Soziales

Arbeitsmarkt, Bildung, Finanzmarkt, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , 2 Kommentare zu Mehr Bildung wagen

Mehr Bildung wagen

Ausgaben für Bildung und Forschung sind nur der siebgrößte Ausgabeposten im Bundeshaushalt 2010

Heute wird die Tigerente ein Etappenziel wohl erreichen: Dann steht der Koalitionsvertrag und am Mittwoch geht das neue Kabinett an die Arbeit. Auf ein Motto, ein Leitmotiv haben sich die schwarz-gelben Partner aber bis heute nicht geeinigt. Ich schlage eins vor: Mehr Bildung wagen.

Sicher: Auch andere schwere Aufgaben werden in dieser Legislaturperiode zu lösen sein. Die Bankenkrise ist noch nicht überwunden, das Staatsdefizit muss reduziert und die sozialen Sicherungssysteme in Ordnung gebracht werden. Als übergeordnete Dachmarke eignen sich diese Aufgaben aber nicht. Ist die akute Krise erst einmal überwunden, wird sich der Wettbewerbsdruck durch die voranschreitende Globalisierung weiter verschärfen. Und das trifft nicht nur die Unternehmen, sondern jeden Einzelnen. Immer weniger Menschen werden im verarbeitenden Gewerbe ihre berufliche Zukunft finden. Immer gefragter werden hochqualifizierte Ingenieure und Naturwissenschaftler in Forschung und Entwicklung, gute Fachkräfte für moderne Dienstleistungen. Dieser Strukturwandel wird von uns allen eine enorme Anpassungs- und Entwicklungsbereitschaft abverlangen.

In der Vergangenheit hat Deutschland sehr von seinen Fachkräften profitiert. Auf Dauer werden wir unser Wohlstandsniveau allerdings nur halten können, wenn wir unsere Anstrengungen in Bildung und Innovation deutlich erhöhen. Jeder Einzelne – und auch der Staat. Die Ausgaben des Bundes für Bildung und Forschung sind viel zu gering. Von dem Gesamtetat 2010 (327,7 Milliarden Euro) sollen gerade einmal 10,3 Milliarden in Zukunft investiert werden. Lediglich Platz sieben unter allen Ausgabeposten. Momentan gibt Deutschland viermal so viel Geld für die Schuldentilgung aus als für Bildung und Forschung! Das muss sich ändern. Und zwar schnell. Offenbar ist die neue Koalition dazu bereit, bis zum Jahre 2013 etwa 12 Milliarden Euro zusätzlich zu investieren. Steigen sollen auch die Ausgaben für ein neues Stipendienprogramm, nochmals plus 450 Millionen Euro. Das sind gute Signale. Zum Megathema macht man die Bildung aber erst dann, wenn man es sich zum Leitmotiv für die gesamte Regierungszeit macht. Dann wären wir zwar noch immer nicht am Ziel, aber auf einem guten Weg.


Nachholbedarf besteht auch beim Thema Innovation: Deutschland liegt als Forschungsstandort nur im internationalen Mittelfeld. Gestern veröffentlichte das DIW den “Innovationsindikator 2009”. Hier kommt Deutschland nur noch auf Rang 9 der 17 führenden Industrienationen.

Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , 4 Kommentare zu Sparen: nicht einfach, aber möglich

Sparen: nicht einfach, aber möglich

In den Haushalten von Bund, Ländern und Gemeinden klafft bis 2013 eine gigantische Lücke von 36 Milliarden Euro. Sparpotentiale sind dennoch vorhanden.

Steuern senken, Schulden abbauen, Ausgaben reduzieren. Wie passt das alles zusammen? Geht das überhaupt? Offenbar sind die Staatsfinanzen die härteste Nuss, die Schwarz-Gelb jetzt noch knacken muss. Fakt ist: In den Haushalten von Bund, Ländern und Gemeinden klafft bis 2013 eine gigantische Lücke von 36 Milliarden Euro. Bis zur Einführung der Schuldenbremse im Jahr 2016 sind das über 70 Milliarden. An Konsolidierung, Reduzierung von Aufgaben und Ausgaben kommt also keine Regierung vorbei. Spätestens 2011 müssen strukturelle Sparmaßnahmen realisiert werden.

