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Bankrottes Amerika

Nur kurz schreckte die Rating-Agentur Standard and Poor’s mit dem abgesenkten Bonitätsausblick für die USA die Finanzmärkte der Welt auf. Doch ob dieser Warnschuss ausreicht, die politische Blockade zwischen Demokraten und Republikanern aufzulösen, die derzeit eine wirksame Konsolidierungsstrategie in der amerikanischen Finanzpolitik verhindert, ist extrem ungewiss. Dabei zeigen die harten Fakten der amerikanischen Verschuldungsorgie ein gnadenloses Politikversagen in der immer noch größten Volkswirtschaft der Welt. Das Land, das mit der Wallstreet die Herzkammer des weltweiten Finanzkapitalismus repräsentiert, ist auf dem Weg in einen Staatsbankrott. Allein die ausgewiesene Staatsverschuldung hat sich binnen des letzten Jahrzehnts von etwas mehr als 5.000  auf über 14.000 Milliarden US-Dollar annähernd verdreifacht. Gemessen am jährlichen Bruttoinlandsprodukt der USA explodierte die Staatsverschuldung von knapp 55% im Jahr 2000 auf fast 100% im laufenden Jahr. Rechnet man die implizite Verschuldung hinzu, also die Leistungszusagen der Altersversorgung und der Sozialsysteme, dann explodiert die US-Verschuldung auf mehr als 200 Billionen (!) US-Dollar. Der renommierte Bostoner Ökonom Laurence Kotlikoff bringt das Schuldendesaster Amerikas auf den Punkt: „Die USA ist in schlechterer fiskalischer Verfassung als Griechenland.“  Die fiskalische Lücke Amerikas sei 14 mal größer als das Bruttoinlandsprodukt, während die Deckungslücke Griechenlands „nur“ 11 mal größer sei als das BIP. „Faktisch sind die USA bankrott“, so Kotlikoffs harsches Fazit.

Ausgerechnet im Mutterland des Kapitalismus herrscht nicht nur in der Politik, sondern auch im Finanzmarkt eine Blindheit für die Systemrisiken der gigantischen Staatsschuld und das Schneeballsystem der Pensions- und Sozialsysteme. Es ist geradezu tragisch, dass Amerika heute, da die Lasten der Vergangenheit längst wie ein Mühlstein an seiner Volkswirtschaft hängen, ein Gesundheitssystem europäischer Ausprägung installiert, das noch größere Löcher in die öffentlichen Budgets reißen wird.

Die US-Finanzwelt scheint sich in einem System der wundersamen Geldvermehrung eingerichtet zu haben. Man handelt dort mit fast zinslosem Billiggeld von der US-Notenbank, investiert riesige Summen in den Eigenhandel mit Wertpapieren und manipuliert so die Kurse am Markt. Erfreulicher Nebeneffekt dieser Kurspflege sind satte Gewinne der großen Investmentbanken und phantastisch hohe Boni für die handelnden Akteure. Wenn das Geschäftsmodell schief läuft, wird man vom Steuerzahler gerettet, weil man ja „systemrelevant“ ist. Wer ein solches Geschäftsmodell pflegt, muss sich fragen lassen, ob er je begriffen hat, dass einer funktionierenden marktwirtschaftlichen Ordnung das Prinzip von Verantwortung und Haftung zugrunde liegt: Wer zu viel riskiert, bezahlt mit Totalverlust. Das ist die wirksamste Waffe gegen Spekulation. Die politische Antwort auf die Verschuldungsprobleme lässt sich bei Ludwig Erhard finden: Man kann auf Dauer nur ausgeben, was man vorher erwirtschaftet hat!