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Der Lockruf des dualen Studiums

Wer hat's erfunden? Die Schwaben! Vor 40 Jahren führten etwa 50 Unternehmen in Baden-Württemberg das duale Studium ein. Galt es lange als bieder, ist es heute die am schnellsten wachsende Studienform. Und: Es kann helfen, die dringend benötigten Fachkräfte aus dem Ausland in die Bundesrepublik zu locken.

Das duale Studium wird immer beliebter. Dem Bundesinstitut für Berufsbildung zufolge haben 2011 etwa 60.000 Studenten am dualen System teilgenommen. Das sind 20 Prozent mehr als im Vorjahr und 70 Prozent mehr als 2005. Um ein Fünftel stieg im Vergleich zum Vorjahr auch die Zahl der angebotenen Studiengänge – auf 930. In Baden-Württemberg sind heute zehn Prozent aller Studienplätze dual, im der Rest der Republik erst zwei Prozent. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) geht davon aus, dass sich die Zahl zukünftig drastisch erhöht.

Das duale Studium bietet jungen Menschen einen qualifizierten Einstieg ins Berufsleben und nahezu eine Arbeitsplatzgarantie. Allerdings: Die Studenten müssen leistungsbereit sein, Semesterferien gibt es nicht, nur den im Unternehmen üblichen Urlaub.

Dass diese bisher speziell deutsche Studienform nun auch Exportschlager wird, spricht für seine Qualität: Die von Bundesbildungsministerin Schavan und ihrem spanischen Amtskollege Ortega vor wenigen Tagen beschlossene Kooperation für eine enge Zusammenarbeit im Berufsbildungssystem wird zwar schon jetzt etwas übertrieben als „Pionierarbeit für Europa“ bezeichnet, könnte aber nicht nur die Zahl der jungen spanischen Arbeitslosen, sondern vor allem auch den deutschen Fachkräftemangel verringern helfen. Ziel ist es zunächst, eine duale Berufsausbildung in Spanien zu installieren. Dann sollen aber auch spanische Jugendliche in Unternehmen in Deutschland ausgebildet werden – vermittelt durch direkte Kontakte zwischen  spanischen und deutschen Unternehmen und die EURES-Datenbank. Sie enthält künftig nicht nur die offenen Stellen in der Europäischen Union, sondern auch die zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze.

Deutschland benötigt dringend diese jungen arbeitswilligen Europäer. Zwar hat die Zuwanderung 2011 etwas zugelegt – nachdem auch den osteuropäischen EU-Nachbarn die Arbeitnehmerfreizügigkeit gewährt wurde: Dem Statistischen Bundesamt zufolge gab es 279.000 Zuzüge. Doch nur 50.000 Personen kamen aus Spanien oder Italien nach Deutschland, zwei Drittel der Zuwanderer aus den östlichen Mitgliedstaaten.

Aktuellen Studien zufolge (Bitkom, Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft, FAZ-Archiv) fehlen der Bundesrepublik in fast allen Berufen qualifizierte Bewerber – vom Lehrling bis zum Akademiker. Dass sich hierzulande der Arbeitsmarkt von einem Angebots- zu einem Nachfragemarkt entwickelt hat, wo Unternehmen die Bittsteller und die Bewerber die Kunden sind, ist seit einigen Jahren der für viele Betriebe schwer zu akzeptierende Trend. Wollen deutsche Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben und weiter wachsen, sollten sie aber dringend ihre Arbeitgeberattraktivität erhöhen. Und systematisch mit entsprechendem Personalaufwand auch im europäischen Ausland rekrutieren.

Zudem müssen die bürokratischen Hürden noch stärker abgebaut werden. Ein erster Schritt ist getan: Seit dem 1. August 2012 gilt die „Blue Card“. Mit ihr können Akademiker auch aus dem außereuropäischen Ausland leichter Arbeit in Deutschland finden. Das Institut für Arbeitsmarktforschung (IAB) erwartet, dass durch die „Blue Card“ noch in diesem Jahr 6.000 Fachkräfte aus dem Nicht-EU-Ausland in die Bundesrepublik kommen.  Mittel- und langfristig wird allerdings ein Punktesystem wie in den USA oder Kanada wohl auch bei uns nötig sein, das die Zuwanderung durch am Arbeitsmarkt orientierte Kriterien steuert.


Dies ist ein Beitrag aus der Reihe “WachstumsBlog”. In einem bis zwei Beiträgen pro Woche beschäftigen sich Wirtschaftsexperten im ÖkonomenBlog mit Themen rund um nachhaltiges Wachstum.

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