Wo der Rotstift angesetzt werden kann, zeigten die Wirtschaftsforschungsinstitute letzte Woche noch einmal auf: bei den Subventionen, bei unsinnigen Maßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit, bei der Verschwendung im Gesundheitssystem. Einsparpotential in 2013: 32,9 Milliarden Euro. Außerdem könnten Steuervergünstigungen reduziert werden: Mehreinnahmen von über 18 Milliarden. Das sind alles keine einfachen Maßnahmen. Besitzstände werden in Frage gestellt. Unterm Strich zeigt aber die Rechnung: Sparen ist nicht einfach, aber möglich.

Arbeitsmarkt, Bildung, SozialesTagged , , , , 7 Kommentare zu Studiengebühren wirken positiv

Studiengebühren wirken positiv

Die Zahl der Studienabschlüsse ist in den letzten Jahren stetig angestiegen. Im Jahr 2008 haben mehr als 300.00 Studenten ihr Studium erfolgreich abgeschlossen

Studiengebühren  schrecken nicht vom Studium ab. Gegner dieser neuen Finanzierungsform hatten befürchtet, dass Studiengebühren eine Flucht der Studenten in gebührenfreie Bundesländer auslöse. Eine aktuelle Studie des DIW zeigt das Gegenteil: So ist die Wahrscheinlichkeit, dass Studienanfänger ihr Studium im heimischen Bundesland aufnehmen wollen, in Ländern mit Gebühren nur um zwei Prozent geringer als in Ländern ohne Gebühren. Auffällig ist, dass vor allem Abiturienten mit schlechten Noten eine gebührenfreie Uni wählen, während die Abiturienten mit Abiturnoten von 1,0 bis 1,5 – trotz Gebühren – eher im Heimatland bleiben. Die Gebührenländer profitieren damit doppelt: Einmal durch zusätzliche finanzielle Mittel, zum andern durch den Zulauf von Studenten mit besserer Abiturnote.

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Starker Mittelstand

79 Prozent der Beschäftigten in Deutschland arbeiten in mittelständischen Betrieben. Genau diese Unternehmen werden aber in besonderem Maße von Regulierung und Bürokratie belastet.

Gerne würdigt die Politik in Sonntagsreden die Leistungen des deutschen Mittelstandes. Preist ihn als tragende Säule der Wirtschaft. In der praktischen Politik fristet er dagegen ein düsteres Schattendasein.

79 Prozent aller 27 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigen arbeiten in einem kleinen bis mittelgroßen Betrieb. Im Aufschwung 2003 bis 2008 waren es die gleichen Unternehmen, die ihre Belegschaft um 6 Prozent erhöhten. Während bei den Großunternehmen (über 500 Mitarbeiter) die Beschäftigung stagniert, hat sich der Mittelstand als Jobmotor Nummer eins etabliert. Auch bei der Ausbildung zeigen sich die meist eigentümergeführten Mittelständler vorbildlich – sie stellen über 80 Prozent aller Ausbildungsplätze.

Das aktuelle Konjunkturtief macht allen Unternehmen gleichfalls schwer zu schaffen. Der Mittelstand aber wird zusätzlich durch überbordende Bürokratie und Regulierung belastet – und das seit Jahren. Das sind vor allem die große Zahl von Informationspflichten und die langwierigen Genehmigungsverfahren, die den Unternehmen viel Zeit und Geld kosten. Die hier gebundenen Ressourcen fehlen im Kerngeschäft und erschweren so den Erhalt und Aufbau neuer Arbeitsplätze. Wiederholt hat die Politik Besserung versprochen. Jetzt sollten auch Taten folgen.

Arbeitsmarkt, Bildung, SozialesTagged , , , , , , 1 Kommentar zu Akademiker selten arbeitslos

Akademiker selten arbeitslos

Die Zahl der Abiturienten hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Dagegen hat die Zahl der Hauptschulabsolventen abgenommen.

