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Krieg der Konzerne

Buchkritik: Ian Bremmer: Das Ende des freien Marktes – der ungleiche Kampf zwischen Staatsunternehmen und Privatwirtschaft, München 2011. Droht das Ende des freien Marktes, weil sich der Staatskapitalismus á la China, Russland und Saudi Arabien durchsetzt? In welchem Maße sollte sich der Staat überhaupt in die Wirtschaft einmischen? Der US-Politologe Ian Bremmer setzt sich in seinem Buch mit diesen Fragen auseinander - und entwirft ein unerfreuliches Szenario.

Beruhigend ist das nicht, was Ian Bremmer da schreibt. In seinem Buch „Das Ende der freien Marktes“ entwirft er ein Horrorszenario. Der Staatskapitalismus á la China, Russland oder Saudi-Arabien setzt an, die Weltherrschaft zu übernehmen: Konzerne wie Gazprom, Sinopec oder die Industrial and Commercial Bank of China werden von ihren Regierungen stark finanziell und juristisch unterstützt und verfolgen damit nicht nur wirtschaftliche Ziele, sondern auch politische. „Sie sollen den Einfluss ihres Ursprunglandes und seiner Machthaber sichern“, meint Bremmer. Statt Kalter Krieg nun Krieg der Staatskonzerne.

Das Szenario ist freilich überzogen. Angst macht es trotzdem. Es relativiert sich allein durch die Tatsache, dass hier ein US-Politologe schreibt, der zutiefst darüber beunruhigt ist, dass sein Heimatland auf dem besten Wege ist, den Nimbus als militärische und wirtschaftliche Weltmacht Nummer Eins zu verlieren. „In welchem Maße sollte sich der Staat in die Wirtschaft einmischen, um anhaltenden Wohlstand zu schaffen?“, ist Bremmers zentrales Anliegen. Das ist keine besonders originelle Frage, aber eine, die Amerika zurzeit bewegt. Bremmer ist überzeugt, dass ein immer größeres Engagement des Staates letztlich nur in Korruption enden kann: „Je stärker sich eine Regierung in wirtschaftliche Prozesse einmischt, desto wahrscheinlicher wird sie diese Prozesse mit politischen Verwerfungen, bürokratischem Aufwand, Verschwendung und Korruption belasten“, meint er. Gerade in Schwellenländern seien demokratische Ströme und Entwicklungen gefährdet – also dort, wo die Märkte dem politischen Machterhalt dienten.

Auch wenn sich Bremmer zufolge das Gespenst des rigiden Staatskapitalismus „noch viele Jahre einer gesunden Robustheit“ erfreuen wird, geht der Autor davon aus, dass die Menschen, vor allem in der westlichen Welt, die „Herausforderung Staatskapitalismus“ meistern werden. In der Suche nach dem „Wie“ zeigt sich Bremmer jedoch leider geradezu peinlich patriotisch: Damit die freien Märkte überleben, schlägt er vor, „für die Grundsätze freier Marktwirtschaft zu werben und dafür zu sorgen, dass die Vereinigten Staaten ein unentbehrlicher Protagonist auf dem politischen und wirtschaftlichen Bühnen der Welt bleiben“. Das klingt schon nach Missionar.

Es ist schade, dass sich Bremmer nicht wirklich mit den verschiedenen Modellen der Marktwirtschaft in Europa  beschäftigt und dadurch möglicherweise viel bessere Antworten auf seine Fragen findet. Vielleicht ist es aber auch ganz gut, sonst würde er vielleicht die eher staatsgelenkte Wirtschaft Frankreichs gleich in einen Topf mit China schmeißen. Die Antwort auf die Frage, wie weit der Staat eingreifen soll oder darf, hängt eben immer auch davon ab, in welchem Land man die Frage stellt. Über dieses wichtige Detail geht der lang dozierende Bremmer leider viel zu flott hinweg.