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Einwanderungsgebühr

Gary S. Becker ist nicht nur für seine Humankapitaltheorie und dafür, den Nobelpreis für Ökonomie erhalten zu haben, bekannt, er wandelt auch seit Jahren auf „ökonomiefremden“ Feldern, in Bildungs-, Familien- oder Rentenpolitik“ (dazu Becker, 1996). Im Februar 2011 hat er in London seine „radikale Lösung der Herausforderungen der Immigrationspolitik“ vorgestellt, das ich im Folgenden bespreche. Ausgangspunkt für Becker sind drei Beobachtungen: (1) sinkende Fertilitätsraten in westlichen Industrienationen, (2) deutliche Lohnunterschiede zwischen entwickelten Industrienationen und dem Rest der Welt und (3) ein Wohlfahrtsstaat, der ein Leben ohne Arbeit ermöglicht. Von hieraus modelliert sich sein ökonomisches Modell fast von selbst, denn in entwickelten Industrienationen herrscht Mangel an jungen und produktiven Menschen und somit eine Nachfrage nach Immigration. Außerhalb entwickelter Industrienationen gibt es ein großes Angebot an jungen Menschen, die aufgrund geringerer Löhne im Land ihrer Geburt, einen Anreiz haben, in entwickelte Industrienationen zu migrieren. Das Problem dieser Migration sind Migranten, die in den Wohlfahrtsstaat der entwickelten Industrienationen einwandern, Migranten, die nach Einwanderung ihr Aufnahmeland Geld kosten. Entsprechend sucht Becker nach einem Mechanismus, der es zum einen erlaubt, die derzeit vorhandene und sehr teure Einwanderungs-Bürokratie zu reduzieren, zum anderen gewährleistet, dass vornehmlich hochmotivierte und produktive Migranten zuwandern. Becker findet diesen Mechanismus im Preismechanismus. Beckers Maxime lautet daher: Lass jeden einwandern, der einwandern will und eine Einwanderungsgebühr entrichtet, deren Höhe vom Zielland der Einwanderer festgesetzt wird. Auf dieses Weise, so Becker, entstünde ein Markt für Einwanderung. Länder könnten über die Höhe der Einwanderungsgebühr die Höhe der Einwanderung regulieren und hätten zudem über die Gebühr einen Einfluss darauf, wer einwandert: „So the first three main catgegories of immigrants that would be attracted by a fee system would be skilled people, yound people and those who want to make a commitment to the country. They would be the ones who would be most willing to pay a large fee“ (Becker, 2011, S.29). Die Gruppe der hochmotivierten und hochgebildeten Migranten umfasst jedoch auch Migranten, die sich eine „large fee“ nicht leisten können. Für diese potentiellen Migranten sieht Becker ein „loan system“ vor, eine Art Einwanderungsdarlehen, das die Immigranten oder Unternehmen, die diese Immigranten beschäftigen, ähnlich wie dies z.B. beim BAFöG der Fall ist, zurückzahlen. Eine Einwanderungsgebühr, so Becker, sei nicht nur geeignet, den Vorwurf, Immigranten würden ein Gesundheits- und ein Bildungssystem, zu dessen Aufrechterhaltung sie keinen Beitrag geleistet hätten, quasi frei nutzen, zu entkräften, eine Einwanderungsgebühr würde auch als Anreiz für illegale Immigranten wirken, ihren Aufenthalt durch Entrichtung der Einwanderungsgebühr zu legalisieren. Letztlich basiert Beckers Vorschlag noch auf einer weiteren Annahme, nämlich der des Überschussangebots: „Think of immigration as a market. There is excess demand to come to many rich countries. If you use the market concept, the price is too low and countries should raise the price to come in“ (Becker, 2011, S.35). Der excess supply ist jedoch nicht nur eine Folge der Lohnunterschiede zwischen modernen Industrienationen und ärmeren Ländern, sondern auch ein Ergebnis des Wohlfahrtsstaates. Entsprechend wäre eine Reduzierung oder (man traut sich kaum es anzusprechen) eine Streichung von Wohlfahrtsleistungen eine weitere Möglichkeit, das Überangebot an potentiellen Immigranten zu reduzieren. Auch dies ist eine Überlegung wert, denn wenn verhindert werden soll, dass Immigranten Leistungen des Wohlfahrtsstaats empfangen ohne in die sogenannte Solidarkasse eingezahlt zu haben, warum soll es dann im Land Geborenen ermöglicht werden, Leistungen zu empfangen ohne jemals einen Beitrag in die sogenannte Solidarkasse entrichtet zu haben? Becker, Gary S. (2011). The Challenge of Immigration: A Radical Solution. London: Institute for Economic Affairs.   Becker, Gary S. (1996). The Economics of Life. From Baseball to Affirmative Action to Immigration, How Real World Issues Affect Our Everyday Quality of Life. New York: McGraw-Hill.
Dieser Beitrag erschien auch auf http://sciencefiles.org. Der Autor arbeitet als selbständiger Scientific Consultant in England. Sein Arbeitsschwerpunkt sind Sozialwissenschaften.