Oft wurde an dieser Stelle gezeigt, dass eine gute Ausbildung vor Arbeitslosigkeit und Armut schützt. Eine aktuelle Studie des deutschen Gewerkschaftsbundes will uns nun das Gegenteil zeigen. Demnach ist die Zahl der arbeitslosen Abiturienten im Jahresvergleich um 25 Prozent angestiegen, während die Zahl der arbeitslosen Hauptschüler nur einen Anstieg um 10,8 Prozent verzeichnet. Am besten schneidet die Gruppe ohne Abschluss mit einem Zuwachs von nur 5,5 Prozent ab. Wer also lernt und sich qualifiziert, verschlechtert scheinbar seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Diese Schlussfolgerung führt aber in die irre. Fakt ist: die Zahl der arbeitslosen Abiturienten ist gestiegen. Falsch ist aber, dass gut Gebildete schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt als weniger Qualifizierte haben.

Denn: Der größere Anstieg der Arbeitslosigkeit unter den Abiturienten hat einen Grund. Während die Zahl der Abiturienten steigt, verringert sich die Zahl der weniger gut Qualifizierten. Von 2003 bis 2007 stieg die Zahl der Abiturienten um fast  40.000, während die Zahl der Hauptschulabsolventen um 19.000 gesunken ist. Die Ergebnisse der Studie wurden also schlichtweg falsch interpretiert.

Untersucht man die qualifikationsspezifischen Arbeitslosenquoten ist das Ergebnis eindeutig: Die Arbeitslosenquote unter Akademiker liegt seit etwa 30 Jahren konstant bei 4 bis 5 Prozent, also fast Vollbeschäftigung. So schwer die Krise auch auf den Arbeitsmarkt durchschlagen wird, Hochqualifizierte haben nach wie vor bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt als Geringqualifizierte. Der eingeschlagene Weg, Bildung und Ausbildung zu fördern, sollte auf alle Fälle beibehalten werden. Denn es bleibt dabei: Bildung ist die die beste Medizin gegen Armut und Jobverlust.

Arbeitsmarkt, Bildung, SozialesTagged , , , , , , 1 Kommentar zu Unterfinanzierte Grundschulen

Unterfinanzierte Grundschulen

Die Ausgaben für Primärbildung ind Deutschland sind im Vergleich zu anderen OECD-Ländern unterdurchschnittlich.

 Seit geraumer Zeit ist das Thema „Bildung“ zu einem gesellschaftlichen und politischen Schlüsselthema avanciert. Gerne wird es von der Politik zur Chefsache erklärt. Offensichtlich hat sie nun endlich erkannt, dass Bildung die Lösung für alle Kardinalprobleme der Bundesrepublik ist: Fachkräftemangel, demografischer Wandel und Armut. Leider besteht nach wie vor eine erhebliche Diskrepanz zwischen Worten und Taten. Besonders deutlich wird dies bei der Primärbildung (Grundschulausbildung). Im Vergleich mit anderen OECD?Staaten ist Deutschland bei den Ausgaben für die Primärbildung äußerst knauserig. 2006 gab Deutschland hier alljährlich pro Schüler nur 5.362 Dollar aus. Damit lag Deutschland weit abgeschlagen auf den hinteren Rängen aller OECD-Staaten. Spitzenreiter USA war die Grundschulausbildung fast das Doppelte wert: 9.709 Dollar wurden hier pro Schüler investiert. Auch unser direkten Nachbarländer sind bei der Investition in den eigenen Nachwuchs deutlich engagierter: So investierte die Schweiz 8.793 Dollar und Österreich 8.515 Dollar in die Primärbildung. Fest steht: Vor dem Hintergrund des bereits heute schon wachstumshemmenden Fachkräftemangels und dem demographischen Wandel wird es sich Deutschland nicht länger leisten können, den primären Bildungsbereich weiterhin finanziell zu vernachlässigen. Zeit also, dass die Politik ihren Worten Taten folgen lässt und die Ausgaben für die Grundschulausbildung an die internationale Spitzengruppe anpasst.

Bildung, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , 4 Kommentare zu Kindergarten oder Kindergeld?

Kindergarten oder Kindergeld?

