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Schuldenunion: Die Würfel sind gefallen

Die Bundeskanzlerin hat in der Nacht zum Freitag ihre roten Linien neu gelegt und ist in wichtigen Punkten zu den Bestimmungen des Rettungsschirms eingeknickt. Der  Zugang zum Rettungsgeld wurde erleichtert. Die Kanzlerin ist wohl Opfer ihrer eigenen Taktik.

„Scheitert der Euro, dann scheitert Europa!“ Dieser Leitsatz der Bundeskanzlerin, den sie zwar erst im Oktober 2011 in einer Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag postulierte, beherrscht seit Beginn der Griechenland-Rettungspakete im Jahr 2010 die hektischen Aktivitäten der deutschen wie der europäischen Politik. Mit immer größeren Hilfspaketen und Rettungsschirmen der Mitgliedsstaaten und mit Hilfe der Notenpresse der Europäischen Zentralbank ist Europa immer schneller in die Euro-Falle gerannt. Mit diesem Euro-Mantra wurden die Finanzmärkte förmlich zum permanenten Ausloten der Rettungsbereitschaft eingeladen, ist die Politik von einer Rettungsaktivität zur nächsten getrieben worden. Deutschland machte sich, je länger die Krise dauerte und je höher die Garantien und Bürgschaften der Rettungsschirme wurden, immer erpressbarer durch die Krisenländer.

In Griechenland, Portugal, Italien oder Spanien thematisieren Politiker immer offensiver, welche Summen für Deutschland wirtschaftlich auf dem Spiel stünden, wenn ihre Länder zahlungsunfähig würden. Und europäisches Spitzenpersonal unter Führung von Ratspräsident Herman van Rompuy, Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker und EZB-Chef Mario Draghi verdichteten in den vergangenen Wochen ihre Strategie für eine „echte Wirtschafs- und Währungsunion“ vor allem in Richtung einer gemeinsamen Haftungsunion: Eurobonds für die „Vergemeinschaftung“ der Staatsschulden und eine Bankenunion mit europaweiter Einlagensicherung. Strukturreformen, mit denen schwächelnde Mitgliedsstaaten ihre Wirtschaftskraft steigern können, oder streng überwachte Stabilitätsauflagen für mehr Haushaltsdisziplin finden sich in diesem Vierergruppen-Tableau eher als Randbemerkungen.

Eurobonds werde es mit ihr nicht geben, „so lange ich lebe“, hat Angela Merkel vor der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag hinter verschlossenen Türen gesagt, wie unzählige Zeugen bestätigen. Im Deutschen Bundestag hat sie dieses harte Verdikt in ihrer Regierungserklärung am Donnerstag vor der Abreise nach Brüssel nicht wiederholt. Doch kann sie persönlich, ja kann Deutschland überhaupt noch diesen Zug in eine Transferunion aufhalten? Bei den innenpolitischen Zugeständnissen an die Bundesländer, mit denen sich die Bundesregierung deren Zustimmung zum Fiskalpakt und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) „erkaufte“, findet sich auch das Versprechen einer gemeinsamen Schuldenaufnahme von Bund und Ländern. Sind diese Deutschlandsbonds nicht eine Steilvorlage für die Eurobonds-Befürworter in Europa? Wogegen sich Deutschland in Europa wehrt, das macht es künftig doch auch im Inland.

Wenn die Ergebnisse der gestrigen Nachtsitzung in Brüssel nicht täuschen, dann haben Italien und Spanien der Bundeskanzlerin bereits weitere Zugeständnisse abgetrotzt. Die spanischen Banken sollen direkt aus dem ESM finanziert werden und Länder wie Italien brauchen keine Überwachung durch die europäische Troika zu fürchten, sollten sie Hilfen aus den europäischen Rettungsschirmen in Anspruch nehmen. Der Marsch in die Transferunion Europa scheint nicht mehr zu stoppen zu sein.

Die einzige wirkungsvolle politische Gegenposition, die Deutschland hätte aufbauen können, wäre die klare Ansage an die Partnerländer in Südeuropa, dass die gemeinsame Währung Euro eben nicht sakrosankt ist. Europa ist mehr als der Euro. Das beweisen auch und gerade erfolgreiche EU-Mitgliedsstaaten wie Schweden, die unsere Währung nicht haben und sie heute weniger denn je anstreben.

Doch die Würfel sind gefallen, die Euro-Falle ist zugeschnappt. Nur noch das Bundesverfassungsgericht kann jetzt die Preisgabe nationaler Souveränität auf dem Altar des Euro stoppen, wenn es in den nächsten Wochen die Verfassungsmäßigkeit des ESM überprüft. Doch haben die Verfassungsrichter überhaupt noch echte Entscheidungsfreiheit. Stecken nicht auch sie in der Euro-Falle?