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600 000 000 000 Euro Steuern

Der Staat nimmt so viel Geld ein wie nie. Im nächsten Jahr soll es noch mehr werden. Eine gute Gelegenheit, Schulden abzubauen und zu sparen. Aber wer hat dazu schon Lust?

Eindrucksvolle Zahlen meldet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Das Berliner Institut schätzt, dass Bund, Länder und Gemeinden dieses Jahr erstmals über 600 Milliarden Euro Steuern kassieren. 2013 sollen die Einnahmen sogar auf 620 Milliarden Euro steigen. Hauptgrund für diesen Trend ist den Experten zufolge der robuste Arbeitsmarkt. Stetig steigende Beschäftigung und Gehaltszuwächse haben das Lohnsteueraufkommen ordentlich in die Höhe getrieben.

Auch das Bundesfinanzministerium bestätigt diesen Trend: Im August waren die Steuereinnahmen des Staates so stark gestiegen wie seit etwa eineinhalb Jahren nicht mehr. Bund und Länder nahmen 12,8 Prozent mehr Steuern ein als im Vorjahresmonat.

Wer jetzt noch behauptet, die Steuern müssten in Deutschland steigen, weil der Staat immer weniger Geld hat, muss schon recht kühn sein. Tatsächlich hat die Bundesrepublik seit zwanzig Jahren steigende Steuereinnahmen. 1991 nahm der Staat 338 Milliarden an Steuern ein. Angesichts unserer heutigen 600 Milliarden Euro können wir selbst nach Abzug der in den vergangenen gut 20 Jahren niedrigen Inflationsraten einen ziemlichen Zuwachs feststellen.

Was bei uns allerdings auch gestiegen ist, sind die Staatsschulden. Sie liegen heute bei zwei Billionen Euro. Das sind ca. 83 Prozent des jährlichen Bruttoinlandprodukts (BIP). Vor der Finanzkrise waren es etwa 70 Prozent des BIP. Mal zum Vergleich: Die Steuereinnahmen der Vereinigten Staaten betragen etwa 2,3 Billionen US-Dollar. Die Gesamtschulden der USA Staaten liegen bei gut 15 Billionen Dollar. Der US-Schuldenberg beläuft sich damit auf 102 Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Volkswirte gehen davon aus, dass maximal 90 Prozent Verschuldung möglich sind, ohne einen Staatsbankrott herbeizuführen.

Während in den USA also die Alarmglocken längst schrillen, aber sie wohl keiner hören will, können wir uns in Deutschland zumindest noch ein wenig mit dem Gefühl beruhigen, dass die Bundesrepublik noch nicht blank ist. Nun könnte man ja sogar meinen, dass die 600 Milliarden Euro Steuereinnahmen endlich den Weg freigeben, um die Schulden schleunigst abzubauen. Doch das tun wir nicht. Oder besser gesagt, wir tun es in kleinen Schritten.

Der Anstieg der Neuverschuldung in den Jahren 2008 und 2009 war enorm. Ende 2009 lag die Neuverschuldung bei 86 Milliarden Euro. 2012 wird sie wohl bei gut 30 Milliarden Euro liegen. Das langfristige Ziel ist: keine Neuverschuldung. Ab 2016 will der Staat höchstens pro Jahr 0,35 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Leistung an neuen Schulden aufnehmen. So lautet das Versprechen an die Bürger.

Wir sind also auf einem guten Weg. Ohne Schulden wird eine Volkswirtschaft niemals sein. Die Schulden müssen aber zu der gesamtwirtschaftlichen Leistungskraft passen. Das heißt auch für die Zukunft, die Schulden müssen abgebaut werden, zum Beispiel durch Sparen, und gleichzeitig müssen die Bedingungen für Wachstum gestärkt werden. So hört man’s stets von der Politikprominenz. Es klingt gut – doch Hand aufs Herz: Zum Sparen haben doch die wenigsten Politiker Lust und Zeit. Schließlich geht es hier um Macht und Machterhalt. Mehr Geld im Steuersäckel hat noch nie zu politischer Selbstbescheidung geführt. Als Bürger machen wir eher die Erfahrung, dass höhere Einnahmen zu einer noch höheren Bereitschaft der Politiker führen, Geld auszugeben.

Deswegen sind die 600 Milliarden Euro ein fantastisches Ergebnis. Doch auch gefährlich – vor allem wegen der Politiker. Mit einer solchen Aussicht lässt sich nämlich gut Wahlkampf machen und allerhand Unsinn versprechen. So sollte jeder Wähler im Jahr vor der Bundestagswahl, genau hinsehen und -hören, wie viel Geld in welche großzügigen Vorhaben und sonstigen Betreuungskokolores fließen soll – und gleichzeitig genau kontrollieren, was für den Schuldenabbau übrig bleibt.