Deutschland gibt sehr viel Geld für direkte Förderung von Familien aus, zum Beispiel Kindergeld. Zu wenig allerings für gute Bildungs-Infrastruktur.Die ersten Ergebnisse der schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen liegen auf dem Tisch: Höhere Kinderfreibeträge und ein deutlich höheres Kindergeld. Was gut klingt, muss aber nicht unbedingt zielführend sein. Die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND kommentierte am vergangenen Freitag: „Deutlich effektiver könnte der Staat die Chancen von Kindern fördern, wenn er mehr Mittel in die Betreuungsinfrastruktur stecken würde: Den Ausbau der Kindertagesstätten vorantreiben, das Angebot an Ganztagsschulen ausweiten, kleinere Lerngruppen ermöglichen – die Liste lässt sich beliebig erweitern. Sozial benachteiligte Kinder würden davon besonders profitieren, ebenso alleinerziehende Mütter, die aufgrund mangelnder Betreuungsangebote das höchste Armutsrisiko tragen.“

In dem Gutachten „Sozialbilanz Familie“ des Instituts der deutschen Wirtschaft heißt es dazu: „Im internationalen Querschnitt gibt es einen empirischen Zusammenhang zwischen einem ausgewogenen Mix von monetären Hilfen (direkte Förderung) und passendem Infrastrukturangebot (indirekte Förderung) einerseits und dem Anteil in relativer Armut lebender Kinder andererseits. So geht eine steigende Erwerbstätigkeit von Frauen, die durch den Ausbau der Betreuungsinfrastruktur ermöglicht wird, mit der Verringerung der Kinderarmut einher.“

Deutschland gibt zwar bereits sehr viel Geld für Kinder und Familien aus, von einem ausgewogenen Mix kann aber keine Rede sein. Bei der direkten Förderung gehört Deutschland im europäischen Vergleich bereits zur Spitzengruppe. Bei der indirekten Förderung aber, bei Infrastruktur, Ganztagsplätzen und der Ausstattung von Schulen und Kindergärten, liegt Deutschland abgeschlagen zurück. Dominique Döttling schrieb dazu am 11. September im ÖkonomenBlog: „Noch mehr Kindergeld, noch mehr Elterngeld, eine Herdprämie für die Betreuung zu Hause und eine vollständige Abschaffung der Elternbeiträge  – alles wohlklingende Forderungen. Wer aber mit der Gießkanne staatliche Transfers an alle verteilt, tut für die wirklich bedürftigen Familien viel zu wenig.“

Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , 3 Kommentare zu Bundesministerium für Demografie

Bundesministerium für Demografie

Der demografische Wandel belastet insbesondere die Sozialkassen. Die Demografiekosten werden sich bis 2050 auf 22,3 Prozent des Bruttoinlandprodukts belaufen.

Die Erwartungen an die Koalitionsverhandlungen und an die künftige Politik der neuen Regierung sind groß. Ein „weiter so“ darf es nicht geben. Zugleich scheint der Handlungsspielraum eng. Zumindest wird dies allenthalben so behauptet. Dramatische Horrormeldungen über die öffentlichen Haushalte vermitteln den Eindruck, der Politik seien gänzlich die Hände gebunden.

Ich halte dagegen: Der politische Neuanfang ist eine Chance. Wir können zuversichtlich sein. Zwar muss einiges infolge der Krise geschultert werden. Doch entscheidend für die Tragfähigkeit sind zwei Größen: die europäische Zinspolitik und  das gesamtwirtschaftliche Wachstum. Um letzteres für uns alle zu sichern, müssen strukturelle Probleme am Standort Deutschland kuriert werden, gemeint ist vor allem der demografische Wandel.

Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung sind die zentralen Herausforderungen der nächsten Jahre. Hier liegt das große Potenzial der neuen Regierung. Das politische Neuland muss hart beackert werden, zugleich besteht aber viel Raum für Innovation. Ein Demografieministerium, das die heute noch sozialpolitisch verstreuten Zuständigkeiten bündelt, wäre ein wichtiger Schritt.

Arbeitsmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , 1 Kommentar zu Heilen, was zu retten ist

Heilen, was zu retten ist

Gute Gesundheit und technischer Fortschritt bedeutet auch: steigende Ausgaben bei den gesetzlichen Krankenkassen.

