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Vision á la Carte

Buchkritik: Horst W. Opaschowski: Der Deutschlandplan – was in Politik und Gesellschaft getan werden muss, München 2011. Wie entwickelt sich unser Land? Welche Trends setzen sich durch? Welche Themen bestimmen unsere Debatten der Zukunft? Mit diesen Fragen setzt sich der renommierte Zukunftsforscher Horst W. Opaschowski in seinem neuen Buch „Der Deutschlandplan“ auseinander. Und stützt sich dabei auf Ergebnisse einer repräsentativen Befragung.

Er hat schon ziemlich viel prophezeit: die „Erlebnisgesellschaft“, die „Verödung der Städte“, den „Rentner als Trendner“, das Ende der „Ichlinge“, die „Generation @“. Horst W. Opaschowski gehört sicher zu Deutschland eindrucksvollsten und geschicktesten Trendforschern. Nicht nur, was seine Visionen angeht, sondern auch die unglaubliche Dicke und Ansammlung seiner veröffentlichten Bücher. Mit seinem neuesten, dem „Deutschlandplan“, hat er endlich mal ein dünneres vorgelegt, rund 250 Seiten. Das muss aber nicht heißen, dass er weniger sagen möchte. Im Gegenteil: Das auf repräsentativen Umfragen beruhende Buch will sogar Kompass für das gesellschaftliche Leben in der Republik sein.

Überraschend sind seine Thesen allerdings nicht: „Die Luft für männliche Karrieren wird dünner“, „Die Wirtschaft braucht ältere Arbeitnehmer“, „Generationenhäuser im Trend“, „So wenig Müll wie möglich“ oder auch „Kein Wachstum auf Pump“. Opaschowski ist davon überzeugt, dass hierzulande die materielle Wohlstandexplosion den Deutschen kein weiteres Glücksempfinden geben wird. Der Germane ist gesättigt und für sein persönliches Wohlergehen rücken die immateriellen Bereiche des Lebens in den Vordergrund: Natur, Kultur, Religion. „Die Kultur führt neben dem Konsum kein Schattendasein mehr. Und die Kirchen können auf eine Bedeutungsaufwertung der Religion hoffen, wenn sie die Zeichen der Zeit erkennen“, schreibt Opaschowski.

Auch der gesellschaftliche Paradigmenwechsel sei unaufhaltsam. Deutschland ist auf dem Weg zur „Big Society“, einer Gesellschaft, die ihre Bürger stärker fordert und für soziale Anliegen einspannt. Die Bereitschaft der Bürger zur Selbstorganisation wächst angesichts knapper öffentlicher Kassen immer stärker. Im Jahr 2030 wird sich jeder zweite Bürger sozial engagieren wollen und müssen. Die Zukunft Deutschlands gleiche dann „einer Sozialgesellschaft, einer Generationengesellschaft und einer Hilfeleistungsgesellschaft. In der Dreifach-Sicherung des Lebens schützt der Staat die Bürger vor sozialer Not, halten die Generationen fest zusammen und helfen sich die Menschen mehr selber“.
Opaschowskis Thesen sind solide. Aber leider auch langweilig. Eigentlich schade. Man hätte für die fade Zukunftssuppe, in der mittlerweile ja viele bundesweit glauben, mitrühren zu müssen, ein wenig mehr Pfeffer gebraucht. Wo bleibt beispielsweise das unvorhergesehene Moment? Denn es ist doch sicher: Neue Technologien revolutionieren weiterhin das gesellschaftliche Leben, internationale Konflikte beeinflussen auch in Zukunft entscheidend die Meinung und das Handeln der Bürger, politische Entscheidungen werden immer wieder der strukturellen Planung einen Strich durch die Rechnung machen.

Will man wirklich Spannendes über Deutschlands Zukunft und einen Plan dazu erfahren, wird ein mutiges Buch gebraucht, das auf wissenschaftlichen Erkenntnissen aufbaut und sich gleichzeitig die Methoden moderner Szenario-Technik zu eigen macht.