Monat: Juli 2009

Prof. Dr. Michael Hüther

Autor

Prof. Dr. Michael Hüther

ist Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft.

Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , 1 Kommentar zu Weniger Menschen – höhere Steuern?

Weniger Menschen – höhere Steuern?

Altersaufbau in Deutschland im Jahr 2050

Fast täglich findet man neue Beiträge zur steuerpolitischen Debatte. Zunächst wurde nur über die Erhöhung des Mehrwertsteuer-Normalsatzes diskutiert. Jetzt auch über die Anhebung des ermäßigten Steuersatzes. Sicherlich ist streitbar, was das Umsatzsteuergesetz dem ermäßigten Steuersatz unterwirft. In Anbetracht der Krise sollte man auf diese Debatte allerdings besser verzichten. Denn zum einen vergeuden diese Gedankenspiele Energie und zum anderen laufen sie Gefahr, generelle Steuererhöhungen anzuregen. Denn jegliche Form von Steuererhöhungen führen in der jetzigen Phase in die falsche Richtung, weil die Inlandsnachfrage dadurch belastet werden würde.

Anstatt sich im Wahlkampf auf eine Mehrwertsteuerdebatte einzulassen, könnte man von allen Parteien verlangen, Antworten auf den demographischen Wandel zu entwickeln. Zwar finden sich in den Programmen auch Aussagen zur Vermeidung von Altersdiskriminierung und über den Zusammenhalt der Generationen. Aber die wichtigste Frage, wie wir mit der Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung umgehen sollen, bleibt von der politischen Seite her unbeantwortet. Dabei ist die Vielzahl der Einzelinitiativen in den Ministerien kaum zu überschauen.

Ein Blick voraus sollte im Jahr der Wahl neue Perspektiven eröffnen. So könnte z.B. die Schaffung eines Demografieressorts im Bundeskabinett eine wirklich angemessene Behandlung mit diesem Themenfeld sein. Nur so kann es gelingen, Vorurteile und Ängste überzeugend zu beantworten. Denn die im Grundgesetz fixierte Norm der “Gleichwertigkeit der Bevölkerung” muss angesichts der regionalen Differenzierung der Bevölkerung völlig neu justiert werden.

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Banken unabhängiger kontrollieren

Intensität der Bankenaufsicht

Die Finanzmarktkrise hat einen dringenden Reformbedarf bei der Bankenaufsicht offen gelegt. Davon betroffen sind die bankaufsichtlichen Regeln, dies betrifft aber auch die Organisation der Bankenaufsicht. In Deutschland teilen sich die Bundesanstalt für die Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und die Bundesbank die Aufgabe der Bankenaufsicht. Während die Bundesbank die Prüfungen vor Ort durchführt und die Meldungen der Banken entgegennimmt, erlässt die BaFin bankaufsichtliche Maßnahmen wie die Anordnung einer Sonderprüfung oder die Schließung eines Kreditinstituts.

Die Aufgabenteilung ist immer wieder ins Fadenkreuz der Kritik geraten: Sie führe zu Kompetenzwirrwarr, Reibereien zwischen den beiden Institutionen behindere die Effektivität der Bankenaufsicht, die BaFin sei zu weit weg von den Banken, um einen zeitnahen Einblick in deren Lage zu haben. Um diese Mängel abzustellen, sollte – so wird gefordert – die Bankenaufsicht unter einem Dach vereint werden.

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Steuern: heimlich durch die Hintertür

Entlastungspotential durch Beseitigung der kalten Progression
Mit der Festlegung der Wahlprogramme ist die Diskussion um das richtige Steuerkonzept voll entbrannt. Die Einen fordern Steuersenkungen, die Anderen behaupten, Steuersenkungen seien nicht finanzierbar – und fordern deswegen Steuererhöhungen. Richtig ist, dass sich angesichts der konjunkturell bedingten Steuerausfälle und der hohen Haushaltsdefizite der Spielraum für steuerliche Entlastungen tatsächlich stark eingeschränkt hat. Höhere Steuern sind in der jetzigen konjunkturellen Phase allerdings kontraproduktiv, weil sie die Nachfrage schwächen und den wirtschaftlichen Erholungsprozess hinauszögern.

Dennoch besteht im Bereich der Einkommensbesteuerung Handlungsbedarf. Zwar wurden im Zuge des Konjunkturpaketes II Entlastungsschritte, wie die Anhebung des Steuerfreibetrages und die Verringerung des Eingangsteuersatzes um 1 Prozentpunkt, beschlossen, jedoch reichen diese Reformen nicht dazu aus, das deutsche Steuersystem den international üblichen Standards anzupassen.

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Finanzmarkt, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , 2 Kommentare zu Vermögen schmilzt dahin

Vermögen schmilzt dahin

Die Zahl der Dollar Millionäre hat sich in der Krise verringert

Wen trifft die Finanzkrise? Wer verliert? In erster Linie sicher all jene, die durch Kurzarbeit oder gar Arbeitslosigkeit Gehaltseinbußen und den Verlust ihres Jobs beklagen müssen. Dabei wurde die Mittelschicht bereits in den vergangenen Jahren steuerlich besonders belastet.

Jetzt trifft es aber zudem auch die Vermögenden. Die Finanzkrise macht sich auf den Kapital- und Immobilienmärkten besonders bemerkbar. Die 10 Millionen reichsten Menschen der Welt haben bereits rund ein Fünftel ihres Vermögens eingebüßt. Das Vermögen der Dollar-Millionäre ist um mehr als 7 Billionen, auf nun mehr 32,8 Billionen US-Dollar, geschrumpft. Die Zahlen stammen aus dem aktuellen Reichtumsbericht des Finanzhauses Merrill Lynch und der Unternehmensberatung Capgemini.