Die neue Tigerentenregierung macht ernst.  Ihr „Herz für Kindergeld“ (FTD) schlägt bei Staat und Steuerzahlern auf einen Schlag mit über acht Milliarden Euro zu buche. So ist das, wenn Politik am Start beste Reisestimmung verbreiten will. Auf ihrem langen Weg werden aber auch beschwerlichere Hürden zu überwinden sein. Die nächsten acht Milliarden Euro sind bereits in Sichtweite: die Riesen-Lücke im Gesundheitsfonds. Die tut sich im nächsten Jahr auf, und das obwohl die Kassenbeiträge der Versicherten bereits mit 12 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt aufgefüllt werden.

Vier Möglichkeiten bieten sich an: noch höhere Steuerzuschüsse, oder höhere Beiträge, oder eine Reduktion der Gesundheitsleistungen, oder Schöpfen vorhandener Effizienzreserven. Wer in diesen Tagen den Druck auf den Arbeitsmarkt nicht noch weiter verschärfen will, sollte auf eine Beitragserhöhung besser verzichten. Mehr Chancen bietet dagegen die Erhöhung des Wettbewerbsdrucks. Der Gesundheitsfonds leistet hierfür zu wenig, weil kostenbewusstes Management bei den Versicherten nicht ankommen kann – die Beitragssätze werden ja nunmehr bundeseinheitlich vom Staat persönlich festgelegt. Wettbewerbsdynamik kann so jedenfalls nicht entstehen. Und wer die Defizite der Kassen über Steuern ausgleicht, der wird das kranke System ebenfalls nicht nachhaltig heilen.

Einziger Lichtblick sind die einkommensabhängigen Zusatzbeiträge, die von den Kassen erhoben werden können. Deren Höhe ist gesetzlich allerdings stark eingeschränkt. Warum konzentriert sich der staatliche Gesundheitsschutz nicht auf die Grundsicherung und überlässt den Rest dann jedem Einzelnen? Effizienter und kostengünstiger wird der Gesundheitsschutz nur, wenn Versicherte die Chance erhalten, sich für individuelle Versicherungspakete, Tarife und Prämien zu entscheiden. Etwas weniger Gleichheit – aber mehr Chancen für alle.


Zur Grafik: Gesundheitsberichterstattung des Bundes.

Arbeitsmarkt, Bildung, Ordnungspolitik, SozialesTagged , , , , 1 Kommentar zu Kein Wachstum ohne Menschen

Kein Wachstum ohne Menschen

Wachstum, höhere Produktivität und Löhe auf Westniveau: das funktioniert nicht, wenn die Menschen kontinuierlich abwandern. Dabei sind Schulen und Hochschulen anziehende Standortfaktoren im Osten.

In den 20 Jahren nach der friedlichen Revolution in den neuen Bundesländern ist viel geschafft worden. Zahlen und Fakten belegen das ziemlich eindrucksvoll. Und zwar für alle Lebensbereiche: Einkommen, Vermögen, Gesundheit, Bildung, Umwelt und Konsum. Und dennoch wächst die Wirtschaft heute nicht mehr so kraftvoll wie in der ersten Einheitsdekade. Produktivität und Löhne hinken im Osten noch immer hinter dem Westniveau her.

Dafür gibt es Gründe: Nach dem Bau-Boom in den 90er Jahren schrumpfte diese Branche zunächst wieder auf ein Normalmaß – ebenso wie die Wachstumsraten des BIP. Im gleichen Zeitraum zog die ostdeutsche Industrie umso schneller an.

Wollen wir die Produktivität und das Einkommen auf das noch höhere Niveau im Westen anheben, dann muss der Strukturwandel im Osten weiter voranschreiten. Moderne Industrie, das verarbeitende Gewerbe, die Exportwirtschaft benötigt immer neue technologische Schübe. Innovationen lassen sich aber nur von exzellenten Wissenschaftlern entwickeln und gut qualifizierten Fachkräften realisieren. Und genau hier liegt die spannende Aufgabe der nächsten Jahre. 

