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Der grüne Phantast

Paul Gilding: Die Klimakrise wird alles ändern – und zwar zum Besseren; Freiburg 2012, Herder-Verlag Paul Gildings Buch ist nett zu lesen. Aber wer die Klimakonferenzen – zuletzt in Doha – verfolgt hat, kann sich über Gildings Idealismus nur wundern. Nicht die Klimakrise ist das Problem, sondern der zunehmende Verbrauch von Energie und Rohstoffen. Und an diesem Verbrauch wird auch die Ankündigung eines Welt-Untergangsszenarios so schnell nichts ändern.

Paul Gildings Pointe ist nicht neu: Wir müssen uns ändern. Penetrant und jedem Pessimismus zum Trotz ist Gilding jedoch überzeugt: Die Menschen werden sich ändern. Und zwar wenn die Klimakrise komplett ist. Dann tun sie es automatisch. Erst mit dem Rücken zur Wand werden wir uns bewegen, meint Gilding. Das ist Pädagogik, die für die Kinderstube taugen mag, wohl aber kaum reicht, um den Riesenmechanismus namens Erde in eine andere Richtung zu bewegen.

Der Autor, Ex-Greenpeace-Aktivist, scheint sich zum Zweckoptimisten entwickelt zu haben. Vielleicht liegt es daran, dass Gildung mittlerweile an die Marktwirtschaft und ihre notwendigen Mechanismen glaubt: In seiner heutigen Funktion als Wirtschaftsberater weiß kaum einer besser als er, wie man den Unternehmen und damit zahlungskräftigen Kunden den Wandel zum radikalen Klimaschutz näherbringen kann.

Wir löchern das Ozon und schmelzen das Eis, lautet Gildings nicht neue Botschaft. Sein Rezept zur Heilung: Wir müssen auf den Abgrund zusteuern, um alles besser werden zu lassen. Gilding beschwört Schumpeters „schöpferische Zerstörung“, die wir „im Schnelldurchlauf erleben werden“. Erst die Katastrophe wird die Motivation bringen, alles zu ändern. Wenn es dann mal nicht zu spät ist!

Gilding glaubt dennoch, dass man die CO2-Emissionen schnell aus dem Produktionsprozess verbannen kann, wenn man nur schnell genug handelt. Bleibt die Frage: Wer ist überhaupt bereit zu handeln? Dass bisher keine einzige Klimakonferenz auch nur ein einziges hoffnungsvolles Ergebnis gebracht hat und wohl auch nie bringen wird, übersieht er großzügig.

Gilding Idealismus verblüfft. Denn im Grunde ist nicht die Klimakrise das Problem, sondern der zunehmende Verbrauch von Energie und Rohstoffen. Und an diesem Verbrauch wird sich so schnell nichts ändern. Bald werden acht Milliarden Menschen mit Fahrzeugen über unseren Planeten fahren. Die Schwellenländer verspüren ein großes Nachholbedürfnis in punkto Wohlstand und werden noch gewaltig konsumieren. Der technische Fortschritt wird die Ressourcen- und die damit verbundenen Klimaprobleme höchstens zeitlich nach hinten verschieben, aber nicht lösen. Kritiker sind sich längst einig, dass die Welt kaum mehr zu retten ist. Die einen schlagen vor, dass wir statt Windräder lieber höhere Deiche bauen sollten (Kai Konrad, Direktor des Max-Planck-Instituts für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen). Die anderen glauben, dass auch Schutzmaßnahmen nicht mehr helfen –  Dennis Meadows, Buchautor des „Limits to Growth“, gibt eine wenig hoffnungsvolle Antwort: „Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, was passieren wird. Es ist wie auf der Achterbahn. Als wir unser Buch im Jahr 1972 herausgebrachten, haben wir gefragt: Wollt ihr auf die Achterbahn, ja oder nein? Wir sind eingestiegen. Und jetzt geht’s immer schneller und schneller, und wir verlieren zusehends die Kontrolle. Was tut man auf einer richtigen Achterbahn, wenn man ganz oben angekommen ist? Man tut alles, um zu überleben. Da stehen wir jetzt.“

Gilding schafft es zwar, auf gut 340 Seiten in sehr lesbarer Form die Vorteile einer grünen Industrie von der selbstversorgenden Unternehmerin im indischen Dorf über den Biobauern in Australien bis zum CEO in Davos, der sein Wissen zur Beeinflussung des Marktverhaltens klug einsetzt, zu beschreiben – er verweigert aber wie viele Wachstumskritiker die Antwort darauf, wie diese technische Entwicklung für eine neue Welt finanziert und damit realisiert werden soll. Insofern bietet das Buch keine wirkliche Grundlage für die erfolgreiche Umsetzung einer grünen Revolution.