Die Reichen in Deutschland sind bis dato dagegen vergleichsweise glimpflich davongekommen. Sie mussten lediglich einen Verlust von rund 10 Prozent ihres Vermögens hinnehmen. Neben Vermögensverlusten trifft es aber zudem die Einkommens-Millionäre: So verdienten die Vorstände der 30 DAX Unternehmen im vergangenen Jahr rund 20 Prozent weniger als im Jahr davor.

Dagegen dürfte der gut ausgebaute Sozialstaat in Deutschland die Folgen der Rezession, vor allem in den einkommensarmen Bevölkerungsschichten, abfedern. Denn Deutschland garantiert Arbeitslosengeld- und Rentenempfängern ein sicheres Einkommen. In Mitten der größten Wirtschaftskrise seit dem zweiten Weltkrieg erfuhren die 20 Millionen Rentner zudem die größte Rentensteigerung seit 15 Jahren. Die ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen wird spürbar abnehmen – die Kluft zwischen Arm und Reich wird kleiner. Auf den einen Blick eine gute Nachricht. Andererseits ist der massive Vermögensverlust der gesamten Volkswirtschaft ein lähmender Bremsklotz auf dem Weg zu mehr Wohlstand für alle.


Jeden Montag oder Dienstag werden im ÖkonomenBlog Beiträge aus der Reihe „Wohlstands-Bilanz-Deutschland“ veröffentlicht, mit denen die 60-jährige Erfolgsgeschichte der Sozialen Marktwirtschaft nachgezeichnet und auf neue Herausforderungen hingewiesen wird. Eine umfassende Übersicht über Wohlstands-Parameter wie Einkommen, Vermögen, Lebensqualität und Bildungschancen finden Sie auf der Internetseite http://www.wohlstandsbilanz-deutschland.de/

Europa, Soziales, Steuern und FinanzenTagged , , , 10 Kommentare zu Wohlstand auf Kosten der Zukunft

Wohlstand auf Kosten der Zukunft

BIP und Schulden pro Kopf im Jahr 2008

Beim Krisenmanagement offenbart sich in Deutschland eine seltene Einigkeit: Ob Bankenrettung, Konjunkturpakete, Staatsverschuldung – Konsens auf Kosten der nächsten Generationen. Denn niemand anders als sie werden die irrsinnige Neuverschulung des Bundes in den Jahren 2010 bis 2012 in Höhe von 310 Milliarden Euro abtragen müssen. Der gigantische Schuldenberg ist größer als der gesamte Bundeshaushalt für das Jahr 2008. Die Schuldenmeister werden sagen: die Konjunkturpakte sichern Arbeitsplätze. Ist es aber moralisch gerechtfertigt, heutige Probleme auf Kosten künftiger Generationen zu lösen? Meiner Ansicht nach nicht.

In der Krise zeigt sich doch unser grundsätzliches Problem: Wie definieren wir Wohlstand? In der Regel orientieren wir uns am Bruttoinlandsprodukt. Wenn es sinkt, entsteht in Deutschland immer eine gedrückte, pessimistische Stimmung. Geht es uns bei sinkendem BIP aber automatisch schlechter? Selbst in Zeiten sinkender Löhne ist unsere Lebenserwartung weiter angestiegen. Gleiches gilt für Bildung und Gesundheit. Werden solche Faktoren bei der Bewertung des Wohlstandsniveaus mit berücksichtigt, dann geht es uns heute besser als in den Jahren zuvor. Vor diesem Hintergrund ist die Frage mehr als berechtigt, ob wir wirklich 310 Mrd. Euro neue Schulden aufnehmen müssen, nur weil wir uns dann wohler fühlen.


Jörg Tremmel ist Wissenschaftlicher Direktor der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen. Der BlogBeitrag basiert auf einem Interview mit dem Kölner Stadtanzeiger vom 24. Juni 2009.

Europa, FinanzmarktTagged , , 1 Kommentar zu Binnenmarkt: Sand im Getriebe

Binnenmarkt: Sand im Getriebe

Verurteilungen für Verstöße gegen den EG-Vertrag

Adam Smith hatte eine revolutionäre Idee: In seinem Hauptwerk von 1776 „The Wealth of Nations” beschrieb er die Chancen der internationalen Arbeitsteilung – die Keimzelle für wachsenden Wohlstand für alle. Knapp 220 Jahre später, am 31.12.1992 wurde offiziell die Einführung des europäischen Binnenmarktes vollendet. Das Ziel war ein wichtiger erster Schritt zur freien Marktwirtschaft: Abbau von Handelshemmnissen, Verschmelzung der nationalen Märkte zu einem einzigen.

Der EU-Binnenmarkt steht für ein konsequentes Ordnungsmodell: Zölle und andere Handelsbeschränkungen sind mit diesem Modell nicht vereinbar. Darüber hinaus gilt das Prinzip gegenseitiger Anerkennung, d.h. Waren die in einem EU-Land rechtmäßig hergestellt wurden und in den Verkehr gebracht worden sind, dürfen danach auch in allen anderen Ländern der Union verkauft werden.

Wer gegen die sog. vier Freiheiten des europäischen Binnenmarktes verstößt, bekommt es mit der Europäischen Kommission als dessen Hüterin zu tun, die den – EU internen – Freihandel vor Protektionismus schützen sollte. Doch wie ernst werden die Spielregeln von den Nationalstaaten tatsächlich genommen? Die Analyse zeigt: In der Praxis knirscht so manches Sandkörnchen im Getriebe.

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