Die Autoren der Studie „Aufbruch Ost“ schreiben dazu: „Die größten Gefahren dürften mittelfristig von einem weiterhin hohen Niveau der Unzufriedenheit und des Unglücklichseins in vielen Regionen Ostdeutschlands ausgehen, die zur Abwanderung Anlass geben.“ Tatsächlich hat sich die Abwanderung aus den neuen in die alten Bundesländer auf einem zu hohen Niveau stabilisiert. Was dem Osten dabei vor allem entgeht, sind junge Menschen mit mittleren Qualifikationen und Hochschulabschlüssen. Die Bildungslandschaft Ost ist exzellent. Wenn die Weltwirtschaft in der nächsten Zeit wieder anspringt, werden die Menschen in den neuen Ländern händeringend gebraucht.


Zur Grafik: Quelle Deutsche Bank Research, Aufbruch Ost, September 2009.

Arbeitsmarkt, Bildung, Ordnungspolitik, SozialesTagged , , , , , , , , , Leave a Comment on MINT-Fächer müssen aufholen

MINT-Fächer müssen aufholen

Auf 1.000 Erwerbstätige kommen nichtmals ein frisch studierter Ingenieur oder Naturwissenschaftler.

Akademische Bildung ist eine wichtige Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg. Dies gilt sowohl für jeden Einzelnen. Und ebenso für die gesamte Volkswirtschaft. Der Strukturwandel zu einer wissens- und forschungsintensiveren Gesellschaft wird die Nachfrage nach hochqualifizierten Fachkräften erhöhen. Hinzu kommt: Durch die Altersstruktur der Arbeitnehmerschaft müssen in den nächsten Jahren viele Stellen neu besetzt werden. Kann das Angebot mit dem steigenden Bedarf nicht Schritt halten, kommt es zu Fachkräfteengpässen und dadurch zu einer geringeren Wertschöpfung. Diese Gefahr muss frühzeitig gebannt werden: Denn Deutschland hinkt bei der Ausbildung von Akademikern hinter anderen Ländern der OECD hinterher.

Eine besonders große Lücke klafft bei den Ingenieuren. Auf jeden Ingenieur, der demnächst aus dem Erwerbsleben ausscheidet, kommen rein rechnerisch nur 0,8 jüngere. Hinzu kommen die offenen Stellen, die durch den Strukturwandel entstehen. Auf 1.000 Erwerbstätige kommt in Deutschland momentan nichtmals ein Absolvent bei den Ingenieur und Naturwissenschaften. Lediglich in der Türkei und Österreich ist das Angebot noch schlechter. Eine wachsende Lücke zwischen Angebot und Nachfrage ist vorprogrammiert.

Heißt: Der Bedarf an Ingenieuren ist immens. Es führt kein Weg daran vorbei: Das Angebot in den MINT-Fächern muss erhöht werden. Nur dann kann Deutschland auch zukünftig am Wachstum generieren und seine internationale Wettbewerbsfähigkeit erhalten.


Deutschland gehört zu den reichsten Ländern der Welt: Die unterschiedlichsten Facetten dieses Wohlstandes wurden in der Reihe „Wohlstands-Bilanz-Deutschland“ vorgestellt. Seit dem 2. Februar 2009 sind im ÖkonomenBlog dazu 26 Beiträge entstanden. Mit diesem Beitrag ist das Themen-Spezial damit vorerst abgeschlossen.

Arbeitsmarkt, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , 4 Kommentare zu Der Staat schafft keine Vollbeschäftigung

Der Staat schafft keine Vollbeschäftigung

Die Zahl der Erwerbstätigen hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen.

Mit seinem Konzept zur Vollbeschäftigung hat SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier den Bundestagswahlkampf inhaltlich bereichert. Kernpunkt seines „Deutschlandplans“: Vier Millionen neue Jobs bis 2020. Ein durchaus ambitioniertes Ziel. Nur, ist dies realistisch?

Schauen wir auf die letzten Jahre: Im Aufschwung zwischen 2005 und 2008 sind 1,6 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze entstanden. Bis 2020 haben wir ein ganzes Jahrzehnt – demnach müssten vier Millionen neue Jobs theoretisch machbar sein. Spannend bleibt aber die Frage, auf welchem Wege das Ziel erreicht werden kann.

