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Steuerdebatte kommt in Fahrt

Die Wirtschaftswoche startete am 17. November 2008 Ihre „Aktion Steuern senken“ .Deutschland ist Weltspitze: Zumindest was Steuern und Abgaben angeht. Im März diesen Jahres hatte die OECD bereits vorgerechnet: Von 100 Euro Arbeitskosten blieben einem Durchschnittsverdiener in 2007 gerade noch 47,80 Euro Nettoeinkommen übrig. Die OECD forderte bereits damals: Runter mit Steuern und Sozialabgaben - vor allem für die Gering- und Durchschnittsverdiener. Diese werden hierzulande nämlich besonders hart getroffen. Während in Frankreich für einen Arbeitnehmer mit halbem Durchschnittslohns nur 30 Prozent der Arbeitskosten als Steuer- und Sozialabgaben anfallen, sind es in Deutschland hingegen 45 Prozent. Angesichts der gegenwärtigen Wirtschaftskrise hat die Debatte über Steuersenkungen jetzt wieder Fahrt aufgenommen: Bundeskanzlerin Merkel stellt für die kommende Legislaturperiode eine Entlastung in Aussicht. Bayern fordert eine Steuerreform noch vor der nächsten Wahl. Der Konjunktur würde es helfen, meint Bundeswirtschaftsminister Glos. Auch Michael Hüther will mit einer „massiven Senkung der Einkommensteuer“ den Haushalten neue Luft verschaffen. Andere wollen die Erhöhung der Mehrwertsteuer zurückdrehen. Peter Bofinger sieht darin eine „Maßnahme mit großer Breitenwirkung“. Im Finanzministerium wird sogar über die Ausgabe von Konsum-Schecks nachgedacht.
Bildnachweis: Die Wirtschaftswoche startete am 17. November 2008 Ihre „Aktion Steuern senken“.

“Die Welt” warnt in einem Kommentar am 25. November 2008 vor halbherzigen Konjunkturpaketen, die bestenfalls einzelne Branchen stützen und plädiert für Steuersenkungen zum Erhalt der Konsumentensouveränität.

“Soziale Marktwirtschaft läuft nicht auf einen untätigen Nachtwächterstaat hinaus, sondern im Gegenteil auf einen starken Staat, der beherzt verlässliche Daten für einen fairen Wettbewerb setzt. Wirksame Programme zur Wachstumsbelebung bedürfen vier Voraussetzungen: Sie müssen für möglichst viele Bürger und Unternehmen spürbar ausfallen, möglichst sofort und ohne Rücksicht auf Wahltermine wirken, dürfen keine Mitnahmeeffekte auslösen und nicht in homöopathischen Dosen, sondern nur als Paukenschlag verabreicht werden. Diese Bedingungen wären am leichtesten mit einigen Drehungen der Steuerschraube zu erfüllen. Warum nicht eine spürbare, aber befristete Senkung der Lohn- und Einkommensteuer und ein Abschlag von der Mehrwertsteuer, wie er gerade in Großbritannien erwogen wird? Die Mitnahmeeffekte wären sehr gering, und dem Steuerzahler bliebe die Freiheit seiner Konsum-Entscheidung erhalten.”

In einem Kommentar wendet sich die „Süddeutschen Zeitung“ am 25. November 2008 gegen sektorale Einzelhilfen und fordert ein breit aufgestelltes Konjunkturpaket:

– „Fachleute bis hin zur Bundesbank erwarten für das kommende Jahr einen Rückgang der Wirtschaftsleistung von bis zu einem Prozent. Das wäre die schlimmste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg.“
– „Wer heute ein Konjunkturprogramm startet, muss einen breiten Ansatz wählen. Einzelhilfen für einzelne Sektoren bergen das Risiko, im Meer der Krise unterzugehen. Deswegen hat es Charme, die Steuern und Abgaben zu senken. Das erreicht viele Bürger und kann zu Ausgaben führen, die sonst unterbleiben. Dies lässt sich über die Einkommensteuer erreichen, aber auch über andere Steuern.“

