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Private Krankenversicherung für alle

GKV-ReformProf. Eekhoff schrieb am 08. Januar im ÖkonomenBlog, eine pauschale Versicherungsprämie sei solidarischer als ein einkommensabhängige. Auch der ÖkonomenBlog-Autor Prof. van Suntum hält das bestehende System für ungerecht. Er wählt jedoch einen anderen Ansatz und lehnt eine Kopfpauschale ab. Die von der Regierung angestrebte Kopfpauschale in der GKV ist keine gute Lösung. Niemand weiß, wo die für den Solidarausgleich nötigen Steuermittel herkommen sollen. Zudem ist die Gesundheitsprämie nicht risikoäquivalent, daher bleiben Risikostrukturausgleich und Kontrahierungszwang weiter notwendig. Und die Bevölkerung will nun einmal keine Einheitsprämie, sondern an der Leistungsfähigkeit orientierte Beiträge. Heute wird der Solidarausgleich allein von den guten Risiken innerhalb der GKV getragen. Das sind diejenigen, die relativ viel verdienen, keine Familie haben und/oder relativ jung und gesund sind. Beamte, Selbständige und die Bestverdiener unter den Angestellten sind dagegen nicht direkt daran beteiligt, wobei sie allerdings bereits überdurchschnittlich hohe Steuern zahlen. Dieses duale System ist nicht nur ungerecht, sondern auch ineffizient, weil kaum Wettbewerb zwischen PKV und GKV besteht. So kann die GKV ihre guten Risiken nicht zur PKV abwandern lassen, weil sie dann ihre schlechten Risiken nicht mehr finanzieren könnte. Und die PKV kann die schlechten Risiken aus der GKV nicht aufnehmen, weil diese dann ihren Solidarausgleich verlieren.

Das kann man aber durchaus ändern. Dafür muss man in der GKV risikoäquivalente Beiträge einführen und gleichzeitig den Solidarausgleich auf die PKV ausdehnen. Mit dem Gesundheitsfonds existiert dafür sogar schon eine geeignete Clearingstelle. Damit würde die Trennung zwischen GKV und PKV entfallen, alle wären am Ende Privatpatienten mit sozialem Ausgleichsanspruch.

Für die Umstellung sollte gelten, dass niemand mehr bezahlen muss als den bisherigen Beitragssatz von 15%. Bei den schlechten Risiken zahlt dann der Gesundheitsfonds die Differenz an ihre Kasse. Die guten Risiken wiederum zahlen zwar an die Kasse nur noch ihren risikoäquivalenten Beitrag, zusätzlich aber die Differenz bis zu den bisherigen 15% als „Gesundheitssoli“ an den Fonds. Da die guten Risiken in der GKV auch bisher schon die schlechten Risiken mitfinanziert haben, geht das für den Fonds plus minus Null auf.

Auch die PKV-Versicherten werden in diesen Solidarausgleich einbezogen: Wer für das Standardpaket bisher z.B. 10% seines Einkommens als PKV-Beitrag aufgebracht hat, zahlt nun ebenfalls die Differenz zum GKV-Beitrag (im Beispiel also 5%) an den Gesundheitsfonds. Umgekehrt erhalten solche PKV-Versicherten, deren Beitragslast für das Standardpaket bisher bereits über 15% lag, von diesem einen entsprechenden Zuschuss. Allerdings sollte hier eine Beitragsbemessungsgrenze greifen, wie sie derzeit ja auch in der GKV in Höhe von 45.000 €/Jahr besteht. Andernfalls würden extreme und kaum zu rechtfertigende Umverteilungseffekte entstehen, indem etwa ein Einkommensmillionär zusätzlich zu dem für ihn geltenden Spitzensteuersatz von 45% künftig noch 150.000 Euro pro Jahr für die Krankenversicherung aufbringen müsste.

Die Beitragsbemessungsgrenze würde für alle Versicherten gleich sein, und auch sie würde sich in dem neuen System nicht mehr allein auf die Arbeitseinkommen, sondern auf das Gesamteinkommen beziehen. Zudem wird der Gesundheitssoli auch bei den GKV-Versicherten nicht mehr nur vom Lohn, sondern von ihrem Gesamteinkommen berechnet. Der Solidarausgleich wird also jetzt von allen Bürgern nach Maßgabe ihres Einkommens getragen.

Vor allem aber ist er nunmehr von der eigentlichen Versicherungsfunktion getrennt, echter Wettbewerb wird damit möglich. So kann es sich jetzt jede GKK problemlos leisten, auch gutverdienende und gesunde Mitglieder zu verlieren. Der Wettbewerb findet in diesem System auch nicht mehr nur um die guten Risiken, sondern um alle Versicherten statt. Denn jeder Versicherte hat jetzt die Möglichkeit, eine andere Versicherung zu suchen, die ihn preiswerter versichert. Der daraus resultierende Kostenvorteil könnte z.B. hälftig ihm selbst und dem Solidarfonds zugutekommen. Diese Option gibt allen Beteiligten sinnvolle Anreize, nach kostengünstigen Lösungen zu suchen. Gleichzeitig belässt sie dem Versicherten die volle Entscheidungsfreiheit, und sie hindert auch seine ursprüngliche Kasse daran, die risikoäquivalenten Beiträge zu hoch anzusetzen. Denn damit würde sie zwar erst einmal relativ viel Geld aus dem Fonds bekommen, müsste aber über kurz oder lang mit dem Weggang des Versicherten rechnen.

Das für den Solidarausgleich maßgebliche Gesamteinkommen der Versicherten wird ohnehin bereits von den Finanzämtern ermittelt, eine gesonderte Feststellung durch den Gesundheitsfonds ist somit entbehrlich. Technisch würde ein entsprechender Festsetzungsbescheid vom Finanzamt an den Versicherten gehen, der auf dieser Grundlage die 15%-Prämie an seine Versicherung abzuführen hat. Die Versicherung wiederum führt von dieser Prämie ggfs. den Solidaranteil an den Gesundheitsfonds ab. Das ganze System lässt sich so mit einem Minimum an bürokratischem Aufwand und einem Höchstmaß an Transparenz für alle Beteiligten in die Praxis umsetzen.

Auch der hier vorgeschlagene Systemwechsel kann und soll nicht verhindern, dass die Gesundheitsausgaben in Zukunft weiter steigen werden. Dies ist unvermeidlich, weil das Durchschnittsalter der Bevölkerung steigt und weil der medizinisch-technische Fortschritt zusätzliche Kosten verursacht. Daher wird man über kurz oder lang den von allen Versicherten zu zahlenden Durchschnittsbetrag anheben müssen, womit auch die Solidarbeiträge an den Gesundheitsfonds entsprechend steigen. Der Wettbewerb innerhalb des neuen Systems wird aber den Kostenanstieg dämpfen, und statt der leidigen Zweiklassengesellschaft im Gesundheitssystem gäbe es künftig nur noch Privatpatienten.


Morgen folgt ein Beitrag vom Gesundheitsexperten des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln Dr. Jochen Pimpertz.  Im Gegensatz zu Prof. van Suntum ist er Befürworter einer Kopfpauschale.