Aus ökonomischer Sicht hängt die Schaffung neuer Arbeitsplätze primär von der Rentabilität und den Renditeerwartungen der Unternehmen sowie den Präferenzen der Konsumenten ab – und eben nicht von staatlicher Plan- und Machbarkeit. Denn woher will der Staat wissen, in welche Richtung sich der sektorale und sozioökonomische Strukturwandel entwickeln werden und was die Kunden in den nächsten Jahren kaufen wollen?

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Arbeitsmarkt, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , , , , , , 3 Kommentare zu Rentenbeiträge steigen – garantiert

Rentenbeiträge steigen – garantiert

Die Rentengarantie kann teuer werden. Im Handelsblatt vom 22. September rechnet Prof. Axel Börsch-Supan vor: Auf über 22 Prozent könnten die Beiträge steigen.

Im Frühjahr prognostizierten die Wirtschaftsforscher eine sinkende Bruttolohn- und Gehaltssumme – minus 2,3 Prozent für 2009. Würde bedeuten: sinkende Renten in 2010 – erstmals seit 1957. Bundesarbeitsminister Olaf Scholz konnte sich sodann mit dem gesetzlichen Verbot von Rentenkürzungen in Szene setzen. Die Gehaltsprognosen passten ihm aber nicht ins Konzept: Fast jeden Tag rechne „ein neuer schlauer Professor oder ein neues schlaues Institut“ aus, was alles schief gehen könne, sprach er in die Kameras und Mikrofone. „Aussagen zur Rentenanpassung sind zum jetzigen Zeitpunkt reine Spekulation”, wiederholte seine Sprecherin gestern noch einmal.

Warum aber eine Rentengarantie, wenn die ökonomische Einschätzung, es komme zu Gehalts- und Rentenkürzungen, Unfug ist? Weil der Arbeitsminister die Kosteneinschätzung zur Garantie-Erklärung ebenso wenig wahr haben will, wie die Gefahr sinkender Löhne. Dabei hatten der Freiburger Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen und sein Mannheimer Kollege Axel Börsch-Supan, unabhängig voneinander vorgerechnet: Die Rentengarantie gibt´s nicht zum Nulltarif. Vielmehr müssten die unsystematischen Eingriffe in die Rentenformel mit steigenden Beiträgen teuer bezahlt werden. Keine schöne Nachricht im Jahr der Bundestagswahl – dann wischt man die Analysen doch besser als „Expertengequatsche“ vom Tisch.

Die offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen jetzt aber, dass die Ökonomen doch den richtigen Riecher hatten. Die Bruttogehälter sanken bereits im ersten Halbjahr um ein Prozent – steigende Arbeitslosigkeit und auslaufende Kurzarbeit noch nicht mitgerechnet. Immer mehr Wirtschaftsforscher warnen, dass die Rentengarantie bereits 2010 greifen könnte – und die Rentenkasse damit erheblich belastet. Höhere Ausgaben und weniger Einnahmen – das ist in einem Umlagesystem nur schlecht möglich.  Steigende Beiträge sind dann so gut wie garantiert.


Grafik: Quelle Handelsblatt vom 22. September 2009.

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Teurer Brain Drain

Wanderungssaldo gegenüber den OECD Staaten

Fernsehserien wie „Deutschland adé“ oder „Die Auswanderer“, die den Umzug junger Familien ins Ausland dokumentieren sind derzeit in fast allen Fernseh-Programmen zu finden. Was die Sender aufgrund hoher Einschaltquoten jubeln lässt, kommt den Fiskus teuer zu stehen. Denn jede Fachkraft, die das Land verlässt, ist ein Verlust für unsere Volkswirtschaft und unseren Wohlstand zu Hause. Zu diesem Ergebnis kommt jetzt auch eine aktuelle Studie des ifo Instituts.

Besonders teuer wird es, wenn gut qualifizierte junge Menschen nach Ausbildung und Studium ihre berufliche Perspektive nur noch im Ausland sehen. Denn die zum Teil öffentlich finanzierte Ausbildung von Fachkräften und Hochqualifizierten belastet zunächst die öffentlichen Kassen. Erst in der langfristigen Betrachtung zahlen sich öffentliche Bildungsinvestitionen auch für die Volkswirtschaft insgesamt aus. Dann aber übersteigen geleistete Steuern und Abgaben der Fachkräfte die Kosten für deren Ausbildung bei weitem.