Gary S. Becker ist nicht nur für seine Humankapitaltheorie und dafür, den Nobelpreis für Ökonomie erhalten zu haben, bekannt, er wandelt auch seit Jahren auf „ökonomiefremden“ Feldern, in Bildungs-, Familien- oder Rentenpolitik“ (dazu Becker, 1996). Im Februar 2011 hat er in London seine „radikale Lösung der Herausforderungen der Immigrationspolitik“ vorgestellt, das ich im Folgenden bespreche.

Ausgangspunkt für Becker sind drei Beobachtungen: (1) sinkende Fertilitätsraten in westlichen Industrienationen, (2) deutliche Lohnunterschiede zwischen entwickelten Industrienationen und dem Rest der Welt und (3) ein Wohlfahrtsstaat, der ein Leben ohne Arbeit ermöglicht. Von hieraus modelliert sich sein ökonomisches Modell fast von selbst, denn in entwickelten Industrienationen herrscht Mangel an jungen und produktiven Menschen und somit eine Nachfrage nach Immigration. Außerhalb entwickelter Industrienationen gibt es ein großes Angebot an jungen Menschen, die aufgrund geringerer Löhne im Land ihrer Geburt, einen Anreiz haben, in entwickelte Industrienationen zu migrieren. Das Problem dieser Migration sind Migranten, die in den Wohlfahrtsstaat der entwickelten Industrienationen einwandern, Migranten, die nach Einwanderung ihr Aufnahmeland Geld kosten.

Entsprechend sucht Becker nach einem Mechanismus, der es zum einen erlaubt, die derzeit vorhandene und sehr teure Einwanderungs-Bürokratie zu reduzieren, zum anderen gewährleistet, dass vornehmlich hochmotivierte und produktive Migranten zuwandern. Becker findet diesen Mechanismus im Preismechanismus. Beckers Maxime lautet daher: Lass jeden einwandern, der einwandern will und eine Einwanderungsgebühr entrichtet, deren Höhe vom Zielland der Einwanderer festgesetzt wird. Auf dieses Weise, so Becker, entstünde ein Markt für Einwanderung. Länder könnten über die Höhe der Einwanderungsgebühr die Höhe der Einwanderung regulieren und hätten zudem über die Gebühr einen Einfluss darauf, wer einwandert: „So the first three main catgegories of immigrants that would be attracted by a fee system would be skilled people, yound people and those who want to make a commitment to the country. They would be the ones who would be most willing to pay a large fee“ (Becker, 2011, S.29).

Die Gruppe der hochmotivierten und hochgebildeten Migranten umfasst jedoch auch Migranten, die sich eine „large fee“ nicht leisten können. Für diese potentiellen Migranten sieht Becker ein „loan system“ vor, eine Art Einwanderungsdarlehen, das die Immigranten oder Unternehmen, die diese Immigranten beschäftigen, ähnlich wie dies z.B. beim BAFöG der Fall ist, zurückzahlen.

Eine Einwanderungsgebühr, so Becker, sei nicht nur geeignet, den Vorwurf, Immigranten würden ein Gesundheits- und ein Bildungssystem, zu dessen Aufrechterhaltung sie keinen Beitrag geleistet hätten, quasi frei nutzen, zu entkräften, eine Einwanderungsgebühr würde auch als Anreiz für illegale Immigranten wirken, ihren Aufenthalt durch Entrichtung der Einwanderungsgebühr zu legalisieren.

Letztlich basiert Beckers Vorschlag noch auf einer weiteren Annahme, nämlich der des Überschussangebots: „Think of immigration as a market. There is excess demand to come to many rich countries. If you use the market concept, the price is too low and countries should raise the price to come in“ (Becker, 2011, S.35). Der excess supply ist jedoch nicht nur eine Folge der Lohnunterschiede zwischen modernen Industrienationen und ärmeren Ländern, sondern auch ein Ergebnis des Wohlfahrtsstaates. Entsprechend wäre eine Reduzierung oder (man traut sich kaum es anzusprechen) eine Streichung von Wohlfahrtsleistungen eine weitere Möglichkeit, das Überangebot an potentiellen Immigranten zu reduzieren. Auch dies ist eine Überlegung wert, denn wenn verhindert werden soll, dass Immigranten Leistungen des Wohlfahrtsstaats empfangen ohne in die sogenannte Solidarkasse eingezahlt zu haben, warum soll es dann im Land Geborenen ermöglicht werden, Leistungen zu empfangen ohne jemals einen Beitrag in die sogenannte Solidarkasse entrichtet zu haben?

Becker, Gary S. (2011). The Challenge of Immigration: A Radical Solution. London: Institute for Economic Affairs.

 

Becker, Gary S. (1996). The Economics of Life. From Baseball to Affirmative Action to Immigration, How Real World Issues Affect Our Everyday Quality of Life. New York: McGraw-Hill.


Dieser Beitrag erschien auch auf http://sciencefiles.org.
Der Autor arbeitet als selbständiger Scientific Consultant in England. Sein Arbeitsschwerpunkt sind Sozialwissenschaften.