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Im kollektiven Wolkenkuckucksheim

Betreuungsgeld teurer als geplantHöhere Steuereinnahmen wecken neue Begehrlichkeiten: Betreuungsgeld oder höhere Pendlerpauschale - Beispiele gibt's genug. Dabei reicht das Geld schon heute nicht aus, um die laufenden Ausgaben zu finanzieren. Neue Versprechen werden nur auf Pump finanziert. Das muss ein Ende haben.

Spielen wir doch mal wieder das vertraute politische Gesellschaftsspiel „Wünsch Dir was!“ Wie wäre es beispielsweise mit einer Erhöhung der Pendlerpauschale? Statt 30 Cent pro Entfernungskilometer zur Arbeitsstätte erhalten Sie künftig 50 Cent. Schließlich steigen die Spritpreise kontinuierlich und jetzt zur Osterreisezeit besonders spektakulär. Für die Wahlkämpfer in Nordrhein-Westfalen und anderswo, die derzeit fast unisono in dieses Entlastungshorn stoßen, scheint keine Rolle zu spielen, dass für jeweils 10 Cent Erhöhung dem Fiskus 1,5 Milliarden Euro Steuerausfälle entstehen. Der Staat schwimmt ja im Geld. Gerade erst hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) für das laufende und das kommende Jahr die höchsten Steuereinnahmen aller Zeiten prognostiziert. Die 600 Milliarden-Schallmauer soll spätestens 2013 geknackt werden.

Doch die Realität sieht bekanntlich anders aus. Der Bund und die meisten Länder verzeichnen trotz Rekordeinnahmen nach wie vor stattliche Defizite. Der Bundesfinanzminister will erst 2016 einen nahezu ausgeglichenen Bundeshaushalt vorlegen. Im „reichen“ Baden-Württemberg steuert die Landesregierung für die nächsten beiden Jahre auf eine massive Kreditausweitung zu, will den Haushaltsausgleich erst im Jahr 2019 erreichen. Viele Kommunen in Deutschland, vor allem in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, können ihre laufenden Ausgaben nur mit Überziehungskrediten finanzieren, der kostspieligsten Finanzierungsform überhaupt. Die Ausgaben steigen seit vielen Jahren stärker als die Einnahmen. Vor allem die konsumtiven Ausgaben wachsen, während der Anteil der Investitionen sinkt. Steigende Zinsausgaben und – vor allem bei den Ländern – die Pensionen der wachsenden Zahl von Ruhestandsbeamten verschlingen immer höhere Budgetanteile.

Doch wir leben anscheinend im kollektiven Wolkenkuckungsheim. Das Betreuungsgeld wird von der Bundesregierung als neue Sozialleistung billig gerechnet, obwohl es voraussichtlich pro Jahr ganz schnell mehr als 2 Milliarden Euro kosten wird.

Doch in unserer saturierten Gesellschaft, die dem marktwirtschaftlichen Wettbewerbs-, Verantwortungs- und Freiheitsethos zunehmend reserviert gegenübersteht, wächst das Schutzbedürfnis durch den Staat fast umgekehrt zu dessen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit. Denn wie anders ist zu erklären, dass eine Auffanggesellschaft für Mitarbeiter eines im Insolvenzverfahren steckenden Unternehmens (Schlecker) allen Ernstes durch Bürgschaften der Bundesländer alimentiert werden sollte. Wer staatliche Rettungsaktionen für nicht wettbewerbsfähige Unternehmen propagiert, der kann gleich das gescheiterte griechische Modell der Staatswirtschaft favorisieren: Wir blähen den öffentlichen Sektor auf, beschäftigen möglichst viele Mitarbeiter beim Staat, gewähren diesen Vorzugskonditionen beim Ruhestandsalter und den Pensionen und finanzieren diesen unproduktiven Wasserkopf mit Krediten.

„Mit Schulden schafft man keine Zukunft!“ Mit diesem politischen Credo sollten die Wahlkämpfer im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen in den nächsten Wochen bei der Bevölkerung um Vertrauen werben. Nur mit einer soliden Haushalts- und Finanzpolitik lässt sich künftiger Wohlstand sichern. Kreditfinanzierte Wahlversprechungen wecken Hoffnungen, die von der Bevölkerung schon mittelfristig mit massiver Geldentwertung teuer bezahlt werden.