Für einen Facharbeiter, der mit 23 Jahren das Land verlässt berechnet das ifo-Institut ein fiskalisches Minus von 281.000 Euro, für eine Ärztin sogar knapp 1,1 Millionen Seit 2003 sind per Saldo 180.000 Fachkräfte abgewandert. Die Kosten für den Staat dürften im Milliarden-Bereich liegen. Hinzu kommt der gesamtwirtschaftliche Schaden, der sich aus dem Fachkräftemangel ergibt. Schon jetzt zeichnet sich nach Angaben der Wirtschaft ab, dass Absolventen insbesondere in den MINT-Fächern nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken. Wenn die Wirtschaft wieder Tritt fasst, wird sich dieser Umstand als  enorme Wachstums- und Wohlstandsbremse erweisen.

Wir müssen also die Abwanderung aus Deutschland stoppen. Dafür muss die Politik durch eine kluge Gestaltung des Steuer- und Abgabesystems den Standort Deutschland für Fachkräfte wieder attraktiver zu machen.

Bildung, Ordnungspolitik, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , , 4 Kommentare zu Ineffizient am Ziel vorbei

Ineffizient am Ziel vorbei

Die OECD zeigt: In Deutschland werden die Schwerpunkte falsch gesetzt ist. In Dänemark geht die Hälfte des Geldes in die Kinderbetreuung, in Deutschland nur ein Viertel.

Mit der Forderung nach einem höheren Kindergeld sind in Deutschland schon Bundestagswahlen (mit-)entschieden worden. In diesem Jahr versucht sich die Bundesfamilienministerin mit dem Versprechen nach einer Verlängerung der Vätermonate zu profilieren, andere werben für beitragsfreie Kindergärten und einer Herdprämie für die Kinderbetreuung zu Hause. Schon heute geben Bund, Länder und Gemeinden mehr Geld für Kinder- und Familienhilfen aus als die meisten anderen Industriestaaten.

Warum aber schneidet Deutschland bei all diesem familienpolitischen Eifer bei der aktuellen OECD-Studie so schlecht ab? Die Analyse zeigt: Weil zu viel Geld ineffizient verwendet wird. Es kommt ja nicht darauf an, wie viel Geld ausgegeben wird, sondern wofür – und für wen. „Wenn Deutschland in unseren Vergleichen schlecht abschneidet, liegt das daran, dass der Schwerpunkt der Ausgaben falsch gesetzt ist. In Dänemark geht die Hälfte des Geldes in die Kinderbetreuung, in Deutschland nur ein Viertel. Hier liegt das Problem“, sagte Willem Adema, OECD-Experte für Familienpolitik bereits im letzten Jahr.   

Eines ist klar: Wenn in Deutschland jedes sechste Kind in armutsgefährdeten Familien aufwächst, dann ist das für eines der reichsten Länder der Welt nicht akzeptabel. Die wichtigste Aufgabe der Familienpolitik muss also sein, für Kinder bestmögliche Betreuungs- und Förderangebote bereitzustellen und Eltern – vor allem allein erziehenden – den Wiedereinstieg in Arbeit zu ermöglichen.

Fast 184 Milliarden Euro landen in mehr als 150 Einzeltöpfen: vom Ehegattensplitting über das Kindergeld bis zur Kita-Finanzierung. Geld fließt augenscheinlich genug. Bei der Infrastruktur ist Deutschland aber noch immer weit abgeschlagen: Was uns trotz der Anstrengungen der letzten Jahre fehlt sind gute Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahre und qualitätsvolle Ganztagsangebote in Grund- und weiterführenden Schulen. Denn in den Ländern, die hier ordentlich aufgestellt sind, können deutlich mehr Frauen einer Erwerbsarbeit nachgehen. Die Kinder- und Bildungsarmut ist dort geringer. Noch mehr Kindergeld, noch mehr Elterngeld, eine Herdprämie für die Betreuung zu Hause und eine vollständige Abschaffung der Elternbeiträge  – alles wohlklingende Forderungen. Wer aber mit der Gießkanne staatliche Transfers an alle verteilt, tut für die wirklich bedürftigen Familien viel zu wenig.