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Rio+20: Greenwashing?

"The Future we want" - so lautet der Titel der Abschlusserklärung des Nachhaltigeitsgipfels in Rio de Janiero Ende vergangener Woche.  Die Uno will die Wende zu einer grünen Weltwirtschaft. Man will den Verbrauch von Öl, Kohle und Gas eindämmen. Man will - mehr aber auch nicht.

Rio 1992 war ein epochales Ereignis. Es war die Geburtsstunde internationaler Koordination in der Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik. Ihr Erfolg wurde gekrönt durch ein verpflichtendes Bekenntnis von 178 Nationen zu nachhaltiger Entwicklung. Grüne Bürgerbewegungen feiern Rio 1992 als größten internationalen Erfolg bis zum heutigen Tage. Seitdem enttäuschen internationale Konferenzen die wachsende Community von Umweltaktivisten und NGOs. Auch Rio+20, die bewusst symbolträchtige Wiederauflage der Konferenz von 1992, wurde gleichermaßen als Komplettversagen der internationalen Politik gegeißelt.

Fristen, Ziele, verbindliche Vereinbarungen? Wieder einmal: Fehlanzeige! Die 53 seitige Abschlusserklärung ist für Greenpeace, WWF & Co. eine Farce, ein mit Floskeln gespicktes Phrasenschwein. Nicht einmal das zaghafte aber mühsam erkämpfte Bekenntnis der 190 Teilnehmerstaaten zu einer „Green Economy“ besänftigt. Ganz im Gegenteil. Vielerorts vernimmt man Stimmen, die den Vereinten Nationen „Greenwashing“ vorwerfen: Partikularinteressen aus Industrie und Wirtschaft seien durch den Grünschleier der Abschlusserklärung gewahrt worden.

Richtig ist, dass die weiterhin bestehenden Subventionen von fossilen Brennstoffen weder der Umwelt noch der Weltwirtschaft nutzen. Die Preisverzerrungen sind zu groß, um einen fairen Wettbewerb der Energieträger zu garantieren. Die Rohstoffabhängigkeiten tragen zu wirtschaftlichen Unsicherheiten und geopolitischen Spannungen bei. Richtig ist auch, dass die Allmendeproblematik der Weltmeere nicht gelöst wird, solange keine verbindlichen Regeln für deren Nutzung angegangen werden. Bei diesen beiden Beispielen drängt sich in der Tat der Verdacht auf, dass wirtschaftliche Interessen diverser Staaten die Verhandlungen bis in die Bedeutungslosigkeit getrieben haben.

Vor diesem Hintergrund ist auch insbesondere der Disput zwischen Industrie- und Entwicklungsländern bezüglich des Konzepts der „Green Economy“ zu sehen. Erstere versprechen sich durch die geplante Vereinbarkeit von wirtschaftlichem Treiben und Umweltschutz lukrative Technologieexporte und Direktinvestitionen, während Letztere einen versteckten Protektionismus durch übertriebene Umweltstandards fürchten.  Es ist der seit längerem schwelende Konflikt zwischen reichen und aufstrebenden Staaten, der die Verhandlungen lähmt. Es ist den Entwicklungs- und Schwellenländern jedoch nicht zu verübeln, dass Nachhaltigkeit erst da ansetzt, wo ihr wirtschaftlicher Aufholprozess aufhört. Deshalb ist es wichtig, dass der Technologietransfer gefördert wird und Anreize für private Investitionen in nachhaltige Entwicklungsprojekte  bestehen.

Denn eines sollte klar sein: Wirtschaftlicher Wohlstand muss heute nicht mehr wie zu Zeiten Tocquevilles in „shock cities“ mit „dark Satanic mills“, neudeutsch „sweat shops“, teuer und zu Lasten von Mensch und Umwelt erkauft werden. Emissionsarme und energiesparende Technologien und sozial- wie umweltgerechte Wirtschaftskonzepte sind verfügbar, sie müssen nur zum Einsatz kommen.

Es gilt nach wie vor: Nachhaltigkeit in den drei Prioritäten ökologisch, ökonomisch und sozial ist nur zu haben, wenn sie global umgesetzt wird. Die Enttäuschung über die Ergebnisse von Rio+20 auf politischer Ebene waren daher vorprogrammiert – dabei ist dieses Mal zumindest eine Abschlusserklärung zu Stande gekommen. Die enttäuschten Hoffnungen auf verbindliche Vereinbarungen bei Rio+20 sind jedoch kein Grund zu Fatalismus und Schwarzmalerei. Sie sind lediglich die logische Konsequenz des Startschusses, der 1992 zu langwierigen und entbehrungsreichen Absprachen fiel. Warum sollte die Debatte über Nachhaltigkeit schneller verlaufen als Verhandlungen über internationale Handelsbestimmungen, Menschenrechte oder andere wichtige und globale Themen? … Richtig, weil mehr auf dem Spiel steht, und zwar für alle gemeinsam.

Es gibt dennoch Hoffnung: Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft sind in vielen Bereichen bereits viel weiter als die internationale Politik und treiben das Projekt Nachhaltigkeit an. Die „Zukunft, die wir wollen“, bestimmt nur selten eine internationale Konferenz. Aus rein politischen Kreisen sollten keine Impulse erwartet werden. Es sind auch andere engagierte Kräfte am Werk, die die Zukunft mit Köpfchen gestalten. Das war auch schon vor 1992 der Fall.


Dies ist ein Beitrag aus der Reihe “WachstumsBlog”. In einem bis zwei Beiträgen pro Woche beschäftigen sich Wirtschaftsexperten im ÖkonomenBlog mit Themen rund um nachhaltiges Wachstum.

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