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Beitragssenkung nicht in Sicht

Die Armut bei Familien mit Kindern ist deutlich höher als die Armut bei Rentnern. Nach bisherigem Recht wären Rentenkürzungen im kommenden Jahr nicht zu vermeiden. Entwickelt sich die Wirtschaft in diesem Jahr so katastrophal, wie befürchtet, müssen die Erwerbstätigen in Deutschland mit massiven Gehaltseinbußen rechnen. Und weil die Renten an das Niveau der Löhne gekoppelt sind, müssen auch die Rentner mit Kürzungen zurechtkommen. Eine solche Situation hat es in der Geschichte der Bundesrepublik zwar noch nie gegeben, doch befinden wir uns auch in der mit Abstand schärfsten Rezession seit Kriegsende. Am vergangenen Mittwoch hat das Bundeskabinett nun aber beschlossen, dass Rentenkürzungen gesetzlich verhindert werden sollen und damit die Büchse der Pandora geöffnet. Durch diesen Schritt wird erstmals der Lohnbezug der Rentenanpassung außer Kraft gesetzt. Zwar ist offiziell geplant, dass zum Ausgleich die Renten in Zukunft langsamer steigen sollen, doch ist diese Ankündigung völlig unglaubwürdig. Ein Blick in die Rentenpolitik der jüngeren Vergangenheit belegt, warum. Schon in den Jahren 2005 und 2006 wurde ein Sinken der Renten durch eine Schutzklausel verhindert. Allein hieraus ergibt sich eine nachzuholende Rentenkürzung von 1,75%. Bis diese Kürzung nachgeholt wird, ergeben sich jährliche Mehrausgaben von 4 Mrd. Euro. Anstatt bei guter wirtschaftlicher Lage die Kürzung einzuleiten, hat dann die große Koalition im Mai 2008 noch eins draufgelegt und den wahlstrategisch wichtigen Ruheständlern außerplanmäßige Rentenerhöhung für 2008 und 2009 von insgesamt 1,3% gewährt.

Möglich wurde dies durch das Aussetzen der sogenannten „Riester-Treppe“, die einst zur Dämpfung des Rentenanstiegs in die Rentenformel integriert wurde. Da wegen der Alterung der Gesellschaft immer weniger Beitragszahler immer mehr Rentenempfänger finanzieren müssen, war dieser Schritt geboten und die Aussetzung der Riester-Treppe ein weiterer Sündenfall. Die außerplanmäßigen Rentenerhöhungen der Jahre 2008 und 2009 kosten nochmals 4,8 Mrd. Euro. Die unterlassenen Kürzungen und die überproportionalen Rentensteigerungen summieren sich bis 2011 auf 31 Mrd. Euro. Gelder, die aus den Rücklagen der Rentenkassen oder durch höhere Beiträge finanziert werden müssen. Das Kürzungsvolumen von zusammen 3 Prozent soll zwar ab dem Jahr 2011 schrittweise ausgeglichen werden. Wie dies angesichts der ohnehin stagnierenden Renten bewerkstelligt werden soll, bleibt das Geheimnis der Politik. Die jetzt beschlossene Rentengarantie wird dann nochmals 4,5 Mrd. Euro kosten – Jahr für Jahr – solange bis auch dies nachgeholt wird.

Mit dieser Politik begünstigt der aktuelle Kabinettsbeschluss die Rentner gegenüber den Erwerbstätigen in geradezu unverschämter Weise. Mit welchem Recht sollen Rentner um so viel besser durch die Krise kommen als Arbeitnehmer? Während die Beschäftigten in erheblichem Maße unter Kurzarbeit, Lohnsenkung oder gar dem Verlust ihres Arbeitsplatzes leiden, sollen Rentner (und im Gefolge auch Hartz-IV-Empfänger) wohlbehütet durch die Krise gelangen. Schließlich sind es auch die Arbeitnehmer, die letztendlich für die höheren Renten zur Kasse gebeten werden. Die ursprünglich geplante Senkung des Rentenbeitrags auf 19,1 Prozent rückt damit in weite Ferne.

Die wirtschaftliche Situation der Erwerbsfähigen hat sich in den vergangenen Jahren immer weiter zugunsten der Rentner verschlechtert. Während die Armutsquote von Rentnern von 1983 bis 2006 von 11,3% auf 7,7% zurückgegangen ist, hat sich die Armut von Familien im selben Zeitraum mehr als verdoppelt: von 5,9% auf 13,3%. Und während die erwerbsfähige Mittelschicht schrumpft, bleibt die Rentnermittelschicht stabil. Das Vorhaben der Bundesregierung wird diesen Prozess leider weiter verstärken. Was hier so sozial daherkommt, ist in Wirklichkeit unsozial, arbeitnehmerfeindlich und beschäftigungsschädlich.


Zur Grafik: Gerade einmal 7,7 Prozent aller Personen über 65 Jahre sind arm (verfügen über weniger als 50 Prozent des Medianeinkommens). Dagegen leiden über 13 Prozent der Familien mit Kindern unter Einkommensarmut.