben wird, der CO2-Ausstoß aber nicht sinkt.

Auch andere Effekte sind beim Umweltschutz zu beachten. Nehmen wir den Fall, dass ein deutscher Autozulieferer bei einem energieintensiven Produkt wie einem Aluminium-Druck­gussteil wegen staatlich in die Höhe getriebener Energiekosten nicht mehr wett­be­werbs­­fähig ist. Sein Kunde kauft nicht national, sondern international ein. Er wird folglich seine Ge­häuse in Zukunft nicht mehr beim deutschen Zulieferer beziehen, sondern bei einem Her­stel­­ler aus einem Land, in dem die Energiekosten niedriger sind als in Deutsch­land. Effekt Nr. 1 ist, dass die Wertschöpfung und die Arbeitsplätze der Gehäuseproduktion in Deutschland verloren gehen und ins Ausland abwandern. Effekt Nr. 2 kann sein, dass der ausländische Zulieferer wegen der niedrigeren Energiekosten einen im Vergleich zu Deutsch­land energie­intensiveren Prozess anwendet und dass dann die Entscheidung der Bundesregierung nicht nur keine CO2-Reduzierung bewirkt, sondern sogar eine Erhöhung des CO2-Ausstoßes.

Ein Beispiel aus der Finanzpolitik: Vor den Verhand­lungen zur neuen CDU/SPD-Koalition be­schloss US-Präsi­dent Trump eine Steuerreform, mit der die Steuern auf die Unterneh­mens­gewinne in den USA von 35 % auf 20 % gesenkt werden. Es ist klar, dass dies erhebliche Aus­wirkungen auf die deut­sche Wirt­schaft haben wird, die 30 % Steuern zu zahlenhat. Doch die US-Steuerreform spielte in den CDU/SPD-Verhandlungen keine Rolle. Offenkundig gehören die USA auf dem Gebiet des internationalen Steuerwettbewerbs für die CDU/SPD-Regierung  nicht zum „relevanten Markt“.

Die Beispiele zeigen – und es ließen sich viele weitere anführen – dass die Bundesregierung, ob bewusst oder unbewusst, die Frage, welches der relevante Markt für ihre Entscheidungen ist, nicht angemessen beantwortet.

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