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EZB öffnet die Büchse der Pandora

Am Donnerstag kündigte die EZB unbegrenzte Anleihenkäufe an. Die Krisenstaaten haben nun garantierten Zugang zu neuen Krediten. Das beruhigt die Märkte. Doch wie lange hält die Euphorie? Und welche Gefahren drohen von der EZB-Politik? Mutiert Europa zur Transferunion?

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat diese Woche endgültig alle geldpolitischen Schleusen geöffnet. Künftig werden auch in Europa ungeniert mit der Notenpresse direkt Staatsschulden finanziert. Denn nichts anderes stellt im Ergebnis der unbegrenzte Kauf von Staatsanleihen der Krisenländer durch die EZB dar, um deren Zinsen zu senken.

Mit diesem Aufkaufprogramm der Notenbank wird vor allem der politische Reformdruck in Griechenland, Italien, Spanien oder anderswo rasch erlahmen. Dabei hat die Notenbank nach Buchstaben und Geist ihrer Gründungsakte genau für dieses Anleihen-Kaufprogramm kein Mandat. Sie ist ausschließlich der Geldwertstabilität verpflichtet. Nur noch Bundesbankpräsident Jens Weidmann stimmte gegen diese radikale Abkehr von der alten Notenbanktugend, die einstens von der Deutschen Bundesbank in Frankfurt vorbildhaft gelebt wurde.

Die Bundesregierung, allen voran die Bundeskanzlerin und der Bundesfinanzminister, fahren dabei augenzwinkernd eine Doppelstrategie. Offiziell stehen sie auf der Seite des Bundesbankpräsidenten, dessen Haltung in der deutschen Bevölkerung viel Rückhalt findet. Inoffiziell aber goutieren Angela Merkel und Wolfgang Schäuble die Ausputzerrolle der EZB, weil ihnen damit eine ansonsten bald anstehende Aufstockung des ESM oder ein weiteres Griechenland-Rettungspaket erspart wird.

Europa mutiert mit dieser Entscheidung endgültig zur Transferunion. Der politische Putsch gegen die nationale Souveränität der Mitgliedsstaaten ist gelungen. Statt des Subsidiaritätsprinzips, das jedes Mitgliedsland letztlich verpflichtet, für die eigenen politischen Fehler – Überschuldung etwa und/oder unterlassene Strukturreformen – eigenverantwortlich zu haften, gilt jetzt ein uneingeschränktes Solidarprinzip, das in organisierte Verantwortungslosigkeit mündet.

Eine gigantische Umverteilung zu Lasten der größten Volkswirtschaft droht. Dabei haben gerade die Deutschen über mehr als ein Jahrzehnt hinweg einen hohen Preis für den wirtschaftlichen Wiederaufstieg gezahlt: Zuerst erzwang der ökonomische Wiedervereinigungsschock Lohnzurückhaltung, Mehrarbeit und Strukturreformen, dann die Euroeinführung. Fast fünfzehn Jahre lang stieg die Kaufkraft der Bundesbürger nicht, während sie speziell in den europäischen Krisenländern teilweise um mehr als 40% wuchs.

Während in vielen Kreisen die Sorge vor künftiger Inflation vorherrscht, ist die massive Enteignung der Sparer durch die Niedrigzinspolitik der Notenbanken bereits voll im Gange. Dies stellt die hinterhältigste Strategie der staatlichen Entschuldung dar. Und sie erschüttert ganz nebenbei eine Grundsäule jeder nachhaltig funktionierenden Gesellschaft im Kern: das eigenverantwortliche Sparen für die Unwägbarkeiten des Lebens – für Alter, Krankheit, die Nachkommen.