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Buthan fängt bei jedem einzelnen an

Annette Jensen: Wir steigern das Bruttosozialglück – von Menschen, die anders wirtschaften und besser leben, Herder-Verlag Dass das Bruttosozialprodukt als Rechenhilfe für Wohlstand und gelebtes Glück nicht ausreicht, ist nicht neu. Auch die Diskussion um Ersatzbegriffe wie Bruttosozialglück nicht. Neu dagegen ist, dass immer mehr Menschen nicht mehr reden, sondern handeln wollen, um ihr Glück zu finden. Von diesen Vorreitern erzählt Annette Jensens anekdotenreiches Buch.

Die glücklichen Menschen leben in Dörfern, glauben an Gott und lassen sich nicht scheiden. So oder ähnlich klingt es, wenn Glücksforscher ihre alljährlich wiederkehrenden Ergebnisse präsentieren. Dass die Säulen des Glücks auch auf anderem Fundament stehen können, demonstriert die Wirtschaftsjournalistin Annette Jensen in ihrem Buch „Wir steigern das Bruttosozialglück“. Es erzählt „von Menschen, die anders wirtschaften und besser leben“. Aus der Verpflichtung gegenüber Umwelt und Gesellschaft und ohne den Zwang zum Wachstum entstehe das sogenannte Bruttosozialglück, glaubt die Autorin. Nachhaltige Entwicklung, Umweltschutz, Bewahrung der Kultur und Good Governance seien die Kriterien für die Bemessung dieses Glücks.

In ihrem Buch beschreibt Jensen die mit Unternehmergeist und Green-Economy-Motivation beseelten Akteure der lokalen und regionalen Wirtschaft – vom Ingenieur, der sich gegen den Widerstand vieler Bürger in einem Wiener Stadtteil ein Fernheizwerk baut und dadurch eine Welle von Energieexperimenten mit Stroh, Hausabfällen und Klärschlamm auslöst; von zwei Studenten, die sich in den Kopf gesetzt haben, ein Windrad zu bauen und heute ein florierendes Unternehmen führen; vom Bundeswehrsoldaten, der ein Solarzellen-Betrieb aufmacht, von Pilze-Züchtern, Bio-Aktiengesellschaftern, Schuhproduzenten, Schrottsammlern oder auch gemeinnützigen und genossenschaftlichen Bank-Managern.

Rein in die Kartoffeln, raus aus dem Kapitalismus – so könnte das Motto für viele der im Buch geschilderten Existenzgründer lauten. Doch ihnen allen ist gemein, dass jeder Fortschritt nur mit einer soliden und nachhaltigen Finanzierung funktionieren kann, mit einem auf Gewinn orientieren Geschäftsmodell – wenn auch das Ziel nicht maximaler Gewinn heißen darf.

Jensen ist klare Gegnerin der Vermessung des Wohlstands per Bruttoinlandsprodukt (BIP). „Sollte es weiterhin der zentrale volkswirtschaftliche Indikator bleiben, nützt das vor allem denen, deren persönlicher Vorteil auf diese Weise in der Öffentlichkeit als positiv für die Allgemeinheit dasteht“, schreibt die Autorin. Dass sie eine solche pauschale Behauptung aufstellt, kann man, muss man ihr aber nicht übel nehmen. Geradezu langweilig ist es aber, dass sie für das Gelingen eines nicht am BIP orientierten Staates ausgerechnet das bereits hundertausendfach zitierte buddhistische Königreich Buthan anführt. Bhutan machte sich zwar das Bruttosozialglück zum Staatsziel, aber niemand käme doch ernsthaft auf die Idee, deswegen dorthin auszuwandern! Der Mikrokosmos Buthan als Alternative überzeugte bislang den Westen genauso wenig wie Vanuatu im Südpazifik oder in Kolumbien – dort sollen laut dem „Happy Planet Index“ die glücklichsten Menschen leben.

Dass aber in diesem Ranking beispielsweise die USA unter „ferner liefen“ geführt werden, obwohl sie doch das „Glücksstreben“ („pursuit of happiness“) in ihrer Unabhängigkeitserklärung verankert haben, muss zu der Einsicht führen, dass es nicht allein Aufgabe eines Staates sein kann, für eine gesteigerte Lebensqualität im Einklang mit Gesellschaft und Umwelt zu sorgen. Annette Jensens Buch demonstriert, dass jeder Bürger aufgefordert ist, seinen Beitrag für ein anderes Wirtschaften und ein besseres Leben in seiner Region oder in seinem Land zu leisten. Dann kann das, was Buthan vormacht, auch in Hückeswagen, Süderlügum oder Unterübermoos Realität werden.