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Glück durch Umverteilung?

In Großbritannien hat das Buch eingeschlagen wie eine Bombe. Auf der Linken erreichte es innerhalb kürzester Zeit Kultstatus, doch auch viele Konservative – allen voran Premierminister David Cameron –  wollten nicht außen vor bleiben und sparten nicht mit Lob. Nun schwappt die Woge der Begeisterung für Richard Wilkinsons und Kate Picketts „The Spirit Level“ (deutscher Titel: „Gleichheit ist Glück“) auch nach Deutschland hinüber. Die These des Buches ist schnell zusammengefasst: Ungleichheit macht Gesellschaften krank. Psychisch wie physisch. Ganze vierzig Streudiagramme sollen illustrieren: Je weiter der Abstand zwischen Arm und Reich in einem Land, desto schlechter seien so gut wie alle sozialen Indikatoren. Die Regierungen der entwickelten Länder sollten daher vom Ziel des Wirtschaftswachstums abrücken, und den vorhandenen Wohlstand möglichst gleichmäßig verteilen. Eine Botschaft, die in Deutschland natürlich auf besonders fruchtbaren Boden fällt. Dabei kann „The Spirit Level“ inzwischen als weitgehend widerlegt gelten. Der Publizist Christopher Snowdon etwa zeigt in „The Spirit Level Delusion“, dass Wilkinson und Pickett in mehrerlei Hinsicht Rosinenpickerei betrieben haben. So haben sie beispielsweise einige Länder, die nicht ins gewünschte Bild passen, einfach unter den Teppich gekehrt. Snowdon demonstriert, dass unter Verwendung eines etwas größeren Datensatzes die meisten der sorgfältig zurechtgebastelten Korrelationen in sich zusammenfallen. Auch kommt es stark darauf an, welche sozialen Indikatoren man auswählt. Wilkinson und Pickett haben nur diejenigen einfließen lassen, die ihre These zu bestätigen scheinen, ohne zu erwähnen, dass viele andere einen völlig anderen Eindruck vermitteln.

Der Soziologe Peter Saunders hat sich dem Buch mit einer anderen Methodik genähert, kam aber zum gleichen Ergebnis wie Snowdon. In „Beware False Prophets“ zeigt er, dass viele der Spirit-Level-Korrelationen durch wenige, manchmal nur durch einen einzigen Ausreißer zustande kommen. Nimmt man diesen heraus, bleibt nichts als eine formlose Punktwolke. Fügt man gar Kontrollvariablen ein, dann erledigt sich das ganze ohnehin.

Was ist also so schlimm an Ungleichheit? Wilkinson und Pickett haben eine Erklärung parat, die die vielen Streudiagramme zu einem in sich stimmigen Gesamtbild verschmelzen sollen. Sie behaupten, in ungleicheren Gesellschaften würde der Statuswettbewerb ausgeprägter, die gesellschaftlichen Hierarchien steiler, und die soziale Schichtung rigider. Ungleichere Gesellschaften seien daher rücksichtsloser, kälter und rauer als gleichere. Vermutlich ist es aber genau diese wenig plausible Gleichsetzung von „Einkommen“ und „Status“, die die Thesen der Spirit Leveller so brüchig machen. Ist etwa Japan, wo die Einkommensungleichheit gering ist, tatsächlich eine weniger stratifizierte Gesellschaft als die USA? War die DDR weniger hierarchisch als die BRD? War das steife Großbritannien der fünfziger Jahre weniger statusbetont als das moderne „Cool Britannia“?

Wohl kaum. Und so erweist sich eine Formel für das staatlich gelenkte Glück beim näheren Hinsehen als Chimäre. Wie schon so oft.


Kristian Niemietz ist derzeit Mphil/PhD Student  in  Public  Policy  am  King’s  College  London und arbeitet als Poverty  Research  Fellow  beim  Institute  of  Economic  Affairs in London.