Damit ist für Rifkin nicht nur gemeint, dass Stromressourcen in großen Mengen gespeichert und zu anderen Orten geschleust oder später genutzt werden können. Es handelt sich auch um die Energieproduktion eines jeden Privathaushalts: Rifkin setzt auf den Wandel durch so genannte Mikrokraftwerke, mit denen sich jeder über Wind- und Solaranlagen selbst mit Strom versorgt. Allein in Europa könnten so 190 Millionen Häuser zu Mikrokraftwerken umgebaut werden. Wer zu viel Strom hat und ihn definitiv nicht braucht, kann ihn an andere Konsumenten verkaufen – und zwar per Computer oder Smartphone. Schon ein Drittel der Menschheit, sagt Rifkin, teilt heute im Internet Videos, Musik und ihr Wissen – wenn die Infrastruktur nun schon mal vorhanden ist, warum sollte es mit Energie anders sein?, fragt Rifkin. Unternehmen wie Cisco, Philips oder IBM entwickelten bereits Software und Netztechnik, mit der Privatpersonen Energie tauschen und handeln könne.
Dass sich die Menschen für ein solches Modell begeistern werden, begründet Rifkin mit dem pekuniären Anreiz, der dahinter stecke, und dem Trieb, Geschäfte machen zu wollen. Und rollt Rifkins Mikro-Welle erst einmal an, ist er überzeugt, dass es in Zukunft statt der großen Stromkonzerne zukünftig nur noch Millionen kleiner Energie-Produzenten geben wird. Das klingt nach schöner neuer Welt: Strom übers Internet zu verteilen, wäre die Basis für eine neue wirtschaftliche Ausrichtung. Die Energie- und Internetrevolution würde zu einem Kapitalismus führen, der statt über hierarchische über zentralistische Strukturen verfügt und in der sich Macht flach und dezentral verteilt.
Zweifellos weht in solchen Vision auch der Wind der 68er-Proteste. Doch so fortschrittlich Rifkin auch denkt, so geerdet gibt er sich und sieht seine Dritte Industrielle Revolution weder als Patentmedizin noch als Utopie. „Sie ist vielmehr ein pragmatischer Wirtschaftsplan, der uns gerade noch rechtzeitig in eine nachhaltige, kohlenstofffreie Ära führen könnte“, meint der amerikanische Ökonom. Allerdings gilt dies nur für einen Teil der Welt: Während sich seiner Meinung nach Deutschland bereits mitten in der dritten industriellen Revolution befindet, sieht er für seine Heimat Amerika überhaupt keine ernstzunehmenden Anzeichen der Veränderung.