Buchkritik, Europa, Ordnungspolitik, WachstumTagged ,

Mehr Seele, weniger Mathematik

Buchkritik: Thomás Sedlácek: Die Ökonomie von Gut und Böse, München 2012, Hanser-Verlag Ein bisschen mehr Dankbarkeit für das Erreichte, eine maßvolle Schuldenpolitik und den stärkeren Einbezug der Ethik in die Ökonomie empfiehlt Thomás Sedlácek in seinem neuesten Buch. Er untermalt seine Ausführungen zu der Frage nach dem richtigen Wachstum mit allerlei Mythen und Geschichten der Menschheit. Und setzt in der Debatte um den Kapitalismus so einen anderen Schwerpunkt.

Das Schönste und Schlechteste vorweg: Thomás Sedláceks „Ökonomie von Gut und Böse“ ist das beseelteste Buch im Kanon der in den vergangenen zwei bis drei Jahren erschienen Bücher über Wachstum, Wirtschaft und Ethik. Das ist das Schöne. Das Schlechte: Hat man die 400 Seiten durchgewälzt, ist man zwar auf jede Menge Mythen der Menschheit gestoßen, die für Sedlácek immer auch Geschichten der Wirtschaft sind. Doch eine wirklich neue Nachricht enthält das Buch nicht. Denn Sedlácek Botschaft lautet: Wachsen und Maßhalten!

Dass das Buch dennoch Spaß macht und in jeden Schrank eines Ökonomie interessierten Lesers gehört, liegt daran, dass es sich gut und verständlich liest, voller Ideen, voller Denker, voller Philosophie und voller Demut ist – was für einen populären Schreiber in der Debatte um das richtige Wachstum heutzutage eher eine Seltenheit darstellt. Dabei könnte Sedlácek sich Einiges einbilden: Der 34-jährige tschechische Wissenschaftler und Ex-Berater von Václav Havel ist Chefökonom der größten tschechischen Bank CSOB.

Sein Buch nimmt der aktuellen Diskussion um Sinn und Unsinn des Kapitalismus die oft vorhandene Hysterie und schenkt uns einen angenehmen moralischen Kompass, der nie belehrend ist. Nicht der Kapitalismus ist in der Krise, sondern der Wachstumskapitalismus, meint Sedlácek. Er ist nicht gegen Schulden machen, aber er fordert das Ende der maßlosen und unkontrollierten Verschuldung. „Jede Wirtschaftskrise wird viel schlimmer werden, wenn wir ständig die Last dieser Schulden stemmen müssen. Wir müssen sie daher schnell zurückzahlen“, schreibt er. Schulden ermöglichen nur geliehenes Wachstum, sie beschränken die Freiheit, meint der Autor. In Bezug auf Europa ist er sicher: „Wir haben kein großes Inflationsproblem, sondern ein riesiges Schuldenproblem. Lasst den Euro und die Geldpolitik so wie sie sind – und verbessert endlich die Fiskalpolitik.“

Das Materielle spielt für ihn eine wichtige Rolle. Es ist eine von vielen Quellen des Glücks und der Zufriedenheit. Doch der bibelfeste Sedlácek will, dass jeder sich seiner eigenen Sättigung bewusst wird. „Und dass wir dankbar dafür sein müssen, was wir haben. Wir haben nämlich wirklich viel.“

Er ist gegen eine Wirtschaftspolitik, die nur materielle Ziele verfolgt. Auch in einer Volkswirtschaft ohne oder mit geringem Wachstum könne ein gutes Leben möglich sein. „Wir müssten nur die Effizienzgewinne nicht in materiellen Wohlstand investieren, sondern in Pausen, in die Umwelt oder in Bildung“, meint der Tscheche.

Ähnlich wie die Vertreter der Verhaltensökonomie will Sedlácek die wirtschaftliche Betrachtungsweise mehr auf Menschen als Mathematik gerichtet sehen – er persönlich hält die Mathematik für „schön“, aber eben auch „verführerisch“. Will die Ökonomie attraktiver werden, braucht sie mehr Ethik und Soft-Skills. Sie sind für ihn nicht der Zuckerguss auf dem Kuchen der Ökonomie, sondern deren Essenzen.

Die Ökonomen müssen die Frage „Was ist der Mensch unserer Ansicht nach“ überdenken, meint Sedlácek. Schon den Studenten würde zu viel Mainstream-Ökonomie beigebracht. Damit wieder mehr ihre eigene Denkschule entwickeln können, empfiehlt er, die Ideen der Vorfahren einfach ernster zu nehmen. Keine schlechte Idee.