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Gender Pay Gap: Noch immer geht die Debatte um die Lohnlücke am Problem vorbei

Wie groß die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern ist, wird breit diskutiert. Jetzt ist es Zeit, daraus die richtigen Konsequenzen zu ziehen.

Alle Jahre wieder wird der Equal Pay Day begangen, um auf die vermeintliche Benachteiligung von Frauen beim Verdienst hinzuweisen. Dieses Jahr war es der 18. März. Angeblich hätten Frauen so viel länger arbeiten müssen, um das gleiche Entgelt wie ein männlicher Arbeitskollege zu erhalten.

Dies ist gleich aus zwei Gründen falsch: Einerseits stimmt die Berechnung grundsätzlich nicht. Basierend auf den 21 Prozent Gehaltsunterschied, die das Statistische Bundesamt festgestellt hat (früher waren es mal 23 Prozent), müssten Frauen eben nicht 21 Prozent länger arbeiten, sondern circa 27 Prozent, um auf den gleichen Verdienst zu kommen. Andererseits verdienen Frauen nur unbereinigt 21 Prozent weniger als Männer; also bleiben Unterschiede bezüglich Erwerbserfahrung, -umfang, beruflicher Stellung, Branche, Betriebsgröße usw. unberücksichtigt. Auf dieser unbereinigten Lohnlücke basiert die Berechnung des Equal Pay Day – und vergleicht damit Äpfel mit Birnen.

Nach Berücksichtigung von Faktoren wie Erwerbserfahrung, Erwerbsumfang, beruflicher Stellung, Branche, Betriebsgröße, Bildung und Beruf sind es nämlich nur noch 2,3 Prozent Lohndifferenz, die derzeit nicht erklärt werden können. So lassen sich zum Beispiel gut fünf Prozentpunkte der Lohnlücke durch eine geringere Erwerbserfahrung und fast vier Prozentpunkte durch einen geringeren Erwerbsumfang erklären. Nach Berücksichtigung weiterer Faktoren bleibt dann noch eine bereinigte Lohnlücke von 2,3 Prozent, welche letztlich statische Zwillinge vergleicht, also Männer und Frauen, die bezüglich der genannten Eigenschaften die gleichen Werte aufweisen.

Wären diese 2,3 Prozent tatsächlich auf das Geschlecht zurückzuführen, wäre dies noch immer eine Ungerechtigkeit, gegen die auch ich protestieren würde. Dies würde auch bedeuten, dass Arbeitnehmervertreter massiv in ihrer Aufsichtsfunktion versagt hätten. Die oben verlinkte Studie berücksichtigt einige Variablen jedoch nicht. Diese Variablen könnten die verbliebene – noch unerklärte – Differenz von 2,3 Prozent erklären:

  • Frauen achten bei der Arbeitswahl stärker auf weichere Faktoren (zum Beispiel Kinderbetreuung am Arbeitsplatz), wohingegen Männer sehr stark auf die eigentliche Lohnhöhe achten
  • Männer investieren mehr Zeit und Geld in Weiterbildung als Frauen
  • Männer machen mehr Überstunden als Frauen
  • Männer betreiben mehr Networking als Frauen

Diese Sachverhalte könnten möglicherweise die restlichen 2,3 Prozent Differenz erklären oder einen Teil davon oder theoretisch sogar mehr (was potenziell bedeuten könnte, dass Männer  benachteiligt werden). Sollte hier weiterhin eine Diskriminierung eines Geschlechts bestehen, so wäre es durchaus gerechtfertigt, dagegen vorzugehen. Inwiefern die genannten Faktoren die unerklärte Lohnlücke weiter verkleinern können, kann wohl erst zukünftige Forschung zeigen.

So weit, so weitgehend bekannt. Aber obwohl die hier dargestellten Fakten mittlerweile allgemein bekannt sein dürften, nutzen immer noch viele Politiker oder Journalisten die unbereinigten Daten, um Unfrieden zwischen Frauen und Männern zu stiften oder zumindest den Sachverhalt unsachgemäß zu dramatisieren. Eine völlig unnötige Konfrontation.

Deshalb ist Transparenz wichtig. Ein geringeres Gehalt ist oft auf die Wahl des Studienfachs, der Branche oder der fachlichen Funktion zurückzuführen. Schülerinnen und Schüler sollten frühzeitig auf diese Sachverhalte aufmerksam gemacht werden, damit sie diese bei ihrer Berufswahl berücksichtigen können. Dies könnte während des Studiums oder der Ausbildung nochmals wiederholt werden. Der Transparenz, um den jungen Menschen eine bessere Entscheidungsgrundlage zu geben, ist der Vorzug zu geben vor unnötigen staatlichen Eingriffen.

Meiner Meinung nach der wichtigste Punkt in der Debatte ist die Kinderbetreuung. Schauen wir uns mal einige Faktoren an: Erwerbserfahrung, Erwerbsumfang, Überstunden, Weiterbildung, Networking hängen alle direkt mit dem Thema Kindererziehung zusammen. Frauen haben oft weniger Erwerbserfahrung und Erwerbsumfang, weil sie sich stärker als Männer um die Kindererziehung kümmern. Damit einher geht ein geringeres Zeitbudget, dass sich auch negativ auf die Anzahl der Überstunden, die Investition in Weiterbildung und Networking auswirken kann.

Durch die immer noch unzureichenden staatlichen Kinderbetreuungsangebote werden Frauen, aber auch Männer, die sich der Kindererziehung widmen wollen, benachteiligt, da die Möglichkeiten, Familie und Beruf zu vereinbaren, nach wie vor stark eingeschränkt sind. Der Staat muss es Familien endlich ermöglichen, ihre Familienplanung und Berufsentscheidungen flexibler treffen zu können, ohne davon ständig von eingeschränkten Betreuungsmöglichkeiten behindert zu werden.

Fazit: Es deutet wenig darauf hin, dass Frauen oder Männer tatsächlich aufgrund ihres Geschlechts weniger Lohn erhalten. Stattdessen sollte die Transparenz verbessert werden, damit junge Frauen und Männer die Faktoren, die den Lohn beeinflussen können, bei ihrer Berufswahl berücksichtigen können. Darüber hinaus sind die Betreuungsangebote auszubauen, dass Frauen und Männer ihr Leben ohne Einschränkungen durch unzureichende Kinderbetreuung planen können. Letztlich würde dies auch der Gesamtwirtschaft helfen, da die Erwerbsquote steigen könnte und mehr hochqualifizierte Frauen – aber auch Männer – als bisher am Erwerbsleben teilnehmen könnten.

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