Der „Handelsblatt“-Kommentar vom 25. November 2008 greift die Überlegungen des Finanzministeriums auf, zur Stützung der Binnenkonjunktur Konsum-Schecks an Steuerzahler auszugeben:

„Dabei ist von der Sache her naheliegend, dass die Bundesregierung den Konsum durch eine gezielte Steuersenkung stärken sollte. Er ist die einzige verbleibende Stütze der Konjunktur und darf nicht auch noch wegbrechen, nachdem bereits der Export, klassischer deutscher Wachstumsmotor, ausfällt. Wir reden allein beim privaten Verbrauch immerhin über mehr als die Hälfte der jährlichen deutschen Wirtschaftsleistung.“

Prof. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, kritisiert die Maßnahmen der Bundesregierung gegen die Rezession als “zu kleinteilig”. Im „Deutschlandradio Kultur“ sagte er am 22. November 2008:

– „Es wird darum gehen, den Mut zu haben, mit einer massiven Steuersenkung bei der Einkommensteuer wirklich Luft zu schaffen – in einer Situation, wo die Haushalte ohnehin etwas mehr haben. Das heißt: Man kann dort den Hebel ansetzen.”
– “Wenn die Konjunktur so abbricht wie jetzt – und die Auftragseingänge sind seit dem Spätsommer massiv abgebrochen – dann muss man auch den Mut haben, nachfragepolitisch gegenzusteuern.”

Der Wirtschaftsweise Wolfgang Wiegard unterstützt die Forderungen nach schnellen Steuersenkungen, um den Konsum anzutreiben. Im „Handelsblatt“ sagt er am 24. November 2008:

– „Die Situation jetzt ist kein normaler Abschwung, deshalb ist es gerechtfertigt, eine Steuersenkung mit neuen Schulden zu finanzieren.“
– „Man muss dann aber gleichzeitig festlegen, welche Ausgaben man im nächsten Aufschwung kürzen will, um die Steuersenkung dauerhaft zu finanzieren.“

„Die Welt“ kommentiert am 24. November die Unentschlossenheit der CDU:

„(…) dass Ehrhards Mut heute fehlt, zeigt auch die unentschiedene Haltung der CDU-Spitze in der Steuerpolitik. Eine rasche Entlastung der Bürger wäre ein gutes Signal – ganz gleich wie die Wirtschaft sich 2009 entwickelt.“

Der Präsident des deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Ludwig Georg Braun, befürwortet gegenüber der „B.Z. am Sonntag“ am 23. November 2008 eine Senkung der Mehrwertsteuer und Reform der Einkommenssteuer:

„(…)Steuern runter ist das beste Wachstumsprogramm. Dabei darf es keinen Aufschub geben. Die Bundesregierung muss jetzt ein ausgewogenes Maßnahmenpaket auf den Weg bringen, damit es schon in den nächsten sechs Monaten wirken kann.“

Ein Kommentar in der “Frankfurter Rundschau” vom 24. November 2008 rät dazu, sich wie schon beim Rettungsschirm für die Banken, am Paket der Briten zur orientieren:

„Schon einmal, beim Rettungsschirm für die Banken, hat die britische Regierung den Ton in Europa vorgegeben. Nun widmet sich London der Konjunktur und stellt eine satte Mehrwertsteuersenkung in Aussicht. In Deutschland hat die Regierung den Konsum mit der größten Steuererhöhung der Republikgeschichte bekämpft. Jetzt hätten sie den Spielraum, den Fehler zu korrigieren. Sie könnte die Mehrwertsteuersenkung auf ein oder zwei Jahre befristen. Damit würde deutlich: Es ist zwar unvermeidlich, vorübergehend mehr Schulden aufzunehmen. Aber es geht nicht darum den Staat auszutrocknen. Es geht darum in der größten Wirtschaftskrise seit 80 Jahren die Binnenwirtschaft zu stärken.“

Der Wirtschaftsweise und Berater der Bundesregierung, Prof. Dr. Peter Bofinger, rät im “Handelsblatt” am 21. November 2008 zu einer Senkung der Mehrwertssteuer:

Die Senkung der Mehrwertsteuer „wäre eine Maßnahme mit großer Breitenwirkung und wenig Versickereffekten